Kulturpass: „Es fühlt sich an, als hätten wir an Priorität verloren“

Für
mich hat die Einführung des Kulturpasses zwei Botschaften gesendet. Erstens: Die
Politik sieht, dass die Jugend durch die Pandemie extrem viel entbehren musste,
und will uns jetzt etwas zurückgeben. Zweitens: Sie ermöglicht es allen, Kultur
zu erleben, unabhängig vom Geld in der Tasche. Theater und Lesungen – das sind für mich Sachen,
die man nicht unbedingt in seiner Jugend macht. Deswegen fand ich es cool, dass
es eine Plattform gab, die uns Jugendlichen den Besuch solcher Veranstaltungen trotzdem ermöglichen sollte.

Jetzt
ist der Kulturpass ersatzlos gestrichen
. Ich verstehe, dass man Maßnahmen
ändert, wenn der Rechnungshof nicht einverstanden ist. Okay. Aber ich habe gar
keine Hoffnung, dass etwas anderes eingeführt werden wird, was der Jugend Zugang zu
Kultur verschaffen könnte. Es fühlt sich an, als hätten wir an Priorität verloren. Was
sind denn sonst politische Maßnahmen, die bei jungen Menschen ankommen? Was macht
die Politik überhaupt für uns? Mir fällt nichts ein. Bildung ist
unterfinanziert, überall wird gekürzt, alle beschweren sich nur, dass wir zu viel
am Handy hängen.

Ich
habe durch die Kulturpass-App Sachen unternommen, die ich sonst nicht gemacht
hätte: Ich war mit meinem Freund auf einem Candlelight-Konzert in Hamburg, das
wollte ich schon immer mal machen. Wir haben uns im Kino Konklave
angesehen, ich habe mir Thriller und Romane gekauft und von Freunden zum
Geburtstag ein Kochbuch geschenkt bekommen, das sie von ihrem
Kulturpassguthaben gekauft hatten.

Mein
Freund und ich haben unsere Budgets geteilt, er ist Jahrgang 2005 und
hatte 200 Euro zur Verfügung, nicht 100 Euro wie ich. Einerseits habe ich mich
gefragt: Hä, warum kriegt jetzt dieser eine Jahrgang doppelt so viel wie der
andere? Und warum bekommt meine Cousine, Jahrgang 2002, gar nichts, obwohl sie
ihr ganzes Abi in der Pandemie gemacht hat? Andererseits habe ich mich gefreut,
dass ich überhaupt was bekomme. Bis November kann ich mein restliches Guthaben
jetzt noch verbrauchen. 

Ein Angebot mit Leerstellen

Natürlich
war der Kulturpass keineswegs perfekt. Die App war unübersichtlich, und
vieles, worauf ich Lust gehabt hätte, wurde gar nicht angeboten. Ein Buchladen
in Mecklenburg-Vorpommern, den ich im Urlaub besucht habe, war nicht Teil des
Kulturpasses. Eine Lesung mit Luisa Neubauer, die ich besuchen wollte: wurde nicht angeboten. Kleine
Veranstalter und Buchhandlungen haben oft gefehlt, dafür waren Hugendubel,
Thalia und Eventim vertreten – oder der Anbieter eines E-Cellos, für das die 100
Euro eh nicht ausgereicht hätten. Manchmal war es frustrierend, durch die immer
gleichen Angebote zu scrollen.

Aber
klar, der Kulturpass war ein Übergangsprojekt, aus dem man noch viel hätte rausholen
und das man hätte weiterentwickeln können. Es wäre eine Chance gewesen,
Jugendlichen niedrigschwellige Angebote zu machen. Von mir aus muss das nicht
unbedingt durch den Kulturpass passieren. Ich fände es auch okay, wenn man
sicherstellt, dass jede Schülerin, jeder Schüler mal kostenlos ins Theater
gehen kann. Aber es muss Jugendkulturangebote geben, günstig und bekannt
genug, dass sie auch Leute erreichen, die Kultur normalerweise nicht erreicht. Derzeit macht die Regierung keine Anstalten, sich darum zu kümmern.