Merz und das Sportbild | FAZ

Eigentlich sollte es ja um das Sportbild gehen. Doch erst einmal stand das Stadtbild im Mittelpunkt. Friedrich Merz war ins Allianz-Forum am Pariser Platz gekommen, um drei deutsche Athletinnen und einen Athleten zu ehren: Malaika Mihambo, Leo Neugebauer, Yemisi Ogunleye und Elena Semechin, die den Talisman-Preis der Deutschlandstiftung Integration erhalten sollten, für ihre Verdienste um das gesellschaftliche Miteinander.

Doch als Merz als neuer Schirmherr der Stiftung das Pult betrat, verließen rund 40 Zuhörer aus dem Kreis der Stipendiatinnen und Stipendiaten das Auditorium. „Wir sind das Stadtbild“ stand auf Stickern, die sie auf der Kleidung trugen.

Die Stipendiaten verpassten eine ausgewogene merzsche Rede

Was sie verpassten, war eine Rede, bei der das merzsche Reizwort zwar nicht ausgesprochen wurde, aber über jedem Satz des Kanzlers schwebte. Merz, der auf den Protest nicht reagierte, hielt eine grundsätzliche und ausgewogene Rede, in der er Deutschland als Einwanderungsland und Zuwanderung als Gewinn beschrieb, in der er aber auch die Verantwortung des Staates als Steuerer von Migration formulierte.

Er hielt eine Rede, die das Gelingen in den Mittelpunkt stellen wollte, die man aber auch als selbstkritischen Kommentar zu einem eigenen Misslingen verstehen konnte: als er davon sprach, sich selbst zu „überprüfen“, oder dass neben dem Schaffen von Zusammenhalt als solchem auch die Debatten darüber oft nicht gut genug gelängen. „Wir müssen besser werden“, sagte er. Und: „Da schließe ich mich selbst gar nicht aus.“

Der Sport ist für Merz ein Möglichkeitsraum

Den Sport berührte Merz nur einmal, als er ihn als besonderen Möglichkeitsraum für das Gelingen nannte, die eigentliche Laudatio lag bei Christian Wulff. Der Bundespräsident a.D. machte Empathie zu seinem Thema, er sprach über Diskriminierung und darüber, wie man sich auch aufgrund solcher Erfahrungen vor den zu Ehrenden verneigen müsse: „für ihre Haltung, ihr Engagement und ihre Rolle in einer Welt, die uns große Sorgen macht“.

Als er die vier direkt adressierte, verhaspelte er sich etwas bei den Namen („Ich bin auch nur Norddeutscher ohne Erfahrung von Migrationsgeschichte“), die Aufzählung dessen aber, was sie jenseits der Arena für die Gesellschaft leisten, sprach für sich: Mihambos Engagement für benachteiligte Familien, für die Umwelt, gegen Gewalt gegen Frauen, Neugebauers offene Worte zu Druck im Leistungssport und gegen Diskriminierung, Ogunleyes Stimme für Vielfalt, Gleichberechtigung und Selbstbewusstsein, Semechins Engagement für Barrierefreiheit, Kinderhospize und Menschen mit Krebserkrankung.

Auch wenn die Athleten selbst eher kurz zu Wort kamen (Mihambo und Ogunleye hatten es sogar eiliger als der Kanzler) und auch wenn die Ehrung und ihr Rahmen einen besonderen, schon privilegierten Fokus auf das Thema legten (Merz’ „Stadtbild“ findet man eher anderswo als am Pariser Platz): Ein lebendiges, empathisches, vielfältiges, kurz, ein gutes Sportbild von Deutschland zu zeigen, gelang an diesem Berliner Abend. In das Merz sich, für das Siegerfoto, gerne integrierte.