
Die Koalitionsverhandlungen haben begonnen: 16 Arbeitsgruppen mit je 16 Politikerinnen und Politikern aus Bund, Ländern und EU-Parlament, gemischt besetzt aus SPD, CDU und CSU, diskutieren. Das sind 256 Verhandler, und damit es da nicht drunter und drüber geht, braucht es Regeln. Zum Beispiel, wie die Ergebnisse aufzuschreiben sind, nämlich in „Schriftgröße 11, Schriftfarbe schwarz Calibri, Zeilenabstand 1,5“, wie der Spiegel aus einer offiziellen Handreichung zitiert.
Calibri, eine Schriftart so serifen- und schmucklos wie simpel. Auf den ersten Blick die perfekte Wahl. Sie ist gut lesbar, vor allem digital, jeder kennt sie, jeder hat sie, eine Handschrift der Parteien ist nicht erkennbar. Calibri ist ein wenig wie Vollmilchschokolade oder weiße Turnschuhe: Damit macht man nichts falsch. Aber so manches langweilig.
Freilich wären die Typografien „Comic Sans“, „Freestyle Skript“ und „Chiller“ dem Ernst der Lage unangemessen. Doch man hätte durchaus Entschlossenheit markieren können mit „Impact“, „Forte Forward“ oder „Congenial“. Natürlich nur, solange der Inhalt mithalten kann. Naheliegend bei Verhandlungen für eine Groko wären auch „Berlin“, „Trade“ und „DejaVu“. Während „Dreaming Outloud“ den Inhalt der Texte wohl am treffendsten beschreiben würde, versprächen die Schriftarten „Modern Love“ und „Rage“ die Möglichkeit, das Klima innerhalb der Arbeitsgruppe wiederzugeben.
Nun ja, dann eben Calibri. Immerhin hat die Schriftart es geschafft, eine mutmaßliche Fälschung aufzudecken. Als sich 2016 die Tochter des damaligen Präsidenten von Pakistan von dem Vorwurf reinwaschen wollte, Schwarzgeldimmobilien zu besitzen, wie ihn die Panama Papers nahelegten, veröffentlichte sie ein Dokument auf Twitter, das angeblich von Februar 2006 stammte. Schriftart: Calibri. Dumm nur, dass Calibri erst im November 2006 veröffentlicht wurde, in einer Betaversion im Juni.
Ganz modern sind SPD und Union mit Calibri nicht unterwegs. Sie war zwar 15 Jahre lang Microsofts Standardschrift, ist es seit 2024 aber nicht mehr. Immerhin das könnte für die designierten Koalitionäre ein gutes Omen sein: In den 15 Jahren regierte die meiste Zeit Schwarz-Rot.