Maddie-Verdächtiger: Christian B. kommt wohl früher frei – Panorama

Um den mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter Christian B. lebenslang einsperren zu können, scheuen sie beim Bundeskriminalamt (BKA) keine Kosten und Mühen. Anfang Juni erst waren knapp 30 deutsche Ermittler unterwegs in den Hügeln der portugiesischen Algarveküste, rund um das Örtchen Praia da Luz. Sie räumten verlassene Fincas frei, buddelten den Boden um, fällten Bäume, die in den Ruinen gewachsen waren. Dann durchleuchteten sie den Untergrund mit einem Radar, den die angereisten Bild-Reporter kenntnisreich beschrieben als „eine Mischung aus Rasenmäher und Metalldetektor plus Laptop“. Mit dem Gerät lässt sich anhand der Kontraste der Erdschichten erkennen, ob der Boden einst umgegraben wurde.

All das nahmen die Ermittler auf sich, in der Hoffnung, eine Spur zu finden, die beweist, was sie seit Jahren vermuten: dass Christian B. der Mörder von Madeleine McCann ist.

Seit 2020 führen das BKA und die Staatsanwaltschaft Braunschweig Christian B. als Hauptverdächtigen im Fall der damals drei Jahre alten Britin, die im Mai 2007 verschwunden ist aus einer Ferienanlage in Praia da Luz. Christian B., der die Tat bestreitet, hatte in der Nähe gewohnt, sein Handy war an dem Abend eingeloggt in den Funkmast der Anlage. Angeklagt hat die Staatsanwaltschaft den 48 Jahren alten Deutschen bislang nicht. Und nun dürfte B. bald freikommen, am 17. September. 111 Tage früher, als es die Ermittler erwartet hatten. Verantwortlich für diese frühere Entlassung: eine ehemalige BKA-Mitarbeiterin.

Im Dezember 2019 war Christian B. zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, weil er 2005 eine 72 Jahre alte Amerikanerin vergewaltigt hatte. Überführt hatte ihn ein Haar auf dem Bettlaken. Diese Haftstrafe endet Mitte September. Doch Christian B. hätte für andere Verurteilungen – unter anderem wegen Körperverletzung und Urkundenfälschung – noch 1447 Euro zahlen müssen. Da er die Summe nicht aufbringen konnte, wäre die Geldstrafe in eine zusätzliche Haftstrafe umgewandelt worden. Dann aber überwies die frühere BKA-Mitarbeiterin den fehlenden Betrag Anfang Juni auf ein Konto der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Dem Spiegel, der diese Zahlung enthüllt hatte, sagte die Frau, dass es sich um ein „Missverständnis“ gehandelt habe. Sie sei davon ausgegangen, dass Christian B. länger in Haft bleiben müsse, da er JVA-Mitarbeiter beleidigt habe. Im Mai stand Christian B. vor dem Amtsgericht im niedersächsischen Lehrte, da er eine JVA-Beamtin als „ahnungslose Witzfigur“ bezeichnet haben soll. Als die frühere BKA-Mitarbeiterin erfahren habe, dass die Haftstrafe gar nicht deswegen verlängert worden sei, sondern unter anderem wegen Körperverletzung, „war es bereits zu spät“. Sie habe versucht, die Zahlung rückgängig zu machen. Vergeblich. Die Frau, die im Bereich „Operativtechnik Audio“ beim BKA gearbeitet hatte, betonte: „Ich hatte nie persönlichen Kontakt zu Christian B.“ Friedrich Fülscher, der Verteidiger von Christian B., bestätigte der SZ die Vorgänge.

Christian B. sei in der „absoluten Top-Liga“ der gefährlichsten Psychopathen

Es ist nicht das erste Mal, dass die ehemalige BKA-Mitarbeiterin in das Leben von Christian B. eingreift. Im vergangenen Jahr, als B. vor dem Landgericht Braunschweig wegen mehrerer Sexualdelikte angeklagt war, offenbarte Fülscher in einem Antrag, dass ihm die Frau mitgeteilt habe, dass die Zelle von Christian B. abgehört werde. Sie selbst habe geholfen, diese Maßnahme vorzubereiten. Als Zeugin sagte sie nicht aus in dem Prozess, an dessen Ende die Staatsanwaltschaft 15 Jahre Haft und eine anschließende Sicherungsverwahrung gefordert hatte. Der psychiatrische Sachverständige hatte Christian B. in der „absoluten Top-Liga“ der gefährlichsten Psychopathen eingestuft. Das Gericht aber sah keine Beweise dafür, dass Christian B. die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat. Es sprach ihn frei.

Als freier Mann möchte Christian B. angeblich nach Schleswig-Holstein ziehen, möglicherweise nach Sylt. Dort habe es ihm, sagte Verteidiger Fülscher vor wenigen Tagen der Bild, „schon in der Vergangenheit gut gefallen“. 2011 war B. zu einem Jahr und neun Monaten Haft verurteilt worden, weil er mehrere Kilogramm Marihuana auf die Insel geschmuggelt hatte.