Ein Besuch im Museum kann durchaus Begehrlichkeiten wecken. Wie schön wäre es doch, diesen Rembrandt tagtäglich im Esszimmer zu bestaunen oder sich jeden Abend an diesem Baselitz über dem Bett zu erfreuen? Für die meisten Menschen ist es unmöglich, eine solche Tagträumerei Realität werden zu lassen, außer sie haben Millionen auf dem Konto – oder sehr viel kriminelle Energie.
Wer beides nicht hat, kann die eigenen vier Wände aber trotzdem mit etwas Besonderem schmücken. Der Großteil des Kunsthandels findet nämlich nicht im Millionensegment statt, obgleich die Berichte über Auktionsrekorde und der Blick in so manche Galerie das Gegenteil vermuten lassen.
Allein die Tatsache, dass fast alle großen Künstler irgendwann einmal für kleines Geld zu haben waren, zeigt, dass Originalität und Qualität keine Frage des Preises sein müssen. Wer die Bereitschaft mitbringt, sich mit dem Kunstmarkt und seinen Akteuren ein wenig zu befassen, kann großen Spaß am Kauf eines Kunstwerks finden. Und legt vielleicht sogar den Grundstein für eine eigene kleine Sammlung.
Nur wie fängt man damit an? Der Kunstmarkt ist riesig, international, unübersichtlich und folgt einer ganz eigenen Logik, die für Laien kaum zu verstehen ist. Deshalb beginnt man besser bei sich selbst. „Wer darüber nachdenkt, ein Kunstwerk zu kaufen, sollte sich zunächst fragen: Was gefällt mir eigentlich, was suche ich? Fotografie, Malerei, Skulpturen?“ sagt Kunstberater Hans von Bülow, der Privatleute und Institutionen dabei unterstützt, das richtige Kunstwerk zu finden und zu kaufen.
Das Feld sei unglaublich groß, da könne man sich schnell verzetteln. „Muss es ein Unikat sein, oder kann ich auch mit einer Edition gut leben? Ist es mir wichtig, dass der Künstler schon bekannter ist? Oder habe ich sogar Spaß daran, ganz neue Namen zu entdecken?“
Die gute Nachricht: Nie gab es mehr Möglichkeiten, herauszufinden, was einem gefällt. Im Internet gibt es zu fast jedem Künstler und jeder Galerie Informationen, die allermeisten sind kostenlos. Allerdings kann es sich auch lohnen, in gute Literatur zum Thema Kunst zu investieren. „Mit Büchern über Künstler und Ausstellungskatalogen kann man sehr gut ein Gefühl für das Werk und den Künstler bekommen“, sagt von Bülow. „Dort sind dann viele Arbeiten übersichtlich abgebildet.“
Man sehe zum Beispiel gleich, ob der Künstler auch noch bildhauerisch tätig ist oder wie sich der Stil im Laufe seiner Karriere verändert hat. „Teilweise werden die Ausstellungskataloge und Bildbände sogar von den Künstlern selbst entworfen.“
Zu kaufen gibt es sie in gut sortierten Buchhandlungen, die sich auf das Thema Kunst spezialisiert haben. Besonders bekannt ist die Buchhandlung Walther König, die in Deutschland mehrere Filialen hat. „Der Vorteil solcher Buchhandlungen ist, dass die Verkäufer sich oft sehr gut mit Kunst auskennen und auch weiterführende Literatur empfehlen können.“
Am besten lässt sich das Gespür für den bevorzugten Stil allerdings entwickeln, wenn die Kunstwerke live angeschaut werden. Dabei muss das Ziel gar nicht sein, sofort fündig zu werden. Eher geht es darum, den Blick zu schulen: Was gefällt mir? Welche Gemeinsamkeiten entdecke ich in Kunstwerken, die mich ansprechen, beispielsweise bestimmte Formate, Motive, Farben, Bildkompositionen? Welche Wirkung hat ein Bild auf mich – und warum? In Galerien kann der Galerist mehr erzählen über den Künstler, die Epoche, die verwendete Technik und eingesetzten Materialien.
Es kann sich lohnen, einen Termin zu vereinbaren, da viele Galerien recht eingeschränkte Öffnungszeiten haben. Einen guten Überblick kann man sich an einem „Galerienwochenende“ verschaffen, wie es in den meisten großen Städte ausgerichtet wird. Dabei haben Galerien lange Öffnungszeiten, oft wird die Veranstaltung von Vernissagen oder weiterem Kulturprogramm begleitet.
Internationale Messen für Suchende
Wer viele Arbeiten auf einmal sehen möchte, kann über eine der zahlreichen Kunstmessen flanieren. Die Anzahl an Werken, die man dort innerhalb weniger Stunden sehen kann, ist jedoch Inspiration und Reizüberflutung zugleich. Gerade im günstigen Segment wird man zudem auf Messen wie der Art Basel in der Schweiz oder in Miami kaum fündig. Mit der Affordable Art Fair hat sich ein internationales Messeformat etabliert, das sich gezielt an Sammler und Kunstinteressierte richtet, die sich auch mit kleinem Budget ein Original leisten wollen. Ursprünglich in London ins Leben gerufen, gibt es heute mehrere internationale Ableger, unter anderem in Berlin und Hamburg.
