Krieg in Gaza: Israels Armee sieht weite Teile von Gaza-Stadt als Kampfzone

Mit „extremer Gewalt“ will die israelische Armee im Norden des Gazastreifens vorgehen. Damit verbunden ist auch eine Warnung an potenzielle Rückkehrer nach Gaza-Stadt. Die Bundesregierung kritisiert die Hilfsgüter-Verteilung in dem Küstengebiet.

Die israelische Armee hat weite Teile der Stadt Gaza und das nördliche Grenzgebiet zu Israel zur Kampfzone erklärt. Der Aufenthalt in diesen Gebieten sei verboten, die israelischen Streitkräfte würden dort „mit extremer Gewalt“ vorgehen, teilte das Militär auf der Plattform X mit.

Betroffen von der Räumungsaufforderung sind demnach die Gaza-Stadtteile Altstadt, Daradsch Tuffah, Dschabalija, Sedschaija und Al-Saitun sowie die nördlichen Grenzorte Beit Lahia und Beit Hanun. Die Warnung richte sich an alle Palästinenser, die in letzter Zeit in die genannten Gebiete zurückgekehrt seien oder künftig dorthin zurückkehren wollten, hieß es in der Mitteilung.

Räumungsaufrufe der israelischen Armee sind nicht selten, doch handelt es sich diesmal um ein unüblich großes Gebiet. Allerdings haben infolge des Krieges, den Israel gegen die islamistische Hamas-Miliz führt, die meisten Menschen die Stadt Gaza und das Gebiet zwischen ihr und der Nordgrenze zu Israel schon lange verlassen.

Einige waren zurückgekehrt, nachdem sich das israelische Militär während einer Feuerpause zu Beginn dieses Jahres aus weiten Teilen des Gazastreifens, so auch aus der Stadt Gaza, zurückgezogen hatte. Die Stadt Gaza gilt wegen des Krieges als weitgehend zerstört.

Israelische Armee will Einsatz im Zentrum von Gazastreifen ausweiten

Die israelische Armee hat zudem eine Ausweitung ihres Einsatzes im Zentrum des Gazastreifens angekündigt. Die Armee dehne ihre „Aktivitäten“ gegen die islamistische Hamas um die Stadt Deir al-Balah auf eine Gegend aus, „wo sie bisher nicht im Einsatz war“, erklärte Armeesprecher Avichay Adraee am Sonntag im Onlinedienst X.

In einer auf Arabisch veröffentlichten Mitteilung der israelischen Armee rief Sprecher Adraee in dem betroffenen Gebiet lebende Palästinenser auf, sich an der Mittelmeerküste in der weiter südlich gelegenen Region Al-Mawasi in Sicherheit zu bringen. Al-Mawasi war von Israel als „humanitäre Zone“ ausgewiesen worden.

Die Angehörigen der weiterhin von der Hamas im Gazastreifen festgehaltenen israelischen Geiseln reagierten indes besorgt auf die Mitteilung der Armee. Sie forderten die israelische Regierung in einer Erklärung dazu auf, „den israelischen Bürgern und Familien dringend zu erklären, wie der Kampfplan aussieht und wie genau dieser die Entführten schützt, die immer noch im Gazastreifen sind“.

Die israelische Armee erklärte überdies, sie habe in der Nähe von Dschabalija im Norden des Gazastreifens „dutzende Terroristen“ getötet sowie „terroristische Infrastruktur“ zerstört, darunter zum Teil 20 Meter unter der Erde liegende Tunnel. Der von der Hamas geführte Zivilschutz erklärte seinerseits, dass bei weiteren israelischen Angriffen in der Nacht zum Sonntag sieben Menschen in der Stadt Gaza und im Süden des Gazastreifens getötet worden seien.

Wie die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen zudem mitteilte, soll die israelische Armee erneut Menschen auf dem Weg zu Hilfsgütern angegriffen haben. Mindestens 85 Menschen seien getötet worden. Die Todesopfer warteten den Angaben zufolge an verschiedenen Orten in dem Palästinensergebiet auf Hilfsgüter.

Das israelische Militär erklärte zu einem der Vorfälle, es habe Warnschüsse auf Verdächtige abgegeben, die sich Soldaten genähert hätten. Sie hätten die Aufforderungen zum Anhalten ignoriert. Der Vorfall habe sich etwa einen Kilometer entfernt von einer Stelle zur Verteilung von Hilfsgütern ereignet. Diese sei zu dem Zeitpunkt nicht in Betrieb gewesen.

Bundesregierung kritisiert Hilfsgüter-Verteilung in Gaza

Die deutsche Regierung kritisiert die Verteilung von Hilfsgütern im Gazastreifen durch die Gaza Humanitarian Foundation (GHF) als nicht ausreichend. Mit Blick auf den neuen Verteilmechanismus der GHF „ist es nach Ansicht der Bundesregierung inzwischen offensichtlich, dass dieser nicht in ausreichendem Maß die Zivilbevölkerung erreicht und auch nicht nach den humanitären Prinzipien operiert“. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf Fragen der Grünen-Bundestagsfraktion hervor, über die zuerst der „Spiegel“ berichtete.

Die von Israel und den USA unterstützte Stiftung GHF hatte Ende Mai ihre Arbeit nach einer monatelangen israelischen Blockade von Hilfslieferungen begonnen. Sie händigt an wenigen Verteilzentren Lebensmittel aus. Immer wieder gibt es Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe der GHF-Verteilstellen. Meist wird der israelischen Armee vorgeworfen, Schüsse abgegeben zu haben. Seit Ende Mai sind in Gaza nach UN-Angaben bereits Hunderte Tote bei Verteilstationen der GHF registriert worden.

Auslöser des Gaza-Krieges war das beispiellose Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober 2023 im Süden Israels verübt hatten.

AFP/dpa/lay/gub