Kritik am Außenminister: Gebt Wadephuls Erschrecken eine Weile!


Wie hinterwäldnerisch auf der richtigen Seite verwurzelt wähnte sich dieser Wadephul-Kritiker! So kam Christoph Schwennicke auch gestern noch mit dem späten Einfall hinterher gelaufen, den Außenminister als Waldmenschen der Politik zu bezeichnen. „Wie Kaspar Hauser aus dem Wald“ war die behaarte Kolumne überschrieben, mit der ihr Autor die Website von „t-online“ bestückte. Darin wurde der verrätselte Typ vorgestellt als jemand, der „angeblich die ersten Jahre seines Lebens als Waldmensch zugebracht hatte und bar jeder Sozialisation die Sprache sowie die einfachsten Muster und Regeln des menschlichen Umgangs erlernen musste. Und mit seinem sonderbaren Verhalten alle in der Zivilisation verstörte.“ Es folgt das Wagnis eines Evidenzbeweises: „Wie Kaspar Hauser aus dem Wald geriert sich dieser Tage Bundesaußenminister Johann Wadephul.“

Ein sonderbarer publizistischer Fehlgriff war das auch deshalb, weil zu einem Zeitpunkt rausgehauen, als die missverständlichen Aussagen Wadephuls nach Tagen des Treibens in ihrem Gehalt längst geklärt waren, als also jeder wusste oder wissen konnte, dass auch der Außenminister nicht gegen Abschiebungen ist, sondern im Blick auf die kurzfristige, freiwillige Rückkehr der Vielen Erwartungen dämpfte. In einer apokalyptisch zugerichteten Gegend nahe Damaskus hatte Wadephul gesagt: „Hier können wirklich kaum Menschen richtig würdig leben.“

Der Außenminister hatte einen realistischen Punkt getroffen

Gehört es nicht zu den Mustern und Regeln menschlichen Umgangs, das tatsächlich Gemeinte, das wirklich Vorgefallene zu klären, bevor man sich daran macht, das Aufgeschnappte unmöglich zu machen? Natürlich hätte Wadephul von sich aus früher die nötige Klärung vornehmen sollen. Dennoch gilt, was der Bundespräsident sagte, als er von Afrika aus Wadephul beisprang: „Jemand, der vor den Trümmern eines Krieges steht, sein Erschrecken äußert und sich selbst laut fragt, kann man darin wohnen – diesem Erschrecken kann man auch mal eine Weile Raum lassen.“ Wo war beim Aufschaukeln der Affäre Wadephul diese sondierende Weile spürbar, die Frank-Walter Steinmeier anmahnte?

Denn der Außenminister hatte ja zweifellos einen realistischen Punkt getroffen, nur gehörte es sich nicht, mit ihm die Berliner politisch-mediale Zivilisation zu verstören. Nicht fake news werden Wadephul zur Last gelegt, sondern der Tatbestand des sonderbaren Verhalten: die Verstörung der politischen Zivilisation mit einer unzivilisierten Aussage. Fällt der Zivilisation da aber ihr Barbarenvorwurf nicht auf die Füße? Der Regierungssprecher Stefan Kornelius sah von politischer als auch von medialer Seite eine „verdichtete Wahrnehmung“ im Spiel, in welcher der Außenminister zwischenzeitlich schon als abgeschrieben galt. So lässt sich eine strategisch verrammelte Öffentlichkeit vornehm beschreiben: als verdichtete Wahrnehmung. Hier verdichtet auf Beschwörungen, die migrationspolitischen Erfolgsmeldungen doch bitte nicht im Schreck zu gefährden, Herr Wadephul!

Gegen ein solches wortmagisches Politikverständnis machte der Regierungssprecher geltend, dass die Stabilisierung Syriens auch durch die Rückkehr von Flüchtlingen ein Prozess sei, an dem die Bundesregierung – Kanzler, Innen- wie Außenminister – arbeite und an den etliche rechtliche Voraussetzungen geknüpft seien: „Diese Verfahren können wir nicht beschleunigen, indem wir hysterisch darüber schreiben oder kommentieren, sondern die müssen rechtsstaatlich abgewickelt werden, und das passiert.“ Alles andere wäre hinterwäldnerisch.