Oliver Lähndorf ist Direktor der Messe in Hamburg, die in diesem Jahr Anfang November stattgefunden hat. Dem elitären Ruf der Kunstbranche will Lähndorf etwas entgegensetzen. „Auch ich war schon in Galerien, in denen ich mich wie ein Bittsteller gefühlt habe. Hier ist jeder willkommen.“ Auf der Messe kostet keine Arbeit mehr als 10.000 Euro – und es gibt Preisschilder neben jedem Kunstwerk. „Ich glaube, diese Transparenz beim Preis hilft enorm, die Hürden für Einsteiger in der Kunstwelt abzubauen.
Doch woher weiß man, dass man gerade nicht zu viel bezahlt? Auf Plattformen wie Artsy sind mit etwas Glück auch Verkäufe von weniger bekannten Werken öffentlich gemacht. Tendenziell ist es aber schwieriger, Referenzen zu finden, je unbekannter ein Künstler ist. „Wenn man Kunst in diesem Einstiegssegment kauft, ist das ein emotionales Investment, mit dem man sich selbst eine Freude macht“, sagt Lähndorf. Mit anderen Worten: Das Kunstwerk hat den Wert, den der Käufer ihm beimisst. Man solle sich nicht darauf verlassen, die Arbeit irgendwann zum gleichen oder höheren Preis wieder verkaufen zu können, sagt Lähndorf.
Zwar gebe es immer wieder Künstler, deren Arbeiten sich im Wert vervielfachten. „Aber das ist einfach die ganz große Ausnahme.“ Die Vergangenheit hat gezeigt: Vor allem Werke, die mindestens für niedrige sechsstellige Summen gehandelt werden, sind einigermaßen wertstabil. Und auch da gibt es selbstverständlich Ausnahmen – nach oben wie nach unten.
Solche Ausnahmen werden dann zum Beispiel bei Versteigerungen bekannt. Das Auktionshaus Ketterer ist auf Kunst spezialisiert und zählt zu den größten in Deutschland. Nicola Gräfin Keglevich ist in der Geschäftsleitung des Auktionshauses und hat zuvor bei Sotheby’s gearbeitet. Auch ihr wichtigster Rat lautet: „Vor dem Kauf eines Kunstwerks sollte man sich sehr sicher sein, dass es einem gefällt.“
Das ist nicht so banal, wie es klingt. Wer den ein oder anderen Fehlkauf im Kleiderschrank hat, weiß, dass einen der erste Eindruck durchaus trügen kann. „Manche hängen sich ein Bild zwei Wochen in die Wohnung, bevor sie es kaufen“, erzählt Keglevich. „Teilweise stellt man dann fest, dass einen das Bild doch langweilt. Oder man ist sicherer in der Entscheidung, dass es einem wirklich gefällt.“ Diese Möglichkeit besteht eher bei Galerien als bei Auktionshäusern.
Bild am besten ohne Rahmen begutachten
Dafür bieten Auktionshäuser die Möglichkeit, die Werke der kommenden Auktion vorab zu besichtigen. Keglevich rät, hiervon Gebrauch zu machen, wenn es zeitlich einzurichten ist: „Manchmal wirkt das Werk zum Beispiel viel größer oder kleiner, als ich es mir vorgestellt habe“, sagt sie. Außerdem sei es einfach eine spannende Erfahrung: „Hier gibt es Arbeiten zu sehen, die womöglich noch nie in der Öffentlichkeit waren und nach der Auktion auch erst einmal wieder in privaten Sammlungen verschwinden.“
Bei der Vorbesichtigung ist es zudem möglich, sich von Mitarbeitern des Auktionshauses beraten zu lassen. „Fast jeder hat mal mit kleinem Budget angefangen. Man darf ruhig auf uns zugehen und sagen: Ich interessiere mich für Kunst, weiß aber eigentlich gar nicht, was ich kaufen möchte“, sagt Keglevich. Worauf man in jedem Falle achten sollte, ist der Zustand
. „Der lässt sich am besten ungerahmt beurteilen, da sich unter dem Rahmen manchmal Risse und Beschädigungen verbergen.“ Das Auktionshaus selbst gibt auf Anfrage Zustandsberichte heraus, in denen zum Beispiel auch etwaige Restaurierungsarbeiten dokumentiert sind.
Mitbieten kann man schließlich per Telefon, Internet oder persönlich. Dabei gilt: Spaß an der Sache haben, aber sich bloß nicht zu sehr mitreißen lassen. „Ich rate immer, sich vorher ein persönliches Limit zu setzen“, sagt Keglevich. Nicht zu vergessen ist auch, dass zum Hammerpreis noch das sogenannte Aufgeld kommt, das vom Auktionshaus kassiert wird, sowie Steuern. Bei Ketterer beträgt beides zusammen rund 30 Prozent, dieser Satz reduziert sich mit steigendem Preis etwas. Auch etwaige Transportkosten sind zu bedenken. Außer natürlich, das Kunstwerk wird nach der Auktion direkt bezahlt und mitgenommen.
Dann kann man sich vielleicht sogar noch am selben Abend in den eigenen vier Wänden daran erfreuen.