
Während die Europäer im Nahost-Konflikt auf Deeskalation setzen, interessiert sich Donald Trump wenig für deren Meinung und besteht auf einen harten Kurs gegen den Iran. Berichten zufolge will Teheran weiter verhandeln. Eine Frage lässt der US-Präsident derweil bewusst offen.
Mit seinem ersten Auftritt beim G-7-Gipfel im kanadischen Kananaskis hatte Donald Trump klargemacht, welchen Kurs er gegenüber dem Iran verfolgt. „Sie müssen einen Deal machen. Iran gewinnt diesen Krieg nicht“, erklärte Trump bei der Begrüßung durch Gastgeber Mark Carney. Das Regime im Iran „würde jetzt gern reden, aber das hätten sie vorher machen sollen“.
„Peace through Strength“, Frieden durch Stärke, nennt Trump dieses Prinzip, das er schon in seiner ersten Amtszeit zum Grundsatz erklärte und dem er seit Beginn von Israels Angriffen auf den Iran vergangenen Freitag zu folgen scheint. Wenige Stunden später wurde der US-Präsident noch drastischer.
„Der Iran darf keine Atomwaffen haben. Ich habe es immer und immer wieder gesagt. Jeder sollte Teheran sofort verlassen“, schrieb er auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Es war am Montagabend Ostküstenzeit zunächst unklar, ob diesem Appell eine noch schwerere Bombardierung der iranischen Hauptstadt folgen sollte.
Unklar ist weiterhin auch, ob Trump die Regierung von Benjamin Netanjahu zu den fortgesetzten Attacken ermutigt oder diese geschehen lässt. Aber er könnte womöglich für sich beanspruchen, dass sein „Peace through Strenght“-Prinzip wirkt.
Berichten des „Wall Street Journal“ und der Agentur Reuters zufolge hat Teheran der US-Regierung Hinweise zukommen lassen, dass der Iran verhandeln will. Europäischen und Quellen in Nahost zufolge wolle Teheran die Nukleargespräche fortsetzen, heißt es. Iran habe Washington diese Botschaft mithilfe der Regierungen in Katar, Saudi-Arabien und Oman zukommen lassen.
„Es wird ein Abkommen unterzeichnet werden, und ich denke, der Iran ist dumm, wenn er es nicht unterzeichnet“, hatte Trump seinerseits am Nachmittag Ortszeit nach einem Treffen mit dem britischen Premier Keir Starmer erklärt. Teheran sitze „praktisch schon am Verhandlungstisch“, betonte er. „Sie wollen einen Deal machen, und sobald ich hier weg bin, werden wir etwas unternehmen.“
Die Frage, ob sich die USA militärisch in den Konflikt mit Israel einschalten könnten, ließ der US-Präsident derweil offen. „Darüber will ich nicht reden.“ Womit die Drohung weiter über dem Iran liegt, dass das mächtige US-Militär eingreifen und den entscheidenden Unterschied macht: die Zerstörung der im tiefen Untergrund installierten Nuklearanlagen. Israel besitzt keine der schweren Bomber, die solche Angriffe fliegen können.
Die Kommentare von Europas Staats- und Regierungschef klangen derweil ganz anders. Sie appellierten an Israel, den Konflikt mit Teheran nicht zu eskalieren. Die Regierung von Netanjahu müsse „maximale Zurückhaltung zeigen und deeskalieren“, fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Nur so könne vermieden werden, die Stabilität der gesamten Region zu riskieren.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) betonte wie Macron, dass Israel das Recht zur Verteidigung seiner Existenz und seiner Sicherheit habe. Der Iran dürfe keine Atomwaffen besitzen. Auch Merz rief zur Eindämmung des Konflikts auf.
Allerdings schien sich Trump in Kananaskis für die Nahost-Meinung der Europäer wenig zu interessieren. Das G-7-Treffen diene dazu, sich über das Thema Handel zu verständigen, erklärte der Republikaner. „Ich mag Zölle, das ist ja bekannt.“ Weder der Krieg zwischen Iran und Israel noch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine wollte Trump groß auf der Agenda in den Rocky Mountains sehen.
Statt Einigkeit kein gemeinsames Abschlussdokument
US-Präsident Trump wollte das Gipfeltreffen der G7-Staaten in Kanada ohnehin vorzeitig verlassen. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt begründete die vorgezogene Abreise am Montag (Ortszeit) mit den „Ereignissen im Nahen Osten“.
Womit bei diesem G-7-Treffen zum dritten Mal in der 50-jährigen Gipfelgeschichte kein Abschlussdokument zustande kommt. Trump hatte bereits 2018 und 2019 seine Unterschrift verweigert. Konkrete Vorschläge hinsichtlich Klimaschutz, Künstliche Intelligenz oder Welthandel hatte Kanadas Premier Carney gar nicht erst eingebracht.
Stand Montagabend Ostküstenzeit gab es noch keine Anzeichen, dass Teheran diese Botschaft durch ein Einstellen oder zumindest Nachlassen seiner Raketenangriffe auf Israel untermauert. Ein Sprecher der iranischen Revolutionsgarden kündigte an, die neue Welle an Angriffen auf Israel werde „bis Dienstagmorgen ununterbrochen fortgesetzt“.
Stefanie Bolzen berichtet für WELT seit 2023 als US-Korrespondentin aus Washington, D.C. Zuvor war sie Korrespondentin in London und Brüssel.