Maßnahmen von Schwarz-Rot: „Schlecht für die deutsche Wirtschaft“ – DIW-Präsident Fratzscher kritisiert Bundesregierung

Wirtschaftsverbände begrüßen die Ergebnisse des schwarz-roten Koalitionsausschusses, in dem unter anderem ein Industriestrompreis beschlossen wurde. Kritik kommt dagegen von Ökonom Marcel Fratzscher und den Grünen. Die Reaktionen im Überblick.

Das Ziel lautet „Economy first“ – die Wirtschaft zuerst. Bei ihrem Koalitionsausschuss haben sich die Regierungsspitzen am Donnerstagabend auf eine Reihe von Maßnahmen geeinigt, um die Konjunktur zu stärken: Industriefirmen sollen beim Strompreis entlastet werden, die Luftverkehrssteuer soll sinken, Investitionen sollen gefördert werden. Zusätzliche Gaskraftwerke sollen die Energieversorgung sichern.

Der niedrigere Industriestrompreis soll zum 1. Januar 2026 eingeführt und staatlich subventioniert werden, und zwar bis 2028. Nach Angaben von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) soll er aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden, einem Sondertopf des Bundes.

Positive Rückmeldung von Wirtschaftsverbänden

Wirtschaftsverbände begrüßten die Ergebnisse – mahnten aber zugleich weitere Schritte an. Der Beschluss von Union und SPD für die Einführung eines Industriestrompreises sei „ein nützlicher Baustein, ersetzt aber keine echte Standortoffensive“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, am Donnerstagabend. „Wir brauchen jetzt Entlastung auf breiter Front – bei Energie, Steuern und Bürokratie.“

Auch die Gewerkschaft IG Metall äußerte sich positiv. Gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärte sie jedoch, der Industriestrompreis sei „kein singuläres Allheilmittel, sondern muss mit weiterer kluger Industriepolitik ergänzt werden“.

Unterdessen begrüßte die Luftfahrtbranche unter anderem die vereinbarte Rücknahme der Anhebung der Luftverkehrssteuer. „Die Bundesregierung hat Wort gehalten und der jahrelang weiter steigenden Kostenspirale bei Steuern und Gebühren für Luftverkehr ab Deutschland ein Ende gesetzt“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Joachim Lang. Er sprach von einem „wichtigen Signal“, erklärte aber zugleich: „Damit Deutschland am anhaltenden Boom des Luftverkehrs in Europa teilhaben kann, sind in den kommenden Jahren aber noch weitere Schritte erforderlich.“

Kritik von Ökonomen – und den Grünen

Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält die Beschlüsse dagegen nicht für ausreichend. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass eine einzelne Maßnahme jetzt den großen Durchbruch bringt“, sagte sie mit Verweis auf die Pläne zum Industriestrompreis im ZDF. Es „braucht deutlich mehr, als jetzt verhandelt wird“, sagte sie.

Auch DIW-Präsident Marcel Fratzscher kritisierte die Ergebnisse: „Die Entscheidungen des Koalitionsausschusses scheinen von Lobbyinteressen getrieben und sind schlecht für die deutsche Wirtschaft“, sagte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Freitag der Nachrichtenagentur Reuters. „Der Industriestrompreis geht zulasten der großen Mehrheit der deutschen Unternehmen, die letztlich höhere Energiekosten werden zahlen müssen.“

Der Grünen-Chef Felix Banaszak bezeichnete die Entscheidungen der Koalition als mutlos. „Zu glauben, die Wirtschaftskrise mit dem Rasieren der Luftverkehrsabgabe und einem Deutschlandfonds zu beenden, ist schon stark vermessen“, sagte Banaszak. „Wir können nur hoffen, dass die Regierung ein bisschen mehr an der Ambitionsschraube dreht. Mich wundert, dass dem Kanzler diese Mutlosigkeit nicht peinlich ist.“ Einen Industriestrompreis findet er „richtig“. Doch „mit Klimaschutz hat der nichts zu tun“, so Banaszak mit Blick auf die Finanzierung.

Auch die Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer teilte aus: „Mal wieder beweist der Kanzler sein feines Gespür für explosive Rückwärtspolitik. Den Preis dafür zahlen wir alle, direkt und im übertragenden Sinne“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa und bezeichnete die Pläne als ein „als Konsumgeschenk getarntes Steuergeschenk an die Flugindustrie“. „Nichts anderes ist diese Entscheidung, die wenige Monate nach der erneuerten Verteuerung des 49-Euro-Tickets erneut den fossilen Kurs der Regierung verstärkt.“

Greenpeace-Chef Martin Kaiser nannte die Rücknahme der Luftverkehrsteuer-Erhöhung einen „schlechten Scherz“ und nahm Bezug auf die laufende Weltklimakonferenz in Brasilien: „Während die Staatengemeinschaft auf der COP30 in Belém um die Reduktion von CO₂-Emissionen ringt, verteilt die Bundesregierung Steuer- und Preisgeschenke an die fossilen Industrien.“ Das heize die Erderhitzung weiter an und schwäche Deutschlands Glaubwürdigkeit.

lay mit AFP/dpa/rtr