Bei Maybrit Illner geht es am Donnerstagabend um die europäische Rolle in der Ukraine und in Syrien. Manfred Weber (CSU) warnt vor einer Welt ohne „Weltpolizist“. Ein Vorschlag von CDUler Jens Spahn sorgt für kontroverse Diskussionen.
Nach 13 Jahren Bürgerkrieg ging es in Syrien plötzlich sehr schnell. Am 8. Dezember stürzten syrische Rebellen den Diktator Baschar al-Assad. Unterstützung kam von Israel, der USA und der Türkei. Assad floh nach Russland, doch Präsident Putin konnte ihm nicht weiter beistehen. Seine russischen Kräfte sind im Ukraine-Krieg gebunden, wo Moskaus Armee immer mehr Territorium einnimmt.
Gleichzeitig wächst der Druck auf beide Seiten. Der designierte US-Präsident Donald Trump könnte versuchen, Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zu zwingen. Ist ein Ende des Krieges in Sicht – oder droht eine Eskalation auf globaler Ebene? Das diskutiert Maybrit Illner am Donnerstagabend mit ihren Gästen.
Manfred Weber, Fraktions- und Parteivorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP), verteidigt den Vorschlag von Jens Spahn (CDU), Syrern 1.000 Euro für ihre Rückkehr in die Heimat zu zahlen. Omid Nouripour, ehemaliger Parteivorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen empfindet den Zeitpunkt des Vorschlages als unpassend. „Zeit“-Journalistin Mariam Lau ist überzeugt: Die Frage über die Zukunft der Ukraine „gehört in den Wahlkampf“. Die internationale Sonderkorrespondentin des ZDF Katrin Eigendorf glaubt, dass der „Hebel“ Putins deutlich kleiner geworden ist. Eine Prognose über den Start in die Präsidentschaft von Donald Trump liefert der zugeschaltete John Bolton. Er arbeitete unter Trump als nationaler Sicherheitsberater in dessen erster Präsidentschaft.
„Demokratie ist eine viel zu hochgehängte Forderung“
„Man hat in die Hölle geguckt“, sagt „Zeit“-Journalistin Mariam Lau über die Situation des syrischen Folter-Gefängnis Sednaya. Deshalb dürfe man sich über dieses historische Ereignis in Syrien „ruhig erstmal freuen“. Gleichzeitig warnt Lau vor zu hohen Erwartungen: „Demokratie ist eine viel zu hochgehängte Forderung. Eine Nation wäre erstmal schön.“
Dass Muhammad al-Dscholani, Chef der islamistischen HTS-Miliz, derzeit eine Art Islamismus light verkörpert, in diesem Punkt sind sich auch die andern Gäste einig. Manfred Weber (CSU) versucht es pragmatisch anzugehen: „Wir müssen mit denen arbeiten, die wir haben.“ Entscheiden sei für ihn die Forderung nach einem „fairen Umgang mit allen Minderheiten“.
„Wenn kein Weltpolizist da ist, dann fühlen sich die bösen Kräfte dieser Welt motiviert, weiter zu provozieren“, ist Webers düstere Prognose. Die entscheidende Frage ist für ihn deshalb: „Sind wir Europäer endlich erwachsen? Sind wir bereit, Verantwortung in dieser Welt zu übernehmen?“
„Dass Trump den Krieg in 24 Stunden beendet, wird nicht der Fall sein“
Trump-Experte John Bolton ist „sehr optimistisch“, was die Zukunft Syriens betrifft. Den weiteren Verlauf des russischen Krieges in der Ukraine sieht er skeptischer. Trump sie es „nicht wichtig, wie dieser Krieg endet.“ Das sei auch ein schlechtes Zeichen für die Nato.
Putin baue bereits seit einigen Jahren die „russisch-chinesischen Achse“ weiter aus. „Das ist seine sehr verstörende Entwicklung“, kritisiert Bolton. Für den Beginn von Trumps Präsidentschaft ist er sich sicher: „Dass Trump den Krieg innerhalb 24 Stunden lösen möchte, das wird natürlich nicht passieren.“
„Krieg oder Frieden, diese Frage gehört in den Wahlkampf“
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz Anfang Dezember nach Kiew reiste, folgte ihm Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) Anfang dieser Woche und sprach mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj über „Taurus“-Marschflugkörper, die er als zukünftiger Kanzler zusichern würde.
„Krieg oder Frieden, diese Frage gehört in den Wahlkampf“, meint Lau. Das Thema treibe die Menschen in Deutschland um. Schließlich sei der Krieg in der Ukraine auch „unser Krieg in Europa.“ Nouripour erwidert: „Die Geradeaus-Wahrheit ist: Die Wahl, den Krieg zu beenden, hat bisher nur Putin.“ Das solle man im Wahlkampf „nicht einfach wegwischen“. Die Friedensfrage hänge schließlich an dem Punkt: „Was hat Putin für ein Interesse?“, meint Weber. Putins „Hebel ist deutlich schwächer geworden“, wirft ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf ein.
Wenn Assad weg ist, „dann braucht ihr auch den Schutzstatus nicht mehr“
Der Vorschlag von Jens Spahn (CDU), jedem Rückkehrer nach Syrien ein Startgeld von 1.000 Euro zu zahlen, trifft in der Runde auf gemischte Reaktionen. Während Lau es zwar „nicht moralisch verwerflich“ findet, über eine Aufhebung von Schutzgründen zu diskutieren, sei es angesichts der Bilder, wie sie Gefängnis Sednaya entstanden, ein Zeitpunkt, „wo man einfach mal ein paar Tage die Klappe halten sollte.“
Weber ist hingegen der Auffassung: „Wenn die Menschen in deutschen Straßen feiern, dass Assad jetzt weg ist, dann sagen viele Deutsche in ihren Wohnzimmern: Dann braucht ihr auch den Schutzstatus nicht mehr.“
Lea Nischelwitzer