

Auch eine zweite, drei Wochen lange Quarantäne kann viele Eltern im Bezirk Spartanburg nicht dazu bringen, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen. Wie die Gesundheitsbehörden des Bezirks im Nordwesten des amerikanischen Bundesstaats South Carolina mitteilten, müssen während eines der schwersten Ausbrüche der Infektionskrankheit der vergangenen Jahrzehnte in den Vereinigten Staaten inzwischen mehr als 250 Bewohner der Region zu Hause bleiben, um weitere Ansteckungen zu verhindern. Mehr als ein Dutzend Personen wurde isoliert. Seit Anfang Oktober zählte das Department of Public Health (DPH) mindestens 111 Infektionen.
Nach Angaben der amerikanischen Epidemiologin Linda Bell sind 105 der an Masern erkrankten Erwachsenen und Kinder ungeimpft. Weitere drei Personen bekamen nur eine von zwei empfohlenen Dosen der üblichen Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR). „Der drastische Anstieg der Infektionen ist bedauerlich. Eine Impfung bleibt der beste Weg, um die Unterbrechung von Ausbildung, Beruf und anderen Aktivitäten in unserem Leben durch Masern zu verhindern“, sagte die Medizinerin.
Masern galten im Jahr 2000 als fast besiegt
Masern, die sich durch Fieber und rötliche Hautflecken äußern, galten im Jahr 2000 in Amerika als fast besiegt. Seit der Einführung von Schutzimpfungen waren jedes Jahr nur einige Dutzend Infektionen beobachtet worden, die laut der obersten Gesundheitsbehörde des Landes (CDC) zu Hirnentzündung, Pneumonie und Erkrankungen des Nervensystems bis hin zum Tod führen können. Mehr als jeder zehnte Infizierte muss im Krankenhaus behandelt werden. Da die meisten Bundesstaaten Ausnahmen von der Impfpflicht für Schüler, auch aus religiösen und weltanschaulichen Gründen, erlauben, kommt es in einigen Regionen des Landes immer wieder zu Ausbrüchen. Wie Texas, Colorado und Idaho können Eltern ihre Kinder auch in South Carolina von der Impfpflicht befreien lassen.
Nach Recherchen des „Spartanburg Herald-Journal“ gehen mehr als 20 der von DPH gezählten Infektionen in dem Südstaat auf die Kirche Way of Truth im Städtchen Inman unweit von Spartanburg zurück. Zu der Glaubensgemeinschaft zählen viele Einwanderer aus der Ukraine. Da der Gottesdienst meist in slawischen Sprachen wie Ukrainisch und Slowakisch gehalten wird, zieht „Way of Truth“ viele Familien mit osteuropäischen Wurzeln aus der Region an.
Auch die Global Academy of South Carolina in Spartanburg, an der zwei von drei Schülern aus Osteuropa stammen, fiel zu Beginn des Ausbruchs Anfang Oktober durch eine hohe Zahl von Infizierten auf. Nur etwa 21 Prozent der mehr als 600 Schüler wurden gegen das hochansteckende und überaus gefährliche Masernvirus geimpft, weit weniger als der Wert von 95 Prozent, den Mediziner als Barriere für die schnelle Ausbreitung von Infektionen ansehen.
Religiöse Gründe für die Impfskepsis?
Auch andere Schulen im Bezirk Spartanburg liegen weit entfernt von der Herdenimmunität. An der Grundschule Hendrix, an der in den vergangenen Wochen wiederholt Masernerkrankungen gemeldet wurden, kamen knapp 87 Prozent der Impfpflicht nach. An Mabry Middle in Inman, einer Einrichtung für Schüler im Alter von elf bis 14 Jahren, lag der Wert bei etwa 81 Prozent. Mehr als 75 Kinder und Jugendliche von Hendrix, Mabry und zwei weiteren Schulen stehen inzwischen zu Hause unter Quarantäne, einige von ihnen schon zum zweiten Mal in diesem Schuljahr.
Ob die Weigerung, den Nachwuchs impfen zu lassen, auf religiöse Gründe zurückgeht, bleibt derweil offen. Vor sechs Jahren hatten sich die Masern in New York in einer orthodox-jüdischen Gemeinde rasant ausgebreitet. Im vergangenen Frühjahr erkrankten in Texas mehr als 200 Anhänger der Glaubensgemeinschaft der Mennoniten, die bei Impfungen als ähnlich zurückhaltend gelten.
Mitarbeiter der Organisation Lutheran Services Carolinas New Americans Program, die im Bundesstaat South Carolina Osteuropäer betreuen, verwiesen zudem auf ein grundsätzliches Misstrauen vieler Einwanderer gegenüber staatlichen Gesundheitseinrichtungen.
Das Department of Public Health forderte die Bewohner des Bezirks Spartanburg jetzt dennoch ein weiteres Mal auf, sich und ihre Kinder impfen zu lassen. „Es hat sich gezeigt, dass eine MMR-Impfung auch bis zu 72 Stunden nach der Begegnung mit Infizierten noch vor Masern schützt. Die Menschen müssen nur bereit sein, sich impfen zu lassen“, sagte die DPH-Sprecherin Bell.
