Krebs: „Risiko, dass im Körper was falsch läuft, steigt bei Personen, die ungesund leben“

Zu Neujahr nehmen sich viele Menschen vor, generell gesünder zu leben. Wer nicht schon nach ein paar Wochen wieder aufgibt, kann langfristig profitieren – und senkt auch sein Risiko, an Krebs zu erkranken. Dabei spielt Alkohol eine besondere Rolle.

Die Risikofaktoren für ein Krebsleiden lesen sich wie eine Liste der gängigsten Gewohnheiten, die man zu Neujahr angehen möchte. In einer Studie der American Cancer Society lautet die Reihenfolge so: Zigaretten, Übergewicht, Alkohol, zu wenig Sport, Verzehr von roten und verarbeitetem Fleisch, zu wenig Obst und Gemüse sowie zu wenig Ballaststoffe und Kalzium.

Da Alkohol allein in den USA zu 100.000 Krebsfällen und 20.000 damit verbundenen Todesfällen pro Jahr führe, plädiert US-Mediziner Vivek Murthy, Leiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den USA, neuerdings dafür, die Etiketten mit entsprechenden Warnungen zu versehen. Es solle darauf hingewiesen werden, dass mit dem Akoholkonsum ein erhöhtes Risiko für mindestens sieben Krebserkrankungen einhergehe, darunter Brust-, Darm- und Leberkrebs.

Solche Warnhinweise kann laut „New York Times“ nur der Kongress vorschreiben, und es ist nicht klar, ob die neue Regierung eine solche Änderung unterstützen würde. Allerdings trinke der designierte Präsident Donald J. Trump nicht, und sein Wunschkandidat für das Amt des Gesundheitsministers, Robert F. Kennedy Jr., habe Alkohol und Drogen vor Jahrzehnten abgeschworen und sage auch, er würde regelmäßig an Treffen der „Anonymen Alkoholiker“ teilnehmen.

Alkohol ist nur ein Risikofaktor: Die umfassende Untersuchung kommt nun zu dem Schluss, dass bei US-amerikanischen Erwachsenen ab einem Alter von 30 Jahren etwa 40 Prozent der Krebserkrankungen auf beeinflussbaren Risikofaktoren zurückzuführen sind. Dazu gehören neben dem ungesunden Lebenswandel mit Zigaretten und dem falschen Essen noch weitere Faktoren. Auch zu viel UV-Strahlung und sieben krebserregende Infektionen wurden mit als Risiko aufgenommen.

Die Ergebnisse seien auf Deutschland übertragbar, sagt Ute Mons, Leiterin der Abteilung Primäre Krebsprävention im Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „Solche Daten sehen wir in fast allen Industrienationen fast spiegelbildlich.“

Eine Untersuchung des DKFZ aus dem Jahr 2018 kam für die wichtigsten Krebserkrankungen zu dem Schluss, dass 37 Prozent auf Risikofaktoren zurückzuführen seien. Dabei wurde aber unter anderem die UV-Strahlung der Sonne nicht berücksichtigt.

Das individuelle Risiko senken

Dass Rauchen krebserregend ist und vor allem Lungenkrebs verursacht, ist hinlänglich bekannt. Zigaretten hatten in der US-Studie auch den mit Abstand stärksten Einfluss auf das vermeidbare Krebsrisiko.

Das DKFZ weist aber auch darauf hin, dass bei fettleibigen Menschen erheblich häufiger Brustkrebs nach den Wechseljahren und Darmkrebs auftreten als bei normal-gewichtigen Menschen. Bei Gebärmutter- und Nierenkrebs oder bei Karzinomen der Speiseröhre sei sogar fast die Hälfte aller Fälle durch Adipositas, also Fettleibigkeit, bedingt. Dabei gilt: Je stärker ausgeprägt die Fettleibigkeit, desto höher das Krebsrisiko.

„Die Prozentanteile in den Studien sind immer auf die Gesamtbevölkerung bezogen“, erläutert Mons. „Trotzdem kann man sagen: Wenn sich jemand individuell gesünder verhält, kann diese Person das eigene Krebsrisiko senken.“ Jemand, der raucht, habe ein zwanzigfach erhöhtes Lungenkrebsrisiko im Vergleich mit jemandem, der nicht raucht.

Dabei sei es nie zu spät für einen gesünderen Lebenswandel. „Je früher man mit etwas aufhört, desto früher reduziert man sein Risiko“, sagt Mons. Zur Wahrheit gehöre aber auch: „Selbst eine Person, die komplett gesund lebt, kann an Krebs erkranken. Da spielt immer ein gewisser Zufall eine Rolle. Doch das Risiko, dass im Körper was falsch läuft, steigt bei Personen, die ungesund leben.“

Zu den vermeidbaren Faktoren gehören laut US-Studie nicht nur Dinge, die zu einem ungesunden Lebenswandel zählen, sondern auch einige Infektionen wurden mit aufgenommen, weil beispielsweise dagegen geimpft werden kann.

„Es gibt wirksame Impfstoffe gegen das Hepatitis-B-Virus, das Leberkrebs verursacht, und gegen HP-Viren, die mehrere Krebsformen verursachen können“, erklärte Ahmedin Jemal, Hauptautor der Studie. Zu den Krebserkrankungen durch HPV zählt er Gebärmutterhalskrebs sowie Tumoren der äußeren Genitalien und der Analregion sowie Mund- und Rachenkrebs.

Krebsforscherin Mons appelliert an die Politik, mehr für die Förderung eines gesunden Lebenswandels zu tun. „Es gibt noch viele Hebel, um anzusetzen, etwa was die Werbung für Alkoholprodukte und Alkoholsteuern angeht“, sagt sie. „Viel könnte getan werden, um es der Bevölkerung leichter zu machen, sich gesund zu verhalten.“

Als weitere Beispiele zählt sie eine Tabaksteuererhöhung und eine standardisierte Zigarettenverpackung auf, damit auf den Verpackungen nicht mehr geworben werden könne. Studien zeigten, dass dadurch weniger Menschen rauchen. „So können viele Krebsfälle vermieden werden.“

Krebs ist in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Jedes Jahr erkranken mehr als 500.000 Menschen neu an Krebs, mehr als 220.000 sterben daran. Frauen erkranken vor allem an Brustkrebs (31 Prozent aller Krebsfälle bei Frauen), Darmkrebs (elf Prozent) und Lungenkrebs (zehn Prozent), Männer an Prostatakrebs (25 Prozent), Lungenkrebs (13 Prozent) und Darmkrebs (zwölf Prozent). In der Tendenz steigen diese Zahlen, was unter anderem damit zusammenhängt, dass die Bevölkerung älter wird

Doreen Garud, dpa/sk