Kritik an den Plänen des Bundesverkehrsministeriums

Das Bundesverkehrsministerium will die Kosten für den Führerschein senken, indem die Präsenzpflicht in der Theorie durch einen digitalen Distanzunterricht und Lern-Apps ersetzt werden soll. Was nach Fortschritt klinge, sei aber „ein massiver Abbau von Sicherheitsstandards“, kritisiert „Moving – International Road Safety Association“, eine Vertretung von europäischen Verkehrsverlagen und Unternehmen, die im Bereich der Fahrerausbildung tätig sind. Moving warnt: „Fahranfänger sollen künftig lebenswichtige Sicherheitskenntnisse allein erarbeiten – ohne direkte Anleitung und Diskussion mit erfahrenen Fahrlehrern.“ Rein digitaler Unterricht bleibe weniger im Gedächtnis und sicherheitsrelevante Themen würden nicht ausreichend verankert, was gerade bei jungen Menschen das Unfallrisiko erhöhe. Deshalb müssten Inhalte in zusätzlichen Fahrstunden nachgeholt werden – und das macht laut Moving „den Führerschein am Ende sogar teurer“.

Die geplante Reform von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sei „ein gefährlicher Irrweg“, warnt Jörg-Michael Satz, Präsident von Moving – International Road Safety Association, denn „sicherheitsrelevante Inhalte nicht mehr gemeinsam in der Fahrschule zu erarbeiten, wird Menschenleben kosten“. Fahrlehrer Sascha Fiek ergänzte aus der Praxis: „Ohne den theoretischen Präsenzunterricht, in dem ausgebildete Fahrlehrer auf die Fahrpraxis vorbereiten, müssen wir in den praktischen Fahrstunden viel mehr Zeit einplanen, um Fragen zur Verkehrssicherheit zu beantworten und das per App Gelernte zu erklären. Das führt im Zweifel zu mehr Fahrstunden – und damit zu höheren Kosten für die Fahrschüler, die ja eigentlich gesenkt werden sollen.“

Moving verweist in diesem Zusammenhang auf ein Gutachten von Professor Manfred Spitzer von der Universität Ulm: „Der Wegfall des Präsenzunterrichts reduziert die wichtige Interaktion zwischen Lehrern und Schülern sowie unter den Schülern selbst. Das verringert nachhaltig das Lernen und die Vermittlung sozialer Kompetenzen – und gefährdet mittelfristig die Sicherheit im Straßenverkehr.“ Der Experte weist darauf hin: „Das reine Auswendiglernen von Einzelheiten führt nicht zu Wissen, denn das ist grundsätzlich immer vernetzt und anwendungsorientiert. Richtige Kreuzchen auf einem Fragebogen bedeuten nicht, dass man den Straßenverkehr wirklich versteht.“

Man stehe mit dem Verkehrsministerium im Austausch und habe ein Eckpunktepapier mit einer Stellungnahme vorgelegt, inklusive Lösungsvorschlägen, die gemeinsam von Branchenvertretern entwickelt wurden, so Moving. In diesem Papier wird eine integrierte Lösung vorgeschlagen: Eine theoretische Ausbildung mit sicherheitsrelevanten Themen in Präsenz, kombiniert mit modernisierter fahrpraktischer Ausbildung inklusive Fahrsimulatoren unter Fahrschulaufsicht. „Für die Theorie empfehlen wir ein Blended- Learning-Konzept, das Flexibilität und Effizienz ermöglicht, vorausgesetzt sicherheitsrelevante Themen, wie Geschwindigkeit, Abstand, Gefahrenerkennung, Fahreignung, Fahrtüchtigkeit, Drogen und Risikomotive werden zwingend im Präsenzunterricht vermittelt“, erklärte Satz. In Kombination aller Maßnahmen könnten die durchschnittlichen Ausbildungskosten nachhaltig „um mehr als 20 Prozent gesenkt werden – bei gleichzeitiger Wahrung höchster Verkehrssicherheitsstandards“, so Moving. „Mit der vorgeschlagenen integrierten Lösung können wir die Kosten senken, ohne die Sicherheit der Fahranfänger zu gefährden. Doch bisher bleibt eine klare Antwort vom Verkehrsministerium aus“, sagte Jörg-Michael Satz.

Jörg-Michael Satz weist auf mögliche Folgen hin, sollten die Pläne des Bundesverkehrsministeriums umgesetzt werden: „Die Aussicht auf eine Lösung, die keine ist, führt dazu, dass viele Fahrschüler den Start ihrer Führerscheinausbildung verschieben, um auf eine Gesetzesänderung zu warten, deren Inkrafttreten noch nicht einmal abzusehen ist. Mit dieser abwartenden Haltung werden viele Fahrschulen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Gleichzeitig führt der Ausbildungsstau dazu, dass die Kapazitätsgrenzen vieler Fahrschulen erreicht werden und sie die angestauten Fahrschüler nicht rechtzeitig ausbilden können.“ Der vermeintliche „Billig-Führerschein“ könne sich als „trügerische Sparmaßnahme“ entpuppen, die weder Kosten senkt noch die Sicherheit junger Fahrer gewährleistet. Anstatt Sicherheitsstandards abzubauen, brauche es „eine moderne, integrierte Ausbildung, die Effizienz mit Verkehrssicherheit verbindet“, so Moving.