Länger kauen, weniger wiegen: Der unterschätzte Trick beim Essen

Ein Mann isst Salat.

Stand: 25.11.2025 08:38 Uhr

Gründliches Kauen fördert Gewichtsreduktion und Zahngesundheit, sorgt für eine gute Nährstoffaufnahme und ausgeglichene Verdauung. Nebenbei steigert es Genuss, macht glücklich und sogar schlau.

von Tina Roth

Gründliches Kauen ist der erste Schritt der Verdauung – und der einzige, den man bewusst steuern kann. Sich gutes Kauen zur Gewohnheit zu machen, beugt Übergewicht, Magen-Darm-Beschwerden und Zahnproblemen vor. Und sorgt zugleich für deutlich mehr Geschmackserlebnis.

Abnehmen durch gründliches Kauen

Gründliches Kauen unterstützt die Gewichtsreduktion. Wer länger kaut, isst automatisch langsamer und gibt dem Körper Zeit, Sättigungssignale wahrzunehmen. Magen, Darm und Bauchspeicheldrüse brauchen ungefähr 20 Minuten, um zum Beispiel über Hormone entsprechende Signale an das Gehirn zu senden. Wer hastig isst, verpasst diese natürlichen Hinweise und nimmt leicht mehr Nahrung auf, als eigentlich notwendig wäre.

Längeres Kauen verlangsamt die gesamte Mahlzeit und eine Untersuchung aus Großbritannien ergab: Wer die Mahlzeiten – Menge nach Belieben – in unter zehn Minuten verschlang, konsumierte dabei insgesamt 450 g (650 kcal), wer sich 30 Minuten Zeit ließ, kam auf nur 400 g (580 kcal). Gleichzeitig war das subjektive Sättigungsgefühl bei langsamer Nahrungsaufnahme höher. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam eine kleine chinesische Studie. Probanden nahmen nach 40 Kaubewegungen etwa 12 Prozent weniger Nahrung zu sich, als nach nur 15 Kaubewegungen.

Eine aktuelle Studie am Universitätsklinikum Tokio, Japan, untersuchte die Nahrungsaufnahme bei sehr stark industriell verarbeiteter Nahrung (UPF, Ultra Processed Food). Solche Lebensmittel haben häufig eine weiche Konsistenz, die nicht zum Kauen anregt und zu hoher Essgeschwindigkeit führt. In diesem Experiment aßen die Probanden in der Studienphase mit verarbeiteten Lebensmitteln schneller, machten weniger Kaubewegungen und nahmen im Durchschnitt pro Tag 800 kcal mehr auf als in der Studienphase, in der wenig verarbeitete Lebensmittel angeboten wurden.

Langes Kauen intensiviert Geschmack, Genuss und Aromen

Wer gründlich kaut, aktiviert den sogenannten stimulierten Speichelfluss. Im Gegensatz zum Ruhespeichel enthält dieser „Kau-Speichel“ besondere Enzyme. Amylase etwa spaltet bereits im Mund größere Kohlenhydrate wie Stärke in einfachere Zuckerbausteine auf. Das sorgt für Süße, die über Geschmackspapillen auf der Zunge wahrgenommen wird und den Geschmack so intensiviert. Außerdem steigen nur beim gründlichen Kauen flüchtige Aromastoffe aus der Nahrung durch den Rachen in die Nase auf. Erst dieses retronasale Riechen sorgt für die ganze Bandbreite an Geschmack. Wer dagegen schlingt, verpasst viele dieser Sinneseindrücke.

Gründliches Kauen verbessert Nährstoffaufnahme

Bewusstes Kauen steigert die Nährstoffaufnahme und unterstützt eine gesunde Ernährung. Durch gründliches Kauen werden Mikronährstoffe wie Vitamine, Mineralstoffe und sekundäre Pflanzenstoffe besser verfügbar, Ballaststoffe können im Darm wirksamer arbeiten. Wer schlecht kaut, verschenkt wertvolle Nährstoffe, wenn Körner, Samen oder Nuss-Stückchen unverdaut ausgeschieden werden.

