Festnahmen, Mega-Razzia und der Verdacht auf einen Schaden im dreistelligen Millionenbereich: Deutschen Ermittlern ist ein Coup im Kampf gegen mutmaßliche Online-Betrüger gelungen. Am Dienstag durchkämmten unter anderem Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA), der Financial Intelligence Unit (Zoll), der Finanzaufsicht Bafin und der Zentralstelle Cybercrime der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz Dutzende Gebäude in insgesamt neun Ländern. Bei der international koordinierten Razzia in unter anderem Deutschland, Kanada, Luxemburg, Zypern und den USA durchsuchten die Ermittler nicht nur Büroräume, sondern nahmen auch mehrere Personen fest. Das teilte das BKA am späten Dienstagabend mit.
Die Ermittler werfen den Beschuldigten vor, über Jahre hinweg Geld aus Online-Betrügereien erbeutet und anschließend in Deutschland gewaschen zu haben. Dazu sollen sie Kreditkartendaten von Geschädigten aus mehr als 190 Ländern genutzt haben, um mehr als 19 Millionen Abonnements auf Schein-Webseiten abzuschließen. Bei den Geschädigten gingen in der Folge dann Kreditkartenzahlungen ab, die sie nicht zuordnen konnten. Doch da war das Geld mutmaßlich schon weg. Der tatsächlich eingetretene Schaden beläuft sich laut den Ermittlern auf einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag. Im Zentrum der Ermittlungen sollen unter anderem zwei Geschäftsmänner stehen, die einst auch im Dunstkreis des Skandalunternehmens Wirecard auftauchten. Einer von ihnen soll ein deutscher Geschäftsmann sein, der auch sonst beste Kontakte in die deutsche Payment-Szene hielt und den die Ermittler am Dienstag festgesetzt haben sollen.
Fünf Jahre nach Wirecard-Skandal: Schon wieder Zahlungsdienstleister im Fokus
Um das Geld zu waschen, könnten die mutmaßlichen Online-Betrüger auch die vier großen deutschen Zahlungsdienstleister genutzt haben, vermuten die Ermittlerinnen und Ermittler. Ihnen zufolge besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten dafür die großen Payment-Firmen „kompromittierten“. Gemeint ist damit, dass auch ehemalige Mitarbeiter von den Zahlungsvorgängen wussten und diese hinnahmen oder sogar aktiv daran mitwirkten. Dazu würde passen, dass Ermittler am Dienstag auch den einstigen Gründer einer der großen deutschen Payment-Firmen verhaftet haben sollen. Das berichtete am Dienstagabend die Wirtschaftswoche.
Zahlungsdienstleister sind Firmen, wie es Wirecard einst war. Sie sind dafür zuständig, dass Menschen im Internet oder an der Kasse mit Kreditkarte oder Smartphone bezahlen können. Die wenigsten Menschen kennen die Firmen, weil sie anders als Visa, Mastercard oder Paypal nicht direkt gegenüber dem Endkunden auftreten, sondern im Hintergrund agieren. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies milliardenschwere Unternehmen sind, die oft Umsätze im dreistelligen Millionenbereich machen. Inwieweit die Firmen selbst von den Ermittlungen betroffen sind, oder ob sich diese zunächst nur gegen aktive oder ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter richten, war zunächst unklar. Das BKA und die Generalstaatsanwaltschaft Koblenz haben für Mittwoch zu einer Pressekonferenz geladen. Ab 10 Uhr wollen die Ermittlerinnen und Ermittler dort ihre Erkenntnisse zur international angelegten Razzia und den laufenden Ermittlungen teilen.
