
Nach langem Ringen um Zuständigkeiten im Volkswagen-Konzern und der Tochtergesellschaft Porsche geht die Ära der Doppelspitze ihrem Ende entgegen: Oliver Blume, derzeit Chef beider Unternehmen, soll seine Ämter trennen. Wie am Freitag bekanntwurde, wird der 57 Jahre alte Manager den Chefposten an der Spitze von Porsche zum Jahreswechsel abgeben – und damit den Weg freimachen für einen Neustart an der Spitze des Sportwagenherstellers.
Sein Nachfolger soll Michael Leiters werden. Der 55 Jahre alte Ingenieur ist aktuell Chef des britischen Sportwagenherstellers McLaren und hatte zuvor für Ferrari gearbeitet. Porsche und die Aktionärsfamilien kennt er aus früherer Zusammenarbeit.
Die Familien Porsche und Piëch geben im VW-Konzern und besonders in der Sportwagenmarke Porsche den Ton an. Sie sollen schon länger daran gearbeitet haben, Leiters für den Posten in Stuttgart zu gewinnen.
Kritik an Blumes Doppelrolle
Final beschlossen ist der Wechsel offenbar noch nicht. In einer knappen Pflichtmitteilung an die Finanzmärkte ließ die Porsche AG am Freitag nur wissen, der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Porsche werde nun mit Blume über dessen „einvernehmliches vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand von Porsche“ sprechen. Mit Leiters würden Verhandlungen aufgenommen. In Unternehmenskreisen heißt es aber, der Rest sei nur noch Formsache.
Wie schon lange bekannt war, bleibt Blume Vorstandsvorsitzender des Mutterkonzerns Volkswagen und soll sich nun mit voller Kraft auf die Aufgabe in Wolfsburg konzentrieren. Er war vor drei Jahren an die Spitze des VW-Konzerns gerückt und hatte damals den Posten als Porsche-Chef behalten, auch um seine Macht abzusichern. Denn die Steuerung einer großen Marke gilt als wichtige Basis, um auch den Konzern mit genug Durchschlagskraft führen zu können.
Zuletzt war die Kritik an seiner Doppelrolle aber immer lauter geworden, weil nicht nur der VW-Konzern, sondern auch Porsche in einer tiefen Krise steckt. Wie aus informierten Kreisen zu hören ist, wird sich nach Porsche am frühen Abend wohl auch VW mit einer Meldung zu den Folgen des Chefwechsels melden. Dabei dürfte es vor allem um vertragliche Themen gehen.
Vordenker des Plug-in-Hybrids
Michael Leiters gilt in Deutschland als profilierter Auto-Ingenieur. Mit ihm bekomme Porsche wieder einen Techniker an der Spitze. Das hatten sich nicht nur viele Mitarbeiter am Stammsitz in Stuttgart-Zuffenhausen gewünscht, sondern auch die Aktionärsfamilien. Studiert hat er Maschinenbau an der RWTH Aachen.
Seine Laufbahn begann Leiters beim Fraunhofer-Institut im Bereich Technologiemanagement und wechselte im Anschluss zu Porsche in die Entwicklung. Bei Porsche war Leiters maßgeblich an der Entwicklung des Porsche Cayenne beteiligt, den der Hersteller 2002 in Genf vorstellte. Später übernahm er als Produktlinienleiter die Verantwortung für die SUV-Modelle von Porsche.
2014 wechselte Leiters zu Ferrari und steuerte als Technikchef sowohl die Entwicklung des ersten Ferrari-Modells mit Plug-in-Hybrid-Antrieb, als auch die Entwicklung des ersten SUVs der italienischen Edel-Marke. 2022 übernahm der Ingenieur den Chefposten beim Sportwagenhersteller McLaren. Nachdem McLaren im April mit dem Elektroauto-Hersteller Forseven fusionierte trat Leiters von dem Chefposten bei dem britischen Unternehmen zurück.
Während seiner früheren Zeit bei Porsche war Leiters einst durch eine Geheimaktion auf einen Schlag in der Fachwelt bekannt geworden. Selbst im Entwicklungszentrum Weissach wussten nur wenige von dem Projekt, das der Maschinenbauer im Auftrag des damaligen Entwicklungschefs Wolfgang Dürheimer übernommen hatte.
Als der Genfer Salon im März 2010 seine Tore öffnete, gab es nur noch ein Gesprächsthema: den 918 Spyder, einen offenen Zweisitzer mit mehr als 600 PS aus einem V8-Motor, der eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 300 Kilometer in der Stunde erreichte und einen Normverbrauch von weniger als drei Liter Superbenzin auf 100 Kilometer auswies. Möglich war dies, weil der Wagen zusätzlich über drei Elektromotoren und eine extern zu ladende Batterie verfügte. Damit darf Leiters als Vordenker des Plug-in-Hybrids gelten, der heute rund zehn Prozent aller deutschen Neuzulassungen ausmacht.
In Wolfsburg hofft man ebenfalls, dass die neue Konstellation Vorteile hat und Blume sich jetzt mit voller Kraft auf die Aufgaben in Wolfsburg konzentriert. Der Konzern bekommt derzeit die Krise in der Autobranche mit Wucht zu spüren, Zehntausende Stellen werden abgebaut. Über den Verlauf des dritten Quartals wird der Konzern Ende des Monats berichten.