Mit „Twin Win“-Tattoos Aufmerksamkeit schaffen: Bundesweite Aktion für DKMS

Als Hailey zur Welt kam, hatte sie ein zu großes Herz. Leider nicht im übertra­genen Sinn. Jimmy-Dean Laubinger und ­seine Frau besuchten mit ihrer neu­geborenen Tochter unzählige Kardiologen. Irgend­etwas stimmte nicht mit ihr. Auch sonst war ihre Tochter zu groß für ihr ­Alter, ihre Zunge war ebenfalls vergrößert, ihre Sehnen waren an den Fingern verkürzt.

Nach 15 Monaten, erst als die Ärzte einen ­Gentest vorgenommen hatten, kam die Diagnose: MPS, Mukopolysaccharidose, eine Stoffwechselerkrankung. Die ­Eltern trugen das Gen unwissentlich in sich, bei der Tochter bildete sich die Krankheit aus – das passiert nur bei einem von rund 150.000 Kindern. Betroffenen fehlt ein Enzym, das Zellen recycelt.

Die Gemeinschaft soll mithelfen

„Zum Glück ist diese Krankheit gut ­erforscht, auch wenn sie kaum jemand kennt“, sagt Laubinger, der unter seinem Künstlernamen Jers bekannt ist. Er ist seit 2012 Tätowierer in Osnabrück, hatte fast zeitgleich mit der Geburt seiner Tochter im Jahr 2022 seinen Durchbruch in den ­sozialen Medien. Nun will er seine Reichweite nutzen, um auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Dafür veranstaltet er eine Aktion, bei der man sich an diesem Samstag unentgeltlich eine Tätowierung stechen lassen kann.

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Jers folgen auf Instagram 186.000, auf Youtube rund 110.000 Personen. Drei ­Wochen nach der Diagnose seiner Tochter lud er ein Video über ihre Erkrankung hoch. Die einzige Therapieform für die Krankheit ist eine Stammzelltransplan­tation. Die Laubingers suchten nach einem Spender. Über einen Typisierungs-Link der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) registrierten sich rund 9000 neue mögliche Spender. „Das war die größte privat organisierte Aktion in der Geschichte der DKMS“, erzählt Laubinger stolz. Nach drei Monaten wurde Haileys genetischer Zwilling gefunden.

Zur Vorbereitung auf die Spende musste die Familie mehrere Monate in Isolation leben. Laubingers Tochter bekam eine Chemotherapie. Sie vertrug die Spende und konnte nach einigen Monaten das ­Krankenhaus verlassen. Jimmy-Dean Laubinger schwärmt von ihr als aufgewecktem Mädchen. Dank der Spende hat ihr Körper das fehlende Enzym nun doch. Die Behandlung aber drängte damals, weil ein einmal ent­standener Schaden nicht rückgängig ­gemacht werden kann.

Verein konzentriert sich nur nicht auf eine Krankheit

„Viele Vereine haben sich eine Krankheit gesucht und unterstützen die Familien der Erkrankten. Wir aber wollen die Therapieform Stammzellspende in die Mitte stellen“, sagt Laubinger. Dafür gründeten er und seine Unterstützer den Verein Stammzellhelden. Um diesen bekannt zu machen, veranstalten sie nun die Tattoo-Aktion. Die Idee: Überall in Deutschland nehmen Studios teil und stechen das „Twin Win“-Symbol. Ursprünglich wollten sie rund 60 Studios akquirieren, daraus sind jetzt 267 geworden. „Wir in Osnabrück rechnen damit, dass wir 300 Tattoos stechen, alle Studios zusammen mehrere Tausend“, sagt Jers. „Selbst wenn es nachher nur 100 sind, ist das schon gut.“

Rettungssanitäter und Influencer Marcel Wilhelm (rechts) ist der erste Träger des „TwinWin“-Symbol von Tätowierer Jimmy-Dean Laubinger (links).
Rettungssanitäter und Influencer Marcel Wilhelm (rechts) ist der erste Träger des „TwinWin“-Symbol von Tätowierer Jimmy-Dean Laubinger (links).DKMS

Mit ihm werden zwölf weitere Tätowierer in seiner Heimatstadt bereitstehen. Gleichzeitig kann man sich typisieren lassen. Nicht überall können DKMS-Teams an Ort und Stelle sein, in vielen Studios liegen nur Kits mit Wattestäbchen aus. Das streicht man einfach an der Innenseite der Wange entlang. Danach ist man in der Kartei und wird kontaktiert, falls es einen passenden Empfänger gibt. Sich registrieren zu lassen, ist aber kein Muss. Laut DKMS gelten für Spender auch Voraussetzungen: Man muss zwischen 17 und 55 Jahre alt sein und darf ­bestimmte gesundheitliche Parameter nicht überschreiten. Laubinger und seine Frau wollen auch Spenden sammeln, die sollen gleichmäßig unter drei Vereinen aufgeteilt werden: der DKMS, der Gesellschaft für Mukopolysaccharidosen und Laubingers Verein Stammzellhelden.

Die Idee für die Aktion kam dem Einundvierzigjährigen, als er sich mit seiner Tochter zum Mittagsschlaf hinlegte. Er hatte an einer Aktion des Vereins Junge Helden teilgenommen. Die hatten sich, um auf das Thema Organspende aufmerksam zu machen, überlegt, eine Tätowierung zu stechen. Auch wenn das Symbol in der Haut keinen Organspendeausweis ­ersetze, zeige es eine Absichtserklärung und setze ein Zeichen. Das Motiv für die Organspende ist auch auf den Einbänden der ­Bücher des Verlags Ars Vivendi zu ­sehen. Der Verleger und Geschäftsführer Norbert Treuheit schreibt dazu, dass er selbst vor mehr als 20 Jahren von einer Organspende profitiert habe und deshalb seinen Teil zur Aktion beitragen möchte.

Ein Motiv mit Bedeutung

Wieso also nicht etwas Ähnliches machen, dachte sich Jers. Die erste Skizze für das Logo war nach rund 90 Minuten fertig. Seine Frau riet ihm, Symbole zu nehmen, mit denen jeder etwas anfangen könne. Es wurde das Sternzeichen Zwilling, die ­römische Zahl Zwei, die aufgedreht wie ein DNA-Strang aussieht. Dann malte er noch die Leitern für die Doppelhelix ­hinein, fertig war das Motiv. Der Name der Aktion „Twin Win“ soll deutlich machen, dass es etwas Schönes ist, wenn man ­helfen kann und einem anderen geholfen wird. Das kann bei bestimmten Krank­heiten nur der genetische Zwilling.

Laubinger und seine Frau dürfen den Spender ihrer Tochter Ende des Jahres kennenlernen. Er war schon länger als Spender registriert, anonymen Briefkontakt hatten sie schon. Ob sie schon etwas geplant haben, wenn sie den Spender ihrer Tochter treffen? „Ihn so lange ­drücken, bis er keine Luft mehr bekommt“, sagt Laubinger und lacht.