Schutz für Zähne, Zahnfleisch und Kiefer

Der beim Kauen entstehende Druck regt die Durchblutung des Zahnfleischs an und stabilisiert den Kieferknochen. Wer weiche, verarbeitete Nahrung bevorzugt, riskiert langfristig eine Schwächung des Kauapparats. Besonders bei Kindern ist intensives Kauen wichtig für die gesunde Entwicklung von Kiefer und Zähnen. Der beim intensiven Kauen entstehende Speichel neutralisiert schädliche Säuren, entfernt Speisereste und unterstützt die natürliche Zahnreinigung. Rohes Obst und Gemüse wirken zusätzlich wie natürliche „Zahnbürstchen“, die sanft Plaque lösen können. So trägt gründliches Kauen auf einfache Weise zur Zahngesundheit bei.

Zu wenig Kauen: Symptome

Gut zerkleinerte Nahrung entlastet den Magen. Die Speichelenzyme spalten bereits im Mund Nährstoffe auf, wodurch der Magen zum Beispiel weniger Magensäure zur weiteren Verarbeitung produzieren muss. Für Menschen mit Sodbrennen und Reflux oder empfindlicher Magenschleimhaut ist gründliches Kauen daher besonders empfehlenswert. Die Speichelenzyme werden zudem auch später im Dünndarm für die weitere Verdauung benötigt. Fehlen durch unzureichendes Kauen diese Enzyme, müssen Darmbakterien die Kohlenhydrate aufspalten – was zu Blähungen führen kann.

Kauen trainiert das Gehirn

Kauen wirkt sich positiv auf kognitive Funktionen und die Gehirnleistung aus. Durch die Bewegung der Kiefer werden verschiedene weitere Bereiche der Kopfmuskulatur aktiviert und dabei das Gehirn besser durchblutet. Japanische Wissenschaftler zeigten in einer Metaanalyse, dass intensives Kauen die Aufmerksamkeit und die Gedächtnisleistung fördert. Außerdem werden körperliche Stressreaktionen abgeschwächt.

Wie (und wie oft) soll man kauen?

  • Besteck zwischen den Bissen ablegen Messer und Gabel erst wieder aufnehmen, wenn der vorherige Bissen geschluckt ist. Das verlangsamt automatisch das Esstempo.
  • Ruhig essen und bewusst atmen: Achtsam essen, sich Zeit fürs Essen nehmen und Ablenkungen vermeiden, also möglichst nicht nebenbei Nachrichten auf dem Smartphone lesen oder am Schreibtisch essen. Optimal: Vor jedem Bissen tief einatmen, kauen und danach ruhig ausatmen. Bei zu schnellem Essen kurz innehalten, entspannen, Muskeln lockern, dann bewusst weiteressen.
  • Bissen gut zerkleinern: So lange kauen, bis die Nahrung eine weiche, homogene Masse ohne Stückchen bildet, und dann in kleinen Portionen schlucken. Größere oder festere Anteile des Bissens kann die Zunge dabei im Mund abteilen, um sie länger im Mund zu behalten und weiter zu kauen. Dadurch wird das Essen optimal zerkleinert und mit Speichel vermischt. Dieses achtsame Vorgehen ist langfristig alltagstauglicher als das Zählen von Kaubewegungen. Mitzählen bis 30 kann natürlich hilfreich sein, um überhaupt zu merken, wenn man schlingt.
  • Mit allen Sinnen essen, also hören, schmecken und riechen: Texturen, Geräusche und Aromen beim Essen bewusst wahrnehmen. Vielen hilft es zudem, sich vorzustellen, wie der Bissen vom Mund über die Speiseröhre in den Magen gelangt. Das stärkt die Aufmerksamkeit.

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