
Die Bond Street in London ist zur teuersten Einkaufsstraße der Welt gekürt worden, was die Mieten der Läden angeht. Damit überholt sie erstmals auch Mailand und New York. Deutschlands Luxus-Einkaufsmeilen rangieren zwar weiter hinten – aber ein Indiz verrät ihren Aufstieg.
Spätestens wenn in der Vorweihnachtszeit gegen kurz nach halb vier die Dämmerung einsetzt, beginnt es zu funkeln in Londons Bond Street. An der Fassade des Ladengeschäfts von IWC Schaffhausen, geschmückt mit einer riesigen schwarzen Schleife, lassen unzählige Lichterketten große Tannengirlanden strahlen. Ein kleiner Wald geschmückter Bäume vor Sotheby’s, die Auslage von Gucci ein überdimensionierter, edler Adventskalender, Tausende winzige Lichter schimmern in einer grünen Fantasieszene im Fenster von Dior. Nebenan packt ein junger Mann für einen Wein-Lieferdienst vier Kisten Champagner aus seinem weißen Van.
Passanten und Besucher drängen sich über die schmalen Gehsteige, durch die Straße, die Jahr für Jahr mit der beeindruckendsten Weihnachtsbeleuchtung der Stadt fasziniert. Vorbei an Louis Vuitton, das dreistöckige Stadthaus aus georgianischer Zeit, geschmückt mit großen goldenen Sternen im Stil des Logos, bis zur üppigsten der diesjährigen Dekorationen. Vier stilisierte, übergroße, leuchtende Geschenkkartons prangen in den oberen Stockwerken vor Cartier, von zwei Seiten von Panthern eingerahmt, dem Symbol der exklusiven Marke.
Durch die edle Shopping-Meile im Londoner Stadtteil Mayfair schlendern auch außerhalb der Adventszeit Tausende Besucher am Tag. Jetzt kann die exklusive Adresse dabei auf einen Spitzenplatz verweisen: Sie ist die teuerste Einkaufslage weltweit. Mit einem Plus von 22 Prozent bei den durchschnittlichen Ladenmieten innerhalb eines Jahres hat sie sich vom dritten Platz vor die Via Monte Napoleone in Mailand und die Upper Fifth Avenue in New York City geschoben. Das zeigt die aktuelle Analyse der großen Einkaufsstraßen weltweit, die die Immobilienexperten von Cushman & Wakefield jährlich veröffentlicht.
Die Luxus-Mieten pro Quadratmeter
20.482 Euro im Jahr werden im Schnitt für den Quadratmeter fällig. In Mailand und New York sind die Mieten dagegen mit 20.000 Euro und 18.359 Euro gegenüber dem Vorjahr stabil geblieben. Tsim Sha Tsui in Hongkong, die Avenue des Champs-Élysées in Paris, Ginza in Tokio und die Zürcher Bahnhofstraße folgen auf den hinteren Plätzen.
„Die anhaltende Attraktivität der weltweit führenden Einkaufsstraßen liegt in ihrer einzigartigen Kombination aus Tradition, Sichtbarkeit und kulturellem Prestige“, sagte Robert Travers, Leiter Retail in der Region Europa, Mittlerer Osten und Afrika bei Cushman & Wakefield. Weit mehr als reine Handelsflächen seien diese Shopping-Meilen, eine entscheidende Rolle für die Markeninszenierung würden sie spielen.
Der Zuwachs der Mieten in Bond Street wurde durch eine starke Nachfrage bei gleichzeitig sehr begrenztem Angebot getrieben. Der Straßenzug zwischen Piccadilly und Oxford Street ist nur rund 800 Meter lang. Das südliche Ende heißt Old Bond Street, nach 150 Metern wird es zur New Bond Street. Der Abschnitt zwischen Clifford Street und Burlington Gardens ist besonders gefragt bei edlen Juwelieren. Hier residieren Van Cleef & Arpels und Breguet neben Chopard, Blancpain und Bulgari. Das Straßenstück habe sich zu einer der am härtesten umkämpften Lagen im internationalen Einzelhandel entwickelt, betonen die Immobilienexperten. Nutzer würden sich für langfristige Mietverträge bei anspruchsvollen Konditionen entscheiden, um sich den begehrten Standort zu sichern.
Einige alteingesessene Anbieter mussten in diesem Preiskampf aufgeben. Das Kaufhaus Fenwick hat seine Traditionsadresse in der Bond Street im vergangenen Jahr aufgegeben. Auch der Flagship-Shop des britischen Luxus-Schreibwaren-Anbieters Smythson of Bond Street ist geschlossen.
Von der Zugkraft der Adresse profitieren benachbarte Straßen. Oxford Street im Norden von New Bond Street und Regent Street, zwei Minuten Fußweg entfernt, verzeichneten ebenfalls Mietzuwächse um die zehn Prozent. Mit Durchschnittsmieten zwischen 5.500 Euro und knapp 6.000 Euro spielen sie aber in einer anderen Liga als die exklusive Einkaufsmeile. Etwas höher liegt mit 7.280 Euro die Gegend um Covent Garden. Sie bleibt ebenfalls gefragt; die Mieten haben im vergangenen Jahr um zehn Prozent angezogen. Die Leerstandsquote in den zentralen Stadtteilen hat diese kräftige Nachfrage auf fünf Prozent gedrückt.
So teuer ist es ein Deutschland
Deutschlands bekannte Einkaufsstraßen können mit diesen Werten nicht mithalten. München schafft es mit der Kaufinger/Neuhauser Straße ins Mittelfeld des globalen Vergleichs, in dem die Spitzenadresse jedes Landes berücksichtigt wird. Auf Platz 14 rangiert die Stadt hinter Seoul, Wien und Shanghai. Auch wenn hohe Mieten in Bayerns Metropole viel beklagt werden: Im Vorjahresvergleich blieben sie stabil. Mit 3840 Euro im Jahr für den Quadratmeter liegen sie gerade einmal bei einem Fünftel der weltweiten Spitzenwerte, fast gleichauf mit der Ermou in Athen.
Längst nicht immer rangierte Deutschland in der Mittelklasse. 1988, in der ersten Ausgabe des Cushman & Wakefield Index, hatte die Kaufinger Straße in München Platz 2 belegt, hinter der East 57th Street in New York City. Ginza in Tokio, die Londoner Oxford Street und die Rue du Faubourg St. Honoré folgten damals auf den Plätzen weiter hinten. Die Mieten in der Spitzengruppe lagen seinerzeit bei rund einem Zehntel der heutigen Werte.
Die Mietsteigerungen in der Londoner 1A-Lage machen Hoffnung für den Markt für Luxusgüter. Nach einem Boom in den Jahren nach der Pandemie steckte die Branche in einer Flaute. Bei großen Häusern wie den französischen Konzerne LVMH und Kering schwächelten die Gewinne. Doch der Schweizer Konzern Richemont, zu dem unter anderem der Juwelier Cartier und die Uhrenhersteller Jaeger-LeCoultre und IWC Schaffhausen gehören, meldete Mitte November einen Gewinnsprung um sieben Prozent im ersten Halbjahr des Geschäftsjahres.
Weltweit stiegen die Mieten auf den großen Geschäftsstraßen um durchschnittlich 4,2 Prozent. Europa liegt mit vier Prozent im internationalen Trend. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit und intensivem Wettbewerb durch Online-Shopping-Kanäle bleiben erstklassige Einzelhandelslagen gefragt.
Im europäischen Vergleich spielen auch die Münchner Maximilianstraße, die Tauentzienstraße in Berlin, die Frankfurter Zeil, die Spitaler Straße in Hamburg und die Düsseldorfer Königsallee in der Top 30 der teuersten Handelsadresse mit. „Die Bedeutung physischer Einzelhandelsflächen – insbesondere für die emotionale Markenbindung – bleibt hoch. Wir erwarten, dass sich dieser Trend mit der Verbesserung der globalen Rahmenbedingungen weiter verstärken wird“, sagte Andreas Siebert, Leiter Retail Deutschland bei Cushman & Wakefield.
Die Top-Lagen in deutschen Metropolen hätten gegenüber konjunkturellen und geopolitischen Unsicherheiten Resilienz bewiesen. Nicht nur die niedrigen Leerstandsquoten unterstreichen das, sondern auch ein wachsendes Interesse internationaler Anbieter. Neue Ladengeschäfte von Marken wie Uniqlo und Muji aus Japan, JD Sports, Rituals oder Lululemon sind in den vergangenen Jahren in diesen Großstädten gestartet. Das internationale Luxus-Segment rangelt derweil um die Shops in Londons Bond Street.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Claudia Wanner schreibt für WELT vor allem über die britische Wirtschaft.
