Magdeburg: Der recycelte Sarkophagdeckel von Otto I. stammt von weit her – Wissen

Der Deckel des kaiserlichen Sarkophags hat eine erstaunlich weite Reise hinter sich. Rund 300 Kilogramm schwer, lag er zuletzt Jahrhunderte lang still und friedlich auf dem Grab Ottos des Großen im Binnenchor des Magdeburger Doms. Doch wie Analysen nun zeigen, hat die Marmorplatte eine lange Vorgeschichte und stammt ursprünglich von der Insel Marmara im Marmarameer. Das haben die Kulturstiftung und das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt jetzt mitgeteilt. Wie kam das Stück den weiten Weg ins heutige Magdeburg?

Otto I. aus dem Fürstenhaus der Liudolfinger gilt als einer der wichtigsten Herrscher des europäischen Mittelalters. 962 ließ er sich in Rom zum ersten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches krönen und damit zum Nachfolger der Herrscher des Römischen Reiches und des Frankenreichs Karls des Großen. Otto starb im Jahr 973 und wurde in damaligen Magdeburger Dom beigesetzt. Die heutige Kathedrale wurde ab 1207 oder 1209 errichtet; damals erhielt der Kaiser seine heutige Grablege. Mehr als acht Jahrhunderte später bietet sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern derzeit die seltene Gelegenheit, dieses Grabmal eingehender zu untersuchen, denn es wird seit Anfang 2025 saniert.

Seit dem 13. Jahrhundert steht Ottos Sarkophag im Chorraum des Magdeburger Doms. Das Bild wurde vor dem Beginn der Sanierung aufgenommen.
Seit dem 13. Jahrhundert steht Ottos Sarkophag im Chorraum des Magdeburger Doms. Das Bild wurde vor dem Beginn der Sanierung aufgenommen. (Foto: Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Christoph Jann/ch.jann)

Im Jahr zuvor war bei Routine-Kontrollen aufgefallen, dass der Kalkstein-Sarkophag des alten Kaisers Risse bekommen hatte. Im März 2025 hoben Experten die schwere Marmorplatte ab, auch um herauszufinden, wie es um den darin liegenden Holzsarg und die sterblichen Überreste des Toten bestellt war. Klar war ihnen da bereits, dass die Marmorplatte schon in der Spätantike angefertigt und erst später zum Sargdeckel umfunktioniert worden war. Vorherige Untersuchungen hatten ergeben, dass die Platte wohl entweder aus Norditalien oder aus Euböa in Griechenland stammte. Doch nun haben Experten für antiken Marmor von der Ruhr-Universität Bochum und vom Österreichischen Archäologischen Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowohl die chemische Zusammensetzung als auch die mineralogischen Eigenheiten repräsentativer Proben des Steins untersucht. Ihre Erkenntnisse verglichen sie mit etwa 7500 Proben aus klassischen antiken Marmor-Lagerstätten. Und ihre Schlussfolgerung ist eindeutig: Die Platte stammt ursprünglich aus Prokonnesos, der heutigen Insel Marmara.

Eine Direktlieferung aus Marmara wäre logistisch und politisch schwer vorstellbar

Auf jener Insel werde seit archaischer Zeit, also dem siebten vorchristlichen Jahrhundert, hochwertiger Marmor abgebaut, heißt es von der Kulturstiftung und vom Landesamt. Der weiße, grau gebänderte Stein sei unter anderem beim Bau der Hagia Sophia im heutigen Istanbul verwendet worden, aber auch im Markusdom in Venedig und insbesondere in Ravenna, wo man Bodenplatten, Wandplatten und auch Säulen aus dem Material finde.

So zeigt sich die Grabplatte im Polarisationsmikroskop.
So zeigt sich die Grabplatte im Polarisationsmikroskop. (Foto: Institut für Archäologische Wissenschaften der Ruhr-Universität Bochum, Vilma Ruppiene.)

Womöglich sei die Platte von dort nach Magdeburg gebracht worden. Dass sich Otto seinen Sarkophagdeckel direkt aus den Steinbrüchen auf Marmara liefern ließ, sei schon logistisch, aber auch aus politischen Gründen unwahrscheinlich. Bereits von Karl dem Großen, der eineinhalb Jahrhunderte vor Otto lebte, sei überliefert, dass er Bauteile aus Ravenna und Rom ins Frankenreich holen und dort wiederverwenden ließ, weil er sonst nicht an das kostbare Material gekommen wäre.

Otto I. sei etwa zehn Jahre seines Lebens in Norditalien gewesen, heißt es weiterhin vom Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt. Sehr wahrscheinlich sei die Platte demnach von dort nach Magdeburg gelangt. Welchen Zweck sie erfüllte, bevor sie zum kaiserlichen Sarkophagdeckel wurde, werde noch untersucht. Es gebe Gebrauchsspuren an der Platte; möglich sei unter anderem, dass die Platte einmal als Bodenbelag diente.

In Magdeburg ist die Sanierung des übrigen Sarkophags in der Zwischenzeit vorangeschritten. Die sterblichen Überreste des Kaisers wurden bereits geborgen. Demnächst werde der Kalkstein-Trog saniert, heißt es aus dem Landesamt. Die mittlerweile korrodierten Eisenklammern, mit denen man den Stein im 19. Jahrhundert stabilisieren wollte, würden entfernt, außerdem müsse man dem Stein selbst entsalzen und auch den Boden unter dem Sarkophag untersuchen, um künftige Schäden zu verhindern.

Im Jahr 2026 soll Otto I. dann ein weiteres Mal beigesetzt werden – im alten Sarkophag, aber in einem neuen Sarg. Der bisherige Holzsarg ist zu verwittert, um ihn weiterhin zu verwenden. Wie die Kunststiftung Sachsen-Anhalt im November bekanntgab, entwirft die Künstlerin Silke Trekel deshalb einen neuen, haltbaren Sarg aus Titan und Gold.