Linkspartei: Drei ältere Herren sollen es richten

Am Dienstagabend taucht bei TikTok ein Video auf. Darin sieht man drei ältere Herren auf einer Rakete sitzend gegen Himmel steigen. Am Mittwochvormittag nehmen dieselben Herren auf dem Podium der Bundespressekonferenz Platz. Sie alle haben in der Linkspartei mal eine bedeutende Rolle gespielt: Gregor Gysi, sowieso, der die DDR-Staatspartei SED einst als PDS in die Bundesrepublik führte und später mit der westdeutschen WASG zur Linken fusionierte, Dietmar Bartsch, der lange Jahre Fraktionsvorsitzender war, und Bodo Ramelow, der noch immer ihr einziger Ministerpräsident ist, wenn auch wohl nur noch für kurze Zeit. Er hat auch das Video lanciert.

„Ich fang an, ich bin der älteste“, sagt der 76-jährige Gysi. „Wir haben uns entschlossen, zu dritt tatsächlich die Mission Silberlocke zu starten“, sagt er. Angekündigt hatte er das Vorhaben bereits auf dem Parteitag Mitte Oktober, damals allerdings noch unter dem Vorbehalt, dass es in der am Boden liegenden Partei nachweislich einen Aufschwung gebe. Doch nun steht fest: Alle drei wollen sich – obwohl bereits im besten Rentneralter – noch mal gemeinsam mit voller Kraft für die Linke in den Wahlkampf stürzen und sich bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar jeweils um ein Direktmandat bemühen.

Für die Linke könnte das tatsächlich zum Rettungsanker werden. Denn die Partei, die seit der Abspaltung des Bündnis Sahra Wagenknecht nur noch als Gruppe im Bundestag vertreten ist, liegt seit Monaten in allen Umfragen unter fünf Prozent. Sie droht also, bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar den Wiedereinzug in den Bundestag zu verpassen. Drei Direktmandate jedoch würden ausreichen, um das zu verhindern. Denn laut der sogenannten Grundmandatsklausel ziehen Parteien auch dann in der Höhe ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag ein, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen. Dass das auch bei der kommenden Wahl so sein wird, dafür hat übrigens auch Gysi persönlich gesorgt. Neben der Union hatte er vor dem Bundesverfassungsgericht mit Erfolg gegen die Wahlrechtsreform der Ampel geklagt, die genau diese Ausnahmeregelung abschaffen wollte.

„Ein echter Stimmungswechsel“

Im Moment liegt die Linke bei vier Prozent. Er verspüre dennoch einen „echten Stimmungswechsel“, sagt Gysi an diesem Mittwoch. Die Mitglieder der Linken seien sehr motiviert und bereit, mit Leidenschaft zu kämpfen. Noch wichtiger ist für Gysi allerdings: Sollte die Linke aus dem Bundestag ausscheiden, werde es dort keine linken Argumente mehr geben, sei es bei der Steuer-, der Friedens- oder der Gleichstellungspolitik. „Deswegen haben wir uns trotz unseres Alters entschlossen, zu sagen, nein, das kann nicht sein“, sagt Gysi, für den es dabei schließlich auch um die Rettung seines Lebenswerks geht.

Wie chancenreich die Rettungsaktion wirklich wird, ist allerdings offen. Gregor Gysi hat seinen Berliner Wahlkreis Treptow-Köpenick bei den vergangenen Wahlen zwar immer direkt gewonnen. Bei der Europawahl lag dort jedoch die AfD vorn; selbst das neu gegründete BSW kam auf mehr Stimmen als die Linke. „Keiner kann ganz sicher sein, dass er gewinnt“, räumt Gysi denn auch unumwunden ein.

Für seine beiden Mitstreiter gilt das noch mehr. Der 68-jährige Bodo Ramelow gewann seinen Landtagswahlkreis in Erfurt zwar bei der vergangenen Landtagswahl im September auch dann noch direkt, als seine Partei von 31 auf 13 Prozent abstürzte. Seine persönlichen Werte seien in dieser Zeit sogar gestiegen, sagt Ramelow. Deswegen traue er sich durchaus zu, auch den Bundestagswahlkreis, der außer Erfurt noch Weimar und eine ländliche Gemeinde umfasst, zu erobern, selbst wenn die Linke dort zuletzt nur auf Platz drei kam.

Besonders Bartsch muss zittern

Sollte er zu diesem Zeitpunkt noch geschäftsführender Ministerpräsident sein, wäre das kein Hindernis. In der Vergangenheit hätten schon drei Ministerpräsidenten im Bundestag gesessen, sagt er. Allerdings rechne er ohnehin damit, dass er sein Amt in wenigen Tagen an den CDU-Politiker Mario Voigt übergeben werde. Schließlich wurde in Thüringen gerade der erfolgreiche Abschluss der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU, SPD und BSW verkündet.

Besonders schwierig dürfte ein Sieg für Dietmar Bartsch werden. Er hat seinen Wahlkreis Rostock bisher noch nie direkt gewonnen. Doch auch er gibt sich optimistisch: Bei den vergangenen zwei Bundestagswahlen sei er Spitzenkandidat seiner Partei gewesen und deswegen ständig im ganzen Land unterwegs. Für seinen eigenen Wahlkreis sei da wenig Zeit geblieben, das werde dieses Mal anders sein.

Ohnehin sind die drei Wahlkreise der Silberlocken nicht die einzigen, in denen sich die Partei Chancen ausrechnet. Bei der vergangenen Wahl hat der jetzige Gruppenvorsitzende im Bundestag, Sören Pellmann, seinen Wahlkreis in Leipzig direkt gewonnen. Eine sichere Bank für die Linken war bisher zudem der Berliner Wahlkreis Lichtenberg. Dieser wurde mehrfach von der Bundestagsabgeordneten und Ex-Parteichefin Gesine Lötzsch direkt gewonnen. Sie will allerdings nicht mehr antreten. Statt ihrer will die neue Parteichefin Ines Schwerdtner hier ihr Glück versuchen.