Die Begrüßung im Chiemgau fällt berauschend aus: der Weißbach stürzt mit seinen Wassermassen zwischen Inzell und Schneizlreuth laut tosend in die Tiefe. Die Gischt der über zehn Meter breiten Wasserfälle lässt die Wassermoleküle wild durch die Luft tanzen. Bei Temperaturen um die 30 Grad eine willkommene Abkühlung. In diesem regenreichen Jahr sind die im Wald gelegenen und schnell erreichbaren Wasserfälle besonders gut gefüllt. Die Kraft des Wassers kann man hier buchstäblich hautnah erleben. Nur knapp 15 Minuten vom Wanderparkplatz an der Bundesstraße 305 benötigt man zu den spektakulären Ausblicken. Etwas oberhalb der Fälle auf der anderen Straßenseite befindet sich die Quelle des Weißbachs. Das quellklare Wasser drückt sich an einer Felswand in einer großen Gumpe (Wasserloch) ans Tageslicht.
An wahren Naturhighlights mangelt es dem Chiemgau nicht. Die Region südlich des Chiemsees mit seinen bekannten Orten Ruhpolding und Reit im Winkl ist aber auch wegen seiner vielfältigen Sportmöglichkeiten bekannt. Im Winter macht der Biathlon-Weltcup stets an der Chiemgau-Arena bei Ruhpolding Station und die als „Gold-Rosi“ bekannt gewordene Skirennläuferin Rosi Mittermaier hat ihre Heimatstadt Reit im Winkl mit ihrem Ski- und Wandergebiet der Winkelmoos-Alm weit über die bayrischen Grenzen hinaus bekannt gemacht. Von Spitzensport bis Breitensport, von wandern, klettern und radeln bis Wassersport – der Chiemgau bietet unterschiedliche Möglichkeiten.
Nicht ganz so sportlich, aber mindestens genauso gesund geht es beim Kräuterworkshop beziehungsweise einer Kräuterwanderung zu. Diese startet am blau-grün schimmernden Weitsee, der genau mittig zwischen Ruhpolding und Reit im Winkl liegt. Am Startpunkt, dem Parkplatz am Großen Wappbach, wartet ein zumindest in Bayern bekanntes Gesicht. Martina Fischer, Sennerin und Wildkräuterexpertin, war Teil der 15. Staffel bei den „Landfrauen“ („Landfrauenküche“), die sich im Oldtimerbus gegenseitig besuchen und bekochen. Die beliebte Serie, die im Bayrischen Rundfunk (BR) ausgestrahlt wird, findet im gleichen Format im Westdeutschen Rundfunk (WDR) statt und erfreut sich auch bei uns im Westen größter Beliebtheit.
Mit einem einnehmenden Lachen und festem Händedruck werden die Kräuterworkshop-Teilnehmer begrüßt. Langes Warmwerden entfällt. Martina, die gebürtige Chiemgauerin, ist bei der rund einstündigen Wanderung zur Langerbauer-Alm in das Naturschutzgebiet Röthelmoos sofort in ihrem Element. „Das mit den Wildkräutern ist keine Hexerei, alles liegt in der Natur für uns bereit. Wir müssen uns nur bücken und zugreifen“, lacht die Powerfrau, die im Mangfallgebirge am Schliersee zusammen mit ihrem Lebensgefährten eine eigene Alm mit 120 Jungrindern und 14 Ziegen betreibt.
Ausgestattet mit Papiertütchen geht die Sammelei los. Zu jeder Pflanze und Blüte hat Martina wissenswertes parat. Über die Flut von Nährstoffen und Heilkräfte der essbaren Wildpflanzen und ihre Wirkung auf den menschlichen Körper hat sie ein über 300-seitiges Buch (Meine Wildkräuter – aus dem Wald, von der Wiese und der Alm) mit vielen praktischen Tipps geschrieben. Während rechts des Weges lieblich der Wappbach plätschert, füllen sich die Tüten mit Brenn- und Taubnesseln, Fichtenspitzen, Rotklee, Holunder, Thymian, Schafgabe und weiteren Geschenken der Natur. An der malerisch auf einem Hochplateau gelegenen Langerbauer-Alm werden dann Brettchen und Messer ausgepackt. Kleingehackt unter dem kritischen Auge der Expertin wandern die Kräuter und Pflanzen in die mitgebrachte Alpenbutter. Noch eine Prise eigenes Kräutersalz hinzu und fertig ist die selbstgemachte Kräuterbutter. Haben die gemischten Käse-/Speck-Brotzeitplatten mit Bauernbrot und Kräuterlimonade jemals besser geschmeckt, als hier auf der Langenbauer-Alm?
Wer Action und Nervenkitzel in seinen Urlaubstagen erleben möchte, ist in Reit in Winkl an der richtigen Adresse. Von Klettersteig bis Canyