„Mama, bitte lern Deutsch“: Wenn Deutschland nicht zum Kindergeburtstag kommt

Es ist der Abend vor Tahsim Durguns 16. Geburtstag, da kracht es zwischen
ihm und seiner Mutter. „Mama! Jetzt lern endlich Deutsch!“, schreit Durgun und
wirft einen Porzellanteller auf den Küchenboden der Plattenbauwohnung. Warum
zur Hölle muss er seiner Mutter immer noch Rezepte ins Kurdische übersetzen,
nach zwanzig Jahren in Deutschland?

Aus diesem Wutausbruch ist nun, 13 Jahre später, ein Buch entstanden. Mama, bitte lern Deutsch! lautet der Titel von Tahsim Durguns essayistischem
Debüt. Durgun, 29 Jahre alt, ist Comedy-Influencer, Grimme-Preisträger
und Sohn kurdischer Geflüchteter. Über eine halbe Million Follower sehen ihm auf
Instagram dabei zu, wie er in kurzen Videos die „Top 3 Verstecke, wenn du
abgeschoben wirst“ verrät oder empfiehlt, dass, wer richtig deutsch sein
möchte, sich zu Hause Kunst aufhängen sollte – am besten ein Porträt von Angela
Merkel.

Mama, bitte lern Deutsch! ist nicht nur Appell an seine
Mutter, endlich die Sprache des Landes zu lernen, in dem sie ihn zur Welt gebracht
hat. Sondern auch die Geschichte einer migrantischen Jugend in Oldenburg, einer
Jugend, in der im Deutschförderunterricht schnell als „Scheißausländerkind“
bezeichnet wird, wer Nomen nicht von Adjektiven unterscheiden kann.

In dieser Jugend wird Durgun früh
mit einer Grenze konfrontiert: jene zwischen der „Gerüstlandschaft“ der
Plattenbauten, in denen er zu Hause ist, und den Häusern „auf der anderen Seite
des Aldis“, wo die Kinder leben, die Mareike heißen und Buttermilch mit Erdbeergeschmack in der Schule
dabeihaben. Das Verhältnis seines jüngeren Ichs zu Deutschland vergleicht Durgun
mit der Beziehung, die man zum beliebtesten Mitschüler in der Schulklasse hatte:
„Es war so, als hätte ich jedes Jahr versucht, Deutschland zu meinem
Kindergeburtstag einzuladen, aber es war nie gekommen – ohne Kommentar.“

Und das, obwohl Durgun sich bemüht: Im christlichen Religionsunterricht lässt
er sich als Erster die Füße von der Lehrerin waschen, er trainiert sich ein unschuldiges
„German Smile“ an, beginnt nach dem Abitur ein Germanistikstudium.

Durgun und Deutschland, könnte man sagen, haben sich also angenähert. Doch woran lag es, dass diese
Freundschaft einen so schweren Start hatte? Am Staat, der Durgun im Grundschulalter plötzlich abschieben
wollte – und ihm erst im Alter von 24 Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft verlieh?
Oder am Umfeld, in dem Durgun aufwuchs, an der Mutter, die immer wieder die
Deutschkurse an der Volkshochschule absagte?

Wie der Titel vermuten lässt, ist Mama,
bitte lern Deutsch!
primär eine Anklage des eigenen Herkunftsmilieus: Durgun schreibt gegen die Tendenz migrantischer Communitys, unter sich zu bleiben. Doch
die ist für Durgun auch ein Resultat
von systemischem Rassismus: Wer „Migras“ dauerhaft das Gefühl gebe,
nicht dazuzugehören, solle sich nicht wundern, wenn sie sich zurückziehen,
schreibt er.