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Nach der abgebrochenen Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz hat, wie die dpa meldete, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) das Europäische Parlament scharf kritisiert – und dafür deutlichen Widerspruch aus der Europa-SPD erhalten.
„Es steht einem nationalen Regierungschef wie Kanzler Merz nicht an, das Europäische Parlament, das ihm gegenüber nicht rechenschaftspflichtig ist, für eine demokratische Mehrheitsentscheidung zu kritisieren“, sagte René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD. Das Parlament sei kein „Abnickverein“ für die Wünsche der Regierungen, so Repasi weiter.
Merz hatte laut dpa zuvor erklärt, die Entscheidung des Parlaments zum Lieferkettengesetz sei eine „fatale Fehlentscheidung“. „Die gestrige Entscheidung des Europäischen Parlaments ist inakzeptabel“, sagte er in Brüssel. Der Kanzler drängt auf eine Lockerung der geplanten Vorschriften für Unternehmen.
Am Mittwoch hatte das Parlament die Aufnahme der finalen Verhandlungen mit den EU-Staaten über das Lieferkettengesetz gestoppt. Eine knappe Mehrheit stimmte dagegen, die Gespräche fortzuführen. Damit muss das Parlament im November erneut über den Gesetzestext entscheiden. In den anschließenden Verhandlungen könnten die Regeln für Unternehmen entweder verschärft oder abgeschwächt werden.
Repasi kündigte an, die SPD wolle den weiteren Prozess „konstruktiv begleiten“, um ein „ausgewogenes Ergebnis“ zu erreichen. Nach seiner Aussage werde die sozialdemokratische Fraktion in den kommenden Verhandlungen auf faire, praktikable und rechtssichere Vorgaben drängen.
Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola wies die Kritik von Merz zurück. „Ich würde die demokratische Unabhängigkeit und die institutionelle Befugnis des Parlaments, seine Position zu verteidigen und die Bürger zu vertreten, nicht infrage stellen“, sagte Metsola.
Das Parlament hatte sich zuvor knapp gegen den Beginn der sogenannten Trilog-Verhandlungen mit den EU-Mitgliedstaaten ausgesprochen. Ziel des EU-Lieferkettengesetzes ist es, Unternehmen stärker zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren globalen Lieferketten zu verpflichten.
Der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) begrüßte die Kritik von Merz laut einer weiteren Meldung der dpa (ots) ausdrücklich. „Die Lieferkettenrichtlinie in ihrer derzeitigen Form ist ein massiver Wettbewerbsnachteil für die deutsche und europäische Wirtschaft – insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen“, erklärte BVMW-Bundesgeschäftsführer Christoph Ahlhaus.
Während Unternehmen außerhalb Europas weitgehend unreguliert agierten, seien mittelständische Betriebe in der EU mit immer neuen bürokratischen Auflagen konfrontiert. Dies gefährde Arbeitsplätze, Innovationskraft und Standorte in Deutschland und Europa, so Ahlhaus weiter.
Der Verband warnt seit Langem vor den wirtschaftlichen Folgen überzogener regulatorischer Eingriffe in die Lieferketten. Viele Betriebe sähen sich außerstande, die umfangreichen Berichtspflichten und Haftungsrisiken zu erfüllen. „Die Konsequenzen sind absehbar: Firmenverlagerungen, Betriebsschließungen und ein Verlust von Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten“, sagte Ahlhaus.
Er dankte dem Bundeskanzler für sein Eintreten für mittelständische Unternehmen und forderte das EU-Parlament auf, die Entscheidung zu überdenken. Europa brauche „weniger Ideologie und mehr Realitätssinn“, betonte Ahlhaus. Der BVMW spricht sich für eine Abschwächung der europäischen Richtlinie und eine Streichung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes aus, um Bürokratie und Haftungsrisiken zu verringern.
