„Maischberger“ in der TV-Kritik: „Die Menschen sind müde“

Die Menschen seien müde, meinte der ZDF-Journalist Theo Koll am Dienstag in der Sendung von Sandra Maischberger. Das bezog er auf die Auseinandersetzungen in der Koalition, etwas müde kann aber auch das Konzept Maischbergers machen, mehrere unverbundene Themenblöcke hintereinander zu stellen. „Herbst der Reformen“ in Deutschland, Donald Trump, Charlie Kirk – einen roten Faden kann man selten erwarten. Diesmal sollten zum Auftakt Yasmine M’Barek von der „Zeit“ und Schauspieler Christian Berkel gemeinsam mit Koll die politische Lage in Deutschland ausloten. Dann wollte Maischberger von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wissen, wo denn nun konkret gespart werden könne.

Und am Schluss, nachdem sie die Kommentatoren-Runde nach ihren Einschätzungen der Situation in den USA befragt hatte, wollte Maischberger wohl auch die Bereitschaft demonstrieren, unterschiedlichste Perspektiven zu hören: Die in den USA lebende Juristin und Buchautorin Sandra Navidi und der amerikanische Journalist Eric T. Hansen wurden als zwei Pole der Debatte positioniert. Ihnen blieb aber zu wenig Zeit, wirklich über ihre erheblich divergierenden Einschätzungen zu diskutieren.

Kürzen zu wessen Lasten?

Zuvor war über die Debatte in Deutschland erst einmal viel Bekanntes, viel Ratloses, und nur vereinzelt Optimistisches zu hören. Maischberger selbst sagte zwischendurch, die Fragen dieses Abends begegneten ihr schon seit mehreren Jahrzehnten – ganz besonders die nach notwendigen Einsparungen im Sozialsystem. Koll sagte, in den Streitigkeiten der Koalition werde letztlich immer wieder die Frage verhandelt, ob das Bündnis Reformen überhaupt schaffen könne. Besonders Arbeitsministerin Bärbel Bas komme dabei wohl eine Schlüsselrolle zu, denn sie müsse auch den linken Flügel der SPD mitnehmen.

Schauspieler Christian Berkel stimmte in die Klage über die Wiederholung ungelöster Probleme ein, setzte aber einen anderen Akzent: Die Platte von den notwendigen Einsparungen habe doch einen Sprung, sagte Berkel, denn man wisse ja nicht so genau, welche Reformen gemeint seien. Viele Menschen könnten Miete und Essen jetzt schon nicht bezahlen. Da sei schon die Frage, welche Einschnitte man bei ihnen noch vornehmen wolle.

M’Barek gab Berkel Recht: Wenn man wie die Statistiker nur von etwa 16.000 so genannten „Verweigerern“ von Arbeit unter den Bürgergeldempfängern ausgehe, dann sei die Frage, was beim Rest, bei den vielen Alleinerziehenden etwa, noch zu holen sei. Die SPD befinde sich hier stets in einer Zwickmühle, denn „Meinungsmache gegen den Sozialstaat“ sei sehr „tricky“ für sie, so die Journalistin. Koll indessen glaubt, die Union könnte sich vielleicht doch noch bei der Erbschaftssteuer bewegen. Auch den Konservativen müsse schließlich klar sein, wie ungerecht es mit dem Vererben in Deutschland zugehe: Nachwachsende Generationen hätten ganz andere Startbedingungen als die jetzige Erbengeneration, und im Osten des Landes werde ohnehin wenig vererbt, die Ungleichheit so zementiert.

Wüst will sich nicht festlegen

Gegen den Aufstieg der AfD helfe indessen nur politische „Leistung“, die Lösung von Problemen etwa – eine Disziplin, in der Deutschland zur Zeit ähnlich gut sein wie die Bahn. Wüst, von Maischberger zum „Herbst der Reformen“ befragt, blieb dann auch vage – alle Versuche der Moderatorin, ihn nach konkreten Kürzungen zu fragen, scheiterten. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident warnte allgemein davor, vererbte Firmenvermögen nicht noch weiter zu belasten und sagte, man müsse für Menschen, die Bürgergeld bezögen und aufstockten, ohne je in die Sozialsysteme eingezahlt zu haben, gerechtere Lösungen finden.

Nach einem kurzen Schwenk über die Lage in Polen und der Ukraine kam Maischberger dann auf die USA zu sprechen, moderierte das Aufeinandertreffen von Vergebung und Hass bei der Trauerfeier für Charlie Kirk an, zeigte noch einmal Donald Trump, wie er seinen Feinden nur das Schlimmste wünschte. Der amerikanische Präsident gebe seinen Anhängern die Lizenz zum Hassen, und das sei gefährlich, waren sich die Kommentatoren einig. Koll betonte die Verwischung der Grenzen zwischen Staat, Religion und MAGA-Bewegung, die man am vergangenen Wochenende in Arizona hatte besichtigen können. Trump habe viele Schranken niedergerissen, könne nun kann ganz vieles machen, „was wir uns nicht vorstellen konnten“, so der Journalist.

Fremde Welten in Amerika

Als positives Zeichen werteten alle die Tatsache, dass Comedian Jimmy Kimmel wieder sendet – doch solle man sich auch nichts vormachen, denn die Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit würden nicht aufhören. Das war auch eines der Argumente, mit denen Publizistin Navidi ihren Gesprächspartner konterte. Denn Eric T. Hansen betonte vor allem die vermeintlichen Gemeinsamkeiten Trumps mit seinen Vorgängern, die ihre Gegner ebenfalls bekämpft und zum Teil zum Schweigen gebracht hätten.

Überhaupt seien die konservativen Christen, die in Arizona von Kirk Abschied nahmen, in den letzten Jahrzehnten so „in den Dreck gezogen worden“, dass sie sich nun wehrten. Auch deutsche Journalisten hätten Kirk und die amerikanischen Christen in den Tagen seit dem Mord an dem Aktivisten verunglimpft. Auch da widersprach Navidi. Kein bekannter Demokrat oder Linker in herausgehobener politischer Funktion in Amerika habe dies getan. Die Schmähungen Kirks, die man online lesen konnte, kämen hauptsächlich von völlig unbekannten Personen.

Auch Christen würden nicht verunglimpft, sagte Navidi, aber es sei erlaubt und nötig, Gruppierungen unter ihnen zu kritisieren, die die Demokratie zum Teil mit Gewalt abschaffen wollten. Anschließend gab es einen kurzen Wortwechsel über politische Gewalt. Hansen fand, dass rechts und links sich da nach seinem „subjektiven Eindruck“ nichts nähmen, Navidi konterte mit den Zahlen, nach denen rechte politische Gewalt weit überwiegt.

Und während die Autorin beschrieb, dass sich auch in ihrem New Yorker Umfeld mittlerweile Menschen selbst zensierten, konterte Hansen, die Linken hätten ja mit all der „Cancel Culture“ angefangen und die Rechten schlügen nun zurück. Trump beunruhige ihn nicht. Was ihn beunruhige, sei der ständige Faschismusvorwurf an den Präsidenten und seine Anhänger. Darin liege eine Aufforderung zur Gewalt, um eben diesen Faschismus zu verhindern. Das fand Navidi erwartbar an den Haaren herbeigezogen. Und so wusste man am Ende nicht, ob man sich einen längeren Schlagabtausch zwischen zwei so unvereinbaren Perspektiven wünschen oder froh über das Ende der Sendezeit sein sollte.