
Luxemburgs Gerson Rodrigues ist wegen mehrfacher Körperverletzung zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Trotzdem wird er für die Nationalmannschaft nominiert – die Diskussion darüber eskaliert.
Am Freitag (06.06.2025) spielt Luxemburgs Team zu Hause ein Testspiel gegen Slowenien. Seinen Kader gab Trainer Luc Holtz am 23. Mai bekannt, mit dabei: Gerson Rodrigues. Zu diesem Zeitpunkt war Rodrigues in erster Instanz bereits verurteilt worden, wenige Tage nach der Nominierung bestätigte ein Berufungsgericht die Strafe: 18 Monate Haft auf Bewährung. Rodrigues wurde vorgeworfen, im November 2022 seine damalige Freundin geschlagen zu haben. Zudem soll er vor einem Nachtclub in Luxemburg-Stadt einem Mann Knochen im Gesicht gebrochen und einem anderen einen Zahn ausgeschlagen haben. Er bestritt die Vorwürfe – nun steht er aber als verurteilter Straftäter im Kader der Nationalmannschaft.
„Der Verwaltungsrat der FLF findet, dass Gerson Rodrigues nicht ein zweites Mal vom Verband bestraft werden soll und dass er eine zweite Chance verdient hat“, sagte Marc Diederich, Justiziar des luxemburgischen Verbands (FLF). „Er hat vor Gericht eine Strafe bekommen und wir wollen ihn nicht ein weiteres Mal für dieselben Fakten verurteilen. Es ist aber glasklar, und das hat er so auch gesagt bekommen, dass so etwas nicht mehr vorkommen darf.“ Doch damit ging die Diskussion erst los.
Im Nationalstadion Stade de Luxembourg findet das Spiel gegen Slowenien statt.
Abgeordnete fordern Ausschluss von Rodrigues
Aus der luxemburgischen Politik kam deutliche Kritik an der Nominierung. „Ich reagiere allergisch auf jede Form von Gewalt. Gerson Rodrigues ist ein Idol für Kinder und hat daher eine gewisse Vorbildfunktion“, sagte die sozialdemokratische Abgeordnete Liz Braz und forderte Rodrigues‘ Ausschluss für die Dauer seiner Strafe. Sport und Privatleben seien auf diesem Niveau nicht zu trennen.
Weitere Abgeordnete der Grünen und der Piratenpartei schlossen sich dem an. Die ehemalige Tennisspielerin Mandy Minella, Abgeordnete der liberalen Partei DP, sagte beim luxemburgischen Sender RTL: „Wenn man für Luxemburg spielt, trägt man Verantwortung – auch abseits des Spielfelds. Sportliche Leistungen dürfen nicht über gesellschaftlichen Werten stehen.“ Sportminister Georges Mischo von der konservativen CSV wurde im Parlament hart angegangen, weil er Gewalt generell verurteilte, aber sich nicht konkret zur Frage der Nominierung Rodrigues‘ äußerte.
Die Debatte brachte wiederum Luxemburgs Verbandspräsidenten Paul Philipp in Rage. Er erklärte den verurteilten Gewalttäter Rodrigues zum Opfer eines „Lynchmords“. Im Gespräch mit der luxemburgischen Zeitung Wort nannte er die Abgeordneten „Pseudo-Politiker, die ihren Senf dazugeben“. Die ganze Sache sei Angelegenheit des Verbands. Doch der hat inzwischen eine zweite Debatte eröffnet.
Paul Philipp, der Präsident des luxemburgischen Fußballverbandes FLF
Debatte um Pressefreiheit – Trainer schließt Journalisten aus
Die Zeitung Le Quotdien teilte mit, dass einem ihrer Journalisten die Teilnahme an einem Medientermin mit Nationaltrainer Luc Holtz und zwei Spielern in einer telefonischen Mitteilung verweigert worden sei, nur an Pressekonferenzen dürfe der Mann teilnehmen. „Wir können diese Entscheidung, die die grundlegende Pressefreiheit untergräbt, nur bedauern“, schrieb die Redaktion. Verbandschef Philipp erklärte bei RTL: „Es ist auf keinen Fall so, dass ein Presseorgan nicht erwünscht ist. Hätte Le Quotdien einen anderen Journalisten geschickt, hätte dieser ohne Probleme ein Interview bekommen.“
Luxemburgs Nationaltrainer Luc Holtz bei einer Pressekonferenz
Die Vorgabe, dass nur dem Trainer liebsame Journalisten willkommen bei dem Termin zugelassen waren, wurde zur zweiten Debatte. „Sportjournalismus muss seine kritische Rolle ausüben können, ohne Vergeltung befürchten zu müssen“, teilte der Journalistenverband Luxemburgs mit und der Sportjournalistenverband Luxemburgs schrieb: „Kritische Äußerungen über Persönlichkeiten, persönliche oder taktische Entscheidungen sowie das Hinterfragen bestimmter Grundsätze stellen ein fundamentales Interesse des (Sport-)Journalismus dar.“
Sportminister Mischo stellte in dieser Angelegenheit klar: „Für mich ist es inakzeptabel, einen Journalisten wegen kritischer Fragen auszugrenzen. Wir müssen die Presse- und Meinungsfreiheit schützen.“ Er kündigte ein Gespräch mit dem Verbandspräsidenten dazu an.
Rodrigues kündigt an: „Werde Antwort auf dem Platz geben“
Gerson Rodrigues spielt eigentlich bei Dynamo Kiew, ist aber an den portugiesischen Erstligisten AVS Futebol SAD ausgeliehen. Er bedankte sich in einem Instagram-Beitrag für die Unterstützung des Verbands und kündigte an, die Antwort „auf dem Platz zu geben“. Rodrigues könnte nun auch in der WM-Qualifikation gegen Deutschland auflaufen, Luxemburg ist Gegner des deutschen Teams in der Gruppe A. Am 10. Oktober spielt Deutschland in Sinsheim gegen Luxemburg, das Rückspiel findet am 14. November in Luxemburg statt.
Luxemburgs Nationalmannschaft spielte vor der EM 2024 eine selten starke Qualifikation. Seit die Qualifikationswettbewerbe zur WM und EM in Gruppen gespielt werden, wurde Luxemburg immer Letzter oder Vorletzter. In der EM-Quali spielte sich Luxemburg auf Platz drei seiner Gruppe hinter Portugal und der Slowakei und scheiterte erst in den Playoffs an Georgien. Rodrigues schoss fünf Tore in acht Spielen.
Doch der Höhenflug war nur von kurzer Dauer. In der Nations League wurde Luxemburg ohne Sieg in der Liga C Letzter seiner Gruppe und muss in der Relegation gegen Malta den Abstieg in Liga D fürchten – dort würden dann Andorra und Liechtenstein warten.