Methylenblau: Wirkung und Gefahren des Trend-Supplements

Ausstrich wird in Methylenblau getaucht

Stand: 16.09.2025 16:25 Uhr
| vom

In den sozialen Medien liegt Methylenblau als Nahrungsergänzung im Trend – angeblich gut für Gedächtnis und Immunsystem. Doch die Anwendung und falsche Dosierung des Farbstoffs können gefährlich sein.

von Kathrin Wiewe

Methylenblau ist ein Farbstoff, der in seltenen Fällen als Arzneimittel eingesetzt wird. Doch in den sozialen Medien bewerben ihn in letzter Zeit immer mehr Influencerinnen und Influencer als Wundermittel für mehr Vitalität, das sogar Krebs vorbeugen soll. Viele Expertinnen und Experten warnen vor den Folgen einer unsachgemäßen Nutzung. 

Wirkung von Methylenblau

Besonders Gesundheits-Influencer werben für die Einnahme des Farbstoffs und strecken ihre blaue Zunge in die Kamera. Methylenblau mache sie fitter, wacher und wirke wie Gehirndoping. Auch von einer tieferen Atmung, etwa zehn Minuten nach der Einnahme, von mehr Energie während einer Diät oder von einem stärkeren Immunsystem berichten einige.

Verwendung von Methylenblau in der Medizin

Die Medizin nutzt Methylenblau als Antidot, als Gegenmittel bei Vergiftungen, die zu einer Methämoglobinämie führen. Dabei handelt es sich um eine Veränderung des roten Blutfarbstoffs, der nicht mehr so gut Sauerstoff transportieren kann. Hier kann Methylenblau helfen. Auch als Medikament gegen Alzheimer oder Parkinson stand Methylenblau in der Diskussion – Studien konnten eine Wirkung aber nicht hinreichend belegen.

In der Krebsforschung untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmte Eigenschaften von Methylenblau; als Medikament mit eindeutig nachgewiesenem Nutzen gilt es aber auch auf diesem Gebiet nicht. 

Methylenblau ist keine neue Erfindung

Epithelzellen der Mundschleimhaut

Mikroskopische Aufnahme von Epithelzellen der Mundschleimhaut gefärbt mit Methylenblau.

Bereits 1891 setzten Medizinerinnen und Mediziner die Chemikalie, die bis dahin Baumwolle blau färbte, gegen Malaria ein. Damals beobachtete man, dass nach der Gabe von Methylenblau das Fieber der Betroffenen schnell sank. Auch in der Mikroskopie und der Radiologie nutzte man den Farbstoff, um Gewebeproben und biologisches Material wie Bakterien, Pilze und Zellstrukturen zu färben und dadurch besser sichtbar zu machen.

Gegen Malaria gibt es mittlerweile jedoch bessere Medikamente. Und auch als Farbstoff zum Mikroskopieren oder in der Radiologie findet Methylenblau in Deutschland heute kaum noch Anwendung. 

Methylenblau kaufen und dosieren

Im Internet ist der Stoff problemlos bestellbar. Als Nahrungsergänzungsmittel ist Methylenblau in der EU aber nicht zugelassen. Beliebt in den sozialen Medien sind Tropfen, die meist als Laborchemikalie verkauft werden. Mit diesen stellen Nutzerinnen und Nutzer eine Lösung zum Trinken her. Anwender auf TikTok dosieren diese abhängig vom eigenen Körpergewicht. Auch Methylenblau-Tabletten sind online erhältlich, manche werden sogar als Supplement verkauft.

Dr. rer. nat. Wolf Wilczek von der Arzneimittelinformationsstelle am Uniklinikum Regensburg rät davon ab, online käufliche Mittel einfach so als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen: „Es gibt keine Langzeitdaten zur Sicherheit, zur Wirksamkeit und es gibt aktuell keine Substanz, die den Reinheitsanforderungen des Arzneibuchs entspricht, in Deutschland zu kaufen.“

Nebenwirkungen von Methylenblau

Vor unkontrollierter Einnahme ohne medizinische Notwendigkeit warnen Expertinnen und Experten, denn diese kann zu einer hämolytischen Anämie führen, wobei der rote Blutfarbstoff absinkt. Anwenderinnen und Anwender könnten sich dann schwach fühlen und nicht mehr belastungsfähig sein – das Gegenteil der erwünschten Wirkung.

Wolf Wilczek ist sehr skeptisch: „Ich würde es verwenden, um vielleicht eine Hose zu färben, aber sicher nicht, um es einzunehmen. Von daher finde ich es einfach verantwortungslos.“

Wechselwirkung mit anderen Medikamenten

Toxikologe Prof. Dr. med. Florian Eyer vom Klinikum rechts der Isar in München gibt die gefährliche Wechselwirkung von Methylenblau mit anderen Medikamenten zu bedenken: „Wenn wir ein Medikament einnehmen, zum Beispiel Psychopharmaka, ein Antidepressivum und gleichzeitig Methylenblau, dann kann es zu einer kritischen Erhöhung der Serotoninkonzentration kommen und wir sprechen dann in der Toxikologie vom Serotonin-Syndrom. Und das ist tatsächlich ein bedrohliches, auch potenziell lebensbedrohliches Krankheitsbild.“

Expertinnen und Experten in Apotheken und Kliniken hoffen, dass der aktuelle Methylenblau-Hype in den sozialen Medien bald wieder nachlässt. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist das gesundheitliche Risiko schwer zu beurteilen, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse fehlen.  

Experten aus dem Beitrag