
Wer sich mit dem Auto oder Bus vom Westen her dem Flughafen München nähert, passiert seit Kurzem eine Photovoltaik-Anlage auf Stelzen: Das Staatliche Bauamt Freising hat 35 Meter des vierspurigen Zubringers mit einem Solardach überspannt. Auch eine Seitenfläche der Konstruktion ist mit Modulen verkleidet. Um einen Tunneleffekt zu vermeiden, lassen die Solarpaneele etwas Licht durch.
Die 210-Kilowatt-Anlage erzeugt über das Jahr gesehen genug Strom, um rechnerisch rund 70 Haushalte versorgen zu können – und das fast ohne Flächenverbrauch, betonte der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) bei der Einweihung Ende August. Ein willkommener Nebeneffekt: Die Module schützen die Fahrbahn vor starker Sonneneinstrahlung, was deren Lebensdauer verlängern dürfte.

:Wenn über Straßen Strom gemacht wird
Im Grunde ist bekannt, wie sich durch Photovoltaik Strom gewinnen lässt. Doch in der Region um München wird an vielen Stellen mit neuen Anlagen experimentiert. Ob am Flughafen, über einer Kläranlage oder Feldern in der Hallertau.
Mit diesem Projekt will das Staatliche Bauamt Freising Erfahrungen im Bau und Betrieb solcher Anlagen sammeln. Abgesehen von einer kleinen Pilotanlage über einer Fahrspur an der Autobahnraststätte Hegau-Ost nahe dem Bodensee gibt es hierzulande keine vergleichbaren Solarstraßen. Dabei ist das Potenzial enorm, zumindest auf dem Papier: Rund 300 Gigawatt Photovoltaik-Leistung geben die Verkehrsflächen in Deutschland einschließlich ihrer Randstreifen theoretisch her, hat das Freiburger Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE ausgerechnet. Das entspricht fast dem Dreifachen der bislang insgesamt installierten Leistung.
Werden wir also künftig mehr Photovoltaik über Fahrbahnen sehen? Martin Heinrich, Experte für verkehrsintegrierte Photovoltaik am Fraunhofer ISE, hält das für möglich. „In manchen Regionen des Landes wird der Platz für Solarparks knapp. Da bietet es sich an, auch Straßen für die Stromerzeugung zu nutzen“, erklärt er. Dabei kommen vor allem Strecken infrage, auf denen nur langsam gefahren werden darf.
„Je höher die zulässige Geschwindigkeit ist, desto massiver muss die Tragekonstruktion sein, um dem Aufprall eines Fahrzeugs standzuhalten“, sagt Heinrich. „Damit steigen die Kosten. Und weil mehr Stahl und Beton nötig sind, wird auch der CO₂-Fußabdruck größer.“ Ein striktes Tempolimit erlaubt eine schlankere Konstruktion. Das senkt den Investitionsbedarf erheblich, da der Unterbau den mit Abstand größten Teil der Kosten ausmacht.
Strom für bis zu 1,8 Millionen Haushalte
Noch filigraner kann die Tragestruktur ausfallen, wenn ein Radweg mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet wird, sagt der Fraunhofer-Forscher. „Davon profitieren auch die Radfahrer, denn die Module schützen sie vor Regen und Schnee“, erklärt Heinrich. Als passionierter Radler spricht er aus Erfahrung: Das Fraunhofer ISE hat zusammen mit dem Versorger Badenova und der Stadt Freiburg einen Fahrradstreifen nahe dem Hauptgebäude des Instituts auf 300 Metern mit Solarmodulen überdacht, eine deutschlandweit einzigartige Anlage.
Doch auch über Autobahnen und anderen Schnellstraßen können Solardächer sinnvoll sein – nicht über weite Strecken, aber punktuell. „Denkbar wäre zum Beispiel, eher kleine Anlagen vor Tunnelportalen zu montieren“, sagt Oberregierungsrat Markus Auerbach von der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt). „Das hat auch deshalb Charme, weil der Strom gleich vor Ort verbraucht werden kann, vor allem für die Beleuchtung.“
Zudem erhöhen solche Konstruktionen die Sicherheit an den Ein- und -ausfahrten der Tunnel: Das Solardach macht den Übergang vom Hellen ins Dunkle und umgekehrt sanfter, sodass sich die Augen besser an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen können. Interessant ist das Konzept auch für die An- und Abfahrtspuren sowie die Parkplätze der Tank- und Raststätten an den Autobahnen, meint Auerbach. „Der Strom ließe sich dann zum Beispiel für dort installierte Ladestationen nutzen.“
Weitaus günstiger als die Montage über der Straße ist allerdings, die Module daneben zu platzieren, etwa an Lärmschutzwällen und -wänden. „Photovoltaik-Anlagen auf Lärmschutzwällen kosten meist kaum mehr als Solarparks“, sagt Heinrich. Auch ist der Anschluss ans Stromnetz in der Regel einfacher. Denn Lärmschutzwände und -wälle stehen normalerweise in der Nähe von Siedlungen – und damit auch nahe der Netz-Infrastruktur. Entlang der Fernstraßen könnten laut eines Berichts der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen mindestens 3,2 bis 4,2 Gigawatt Photovoltaik-Leistung auf Wällen und 0,5 bis 0,6 Gigawatt an Wänden installiert werden. Damit ließe sich rechnerisch Strom für ungefähr 1,2 bis 1,8 Millionen Haushalte erzeugen.
Noch deutlich größeres Potenzial bieten die Randstreifen der Fernstraßen, wie der BASt-Bericht weiter zeigt. Hier sind insgesamt 24 bis 48 Gigawatt möglich – genug, um etwa acht bis 16 Millionen Haushalte zu versorgen. Schon heute werden Flächen rechts und links der Autobahnen zunehmend für die Photovoltaik genutzt. Seit Anfang 2023 gelten Solarparks dort als baurechtlich privilegiert, sofern sie innerhalb eines 200 Meter breiten Streifens entlang der Fahrbahn errichtet werden. Das vereinfacht die Genehmigungsverfahren erheblich.