Münchner Tennisturnier: Die neue Ära beginnt mit Holzhütte und Stahlbeinen – Sport

Die Augen von Fabian Tross fangen zu leuchten an, als er sich dem Stahlbau auf der Anlage des MTTC Iphitos nähert. Sogar hinter seiner Sonnenbrille an diesem herrlichen Frühlingstag ist seine Freude zu erkennen. „Wir sind stolz, dass es nun so weit ist und es losgeht“, sagt der Präsident des Tennisklubs am Rande des Englischen Gartens, „man glaubt gar nicht, wie viele Rädchen ineinandergreifen müssen, um so ein Projekt umzusetzen.“

Die BMW Open, das jährliche Turnier der ATP Tour der Männer, beginnt an diesem Samstag mit dem Qualifikationsfeld, ab Montag starten die Erstrundenmatches, und, das ist das Besondere, die Veranstaltung ist kein ATP-Turnier der 250er-Kategorie mehr, sondern ein 500er; der Sieger erhält 500 Weltranglistenpunkte. Dieser Aufstieg innerhalb der Profiserie zieht viele Veränderungen nach sich. Alles wird mächtiger. 2,5 Millionen Euro Preisgeld werden statt 600 000 Euro ausgeschüttet. Das VIP-Zelt wurde verlegt und in eine schmucke Hüttenlandschaft verwandelt. Ein Stadion für 6000 Zuschauer steht vor dem Klubhaus; sogar die Drainage, das Entwässerungssystem, musste verlegt werden. Die Para Trophy, das Turnier der Rollstuhltennisspieler, erhält einen festen Court. Und, und, und. „Für uns ist das ein großer Schritt“, sagt Tross, „wir sind froh, dass unsere Mitglieder immer zu hundert Prozent dafür gestimmt haben.“

Dann biegt Tross um die Ecke und steht samt Gefolgschaft, die an diesem Freitagvormittag zur Eröffnungspressekonferenz (die eher ein Eröffnungsrundgang ist) erschienen ist, auf dem Center Court. Stahltribünen recken sich in alle vier Richtungen empor. Plötzlich ertönt pompöse Musik, rasch folgt die Aufklärung: Die BMW Open haben ab sofort eine Hymne, die laut Komponist Stefan Benz eine „heroische“ Anmutung transportieren soll. Das Volkslied Solang der alte Peter, bekannt als Stadthymne Münchens, diente als Grundlage.  „Das ist total unsere DNA“, erklärt der Anwalt Tross, der einst als Balljunge beim Turnier angefangen hatte. Man wolle das Bayerische, das Bodenständige und Nahbare auch in der neuen Zeitrechnung zum Ausdruck bringen.

Um eine Zäsur handelt es sich in der Tat für das Turnier, das 1900 als Internationale Tennismeisterschaften von Bayern seinen Ursprung erlebte. Gespielt wurde damals auf Rasen. 1990 stieg der Autokonzern als Titelsponsor ein, blieb es bis heute und wird auch zukünftig mit dem Klub sowie der Kölner Agentur MMP, die als Lizenzinhaber das Turnier verantwortet, die Veranstaltung auf die Beine stellen. Dass diese vorerst aus auf- und abbaubaren Stangen, Rohren und Platten bestehen, lässt erahnen: Ganz so einfach war es für die Organisatoren nicht, das 500er-Turnier rasch aufzuziehen. „Wir setzen ja nicht das 250er einfach fort, wir ziehen ein neues Turnier auf“, sagt Tross.

Neue Perspektive: So sieht der TV-Zuschauer den neuen Center Court der BMW Open; im Hintergrund das Klubhaus des MTTC Iphitos. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images for BMW)

Die Vielzahl der Auflagen der ATP verlangt zum Beispiel einen Fitnessbereich von mindestens 400 Quadratmetern. Und drei Courts, die fernsehtauglich ausgestattet sind für den World Feed, die TV-Übertragung in die Welt hinaus. Das alte Stadion ist nun Court 2. Ein Dach über dem Center Court, dem Hauptplatz, muss es eigentlich auch geben. Das können Iphitos und MMP noch nicht bieten, ab 2027 soll das neue Stadion samt ausfahrbarem Regen- und Schneeschutz (ja, es hat hier schon geschneit) stehen. Dass die BMW Open mit der Übergangskonstruktion starten dürfen, liegt sicher auch an dem Bonus, dass sich das Turnier Gründungsmitglied der ATP Tour nennen darf. Obwohl mit weniger Kapital ausgestattet, hatte sich München beim Kampf um das 500er-Turnier gegen Wettbewerber aus Asien durchgesetzt; auch Boris Beckers legendärer früherer Manager Ion Tiriac, dem halb Rumänien gehören dürfte und der mit einem Fingerschnippen ein Turnier jeder Größe aufziehen könnte, ging leer aus. Für die ATP stellen die BMW Open auch einen verlässlichen Partner dar.

Billig wird das Turnier trotzdem nicht, der Stadionbau samt Anlagenrenovierung ist mit 25 bis 30 Millionen Euro veranschlagt. Tross schnauft durch, ehe er sagt, dass er sehr dankbar sei über die Unterstützung aus der Politik. Verständlich, der Freistaat Bayern wird sich mit 50 Prozent beteiligen, die Stadt München übernimmt 30 Prozent, Iphitos 20 Prozent. Erleichtert ist Tross auch, dass ein Konflikt mit dem benachbarten Sportverein Studentenstadt Freimann gütlich beendet wurde. Fünf Plätze waren an die dort wohnenden Studenten zur Nutzung vermietet worden, mit dem neuen Stadion müssen die Spielflächen weichen. Ab 2026 sollen die Studierende dafür ganz normal die Iphitos-Anlage nutzen können.

Turnierdirektor Patrik Kühnen bedauert zwar den Ausfall zweier Topspieler – der Weltranglistenerste Jannik Sinner aus Südtirol sitzt noch seine Dopingsperre ab, Vorjahresfinalist Taylor Fritz aus den USA zog verletzt raus –, „doch das nehmen wir sportlich“, sagt der frühere Davis-Cup-Spieler. Alexander Zverev, in einer Art Minikrise, ist an Nummer eins gesetzt, mit Hitting Partner Matthias Bachinger, für drei Wochen angeheuert, trainiert er seit Donnerstag auf der Anlage. Pech haben nur die, die noch kein Ticket haben. Die neuen BMW Open sind schon ausverkauft. 90 000 Zuschauer werden sich persönlich ein Bild vom neuen 500er-Turnier machen können.