Sich anzukleiden, sah für Michelle Obama in den Jahren als First Lady zum Beispiel so aus: Wenn sie auf Reisen ging, hatte sich ihre Stylistin Meredith Koop vorab über Termine entlang der Route informiert. Koop hielt Rücksprache mit den sogenannten Aufklärer-Teams, die in den Zielregionen die Lage sondiert hatten. Erst dann stellte die Stylistin Outfits für Obama zusammen.
So ist es nachzulesen in „The Look“, einem eben erschienenen Buch über Obamas Stil, gemeinsam geschrieben von der ehemaligen First Lady und Koop (Prestel, 304 Seiten, 42 Euro). In den Mode-Memoiren geht es aber auch um Situationen in Obamas Leben, in denen sie vor Fragen stand, die jeder kennt: Wie können Kleider zum Beispiel dabei helfen, sich wohlzufühlen, wenn man vor anderen Leuten etwas präsentiert? Wo findet man diese Outfits? Was braucht es, um sich mit Kindern auf dem Rasen bewegen zu können? Hier fünf Tipps, was man von dieser Stilikone lernen kann.
Erste Station: Das Kaufhaus
Vor der Zeit, als sich große Modedesigner darum rissen, Kleider nur für sie anzufertigen, und vor der Zeit, als ihr eine Stylistin zur Seite stand, lagen öffentliche Auftritte, für die sich Obama als berufstätige Mutter zweier kleiner Kinder mal eben in der Mittagspause etwas zum Anziehen zulegen musste. Im Buch beschreibt sie, wie sie dann immer ins Kaufhaus eilte. Es waren andere Zeiten, die Onlineshops befanden sich noch im Aufbau, es existierten noch deutlich mehr Modekaufhäuser. Trotzdem gilt damals wie heute: Mehr Auswahl direkt zum Anprobieren gibt es nirgendwo.

Michelle Obama kam das gerade recht, als 1,80 Meter große Frau, mit – wie sie sich selbst beschreibt – kurzem Oberkörper und langen Armen. Wenige Tage, bevor ihr Mann in den Senat gewählt wurde, fand sie zum Beispiel etwas Passendes bei Barneys. Bei Bloomingdale’s um die Ecke nahm sie noch zwei Kleider für ihre Töchter mit. „Die Last-Minute-Expeditionen in verschiedene Kaufhäuser wurden in den frühen Tagen von Baracks politischer Karriere zur Regel“, schreibt sie.
Das unterschätzte Accessoire
Über Michelle Obamas Outfits wurde in ihren acht Jahren im Weißen Haus viel gesprochen. Diese First Lady stand einer Generation jüngerer New Yorker Designer, darunter Narciso Rodriguez und Jason Wu, beim Aufbau ihrer Labels zur Seite, indem sie deren Kleider trug. Aber wurde mit ihr eine Handtasche berühmt? Eine Sonnenbrille? Ein Schuh? Stattdessen setzte Michelle Obama in ihren First-Lady-Jahren auf ein subtileres Accessoire – nicht auf einen Hingucker, sondern auf eins, das ihren Outfits den letzten Schliff gab: die Brosche. „Um die Blicke auf mein Gesicht zu lenken“, schreibt sie in „The Look“.
Was anziehen bei Kälte?
Die Außentemperatur beträgt minus zwei Grad, und der wichtige Termin findet draußen statt: Was anziehen? Michelle Obama stand zweimal vor dieser Herausforderung, zu den Amtseinführungen ihres Mannes in den Jahren 2008 und 2012. Mit der Zeit lernte sie dazu. Beim ersten Mal trug sie zwei Strumpfhosen übereinander, unter dem Mantel Strickjacke und Schal – dazu Handschuhe aus Leder, die dann leider kaum gegen die Kälte schützten. „Eines wusste ich“, schreibt Obama im Buch. „Ich würde bei Baracks zweiter Ernennung nicht so frieren wie bei der ersten.“ Statt zwei Strumpfhosen entschied sich Obama beim zweiten Mal für hohe Stiefel, dazu einen Mantel, unter dem noch mehr Zwiebelschichten möglich waren.

Kleider, die umarmungstauglich sind
Von der Queen ist der schöne Satz überliefert, sie müsse gesehen werden, damit man an sie glaubt. Michelle Obama war es offenbar wichtig, dass man sie spüren konnte: Es existieren jedenfalls besonders viele Bilder von ihr, auf denen sie andere Menschen im Arm hält. Auch unter Nicht-First-Ladys sollen Umarmungen hin und wieder vorkommen. Wer sein Outfit darauf abstimmen möchte, könnte diesen Rat von ihr beherzigen: „Immer wenn ich ein Outfit anprobierte, streckte ich meine Arme vor mir zu einem breiten O aus, um sicherzugehen, dass sie mich nicht in der Bewegung einschränkten“, so heißt es in „The Look“. „Mein Hauptkriterium war: Könnte ich in diesem Look jederzeit Menschen umarmen?“
Geheimwaffe Strickjacke
Das Buch streift auch Barack Obamas Verhältnis zur Mode. Es muss deutlich pragmatischer gewesen sein als das seiner Frau. So schreibt Michelle Obama über die frühen politischen Jahre des damals Noch-nicht-Präsidenten: „Barack konnte denselben Anzug immer wieder anziehen und einfach nur die Krawatte wechseln.“ Und über die Spätphase seiner Präsidentschaft berichtet sie: „Es war immer derselbe Smoking, den er die ganzen acht Jahre, in denen wir im Weißen Haus lebten, zu jedem formellen Anlass trug.“ Er habe immer wieder betont, sie seien keine „Designermode-Träger“. Und sie habe dann entgegnet: Sie seien auch eigentlich nicht die Leute, die einen Präsidentschaftswahlkampf führten.
Aber selbst Michelle Obama trug seltener offiziellere Blazerjacken und stattdessen häufig Strickjacken. Die begleiteten sie bis in den Buckingham Palace zur Audienz bei Queen Elisabeth. Denn: „Jäckchen passen zu allem!“
