Mitten in … Helsinki
Finnisch ist eine originelle, schwierige Sprache. „Kalsarikännit“ etwa beschreibt das Gefühl, allein zu Hause in Unterwäsche Alkohol zu trinken. Manche Lehnwörter versteht man dagegen leicht. Kiosk – kioski, Hotel – Hotelli, Kauppahalli – Markthalle. In der Hakanienem Kauppahalli trinken wir kahvi, essen keksi und kaufen lohi, Lachs. Der Fischhändler stammt aus Marokko, er spricht neben Finnisch Deutsch mit pfälzischem Akzent. Die schönste Stadt Deutschlands sei Kaiserslautern, verkündet er, dort habe er mal gelebt. Als Münchner fragt man, ob er mal in der wirklich schönsten Stadt Deutschlands war? „Einmal und nie wieder!“ Warum? „Ich wollte damals Beckenbauer spielen sehen und habe Tickets fürs Stadion gekauft“, erzählt er, „dort habe ich eine Bierflasche auf den Kopf bekommen.“ Da wäre Kalsarikännit in Kaiserslautern wohl besser gewesen. Titi Arnu

Mitten in … Berlin
Feierabendstimmung in der S-Bahnlinie 1. Zwei Handwerker sitzen sich gegenüber. Der eine hat Farbspritzer in den Haaren, trägt ein Heavy-Metal-T-Shirt unter seiner zerschlissenen Arbeitsjacke. Der andere hat Stahlkappen an den Schuhen und müde Augen. Beide halten eine braune Bierflasche in den Händen, und mit tiefen Stimmen, die den ganzen Wagen füllen, unterhalten sie sich über: Rezepte für den Römertopf. Alles daran ist schön: Der Herr links empfiehlt Gemüse. Aubergine, Zucchini, Paprika, Tomaten. Damit habe er gute Erfahrungen. Er führt das ein paar Minuten lang aus. Der Herr rechts nickt und denkt lange nach. „Klingt toll“, sagt er und möchte gern mehr wissen. Beide gucken aus dem Fenster. Nächstes Thema: Lasagne. Der Herr rechts hat da neulich mit Kokosmilch und Curry experimentiert. War gut. „Ach, guck an“, sagt der andere. Ironie? Nein, kein bisschen. Appetit aufs Abendessen: Ja, jetzt sehr. Ronen Steinke

Mitten in … Seoul
Der Ausflug von Südkoreas Hauptstadt aus in die entmilitarisierte Zone vor Nordkorea ist eine echte Grenzerfahrung. Bald schon wird die Besiedelung weniger, nach einer knappen Stunde Fahrt tauchen Wachtürme, Kasernen, Militärfahrzeuge auf. Aber auch: Souvenirshops mit Pappsoldaten als Fotomotiv am Eingang, in denen man Geldbeutel in Handgranatenoptik kaufen kann. Auf dem Dach eines Gebäudes sind Fernrohre montiert, um in den verfeindeten Nachbarstaat schauen zu können. Geduckt läuft man durch einen Tunnel, einst von nordkoreanischen Soldaten gegraben, angekündigt als Highlight der Tour. Als man so über die bizarre Gleichzeitigkeit von schwelendem Konflikt und Touristen-Hotspot sinniert, sieht man am Ende des Tunnels, ja: Licht – und tiefgrün rankende Pflanzen. Sie trotzen der menschengemachten Grenze und sehen wunderschön aus. Mareen Linnartz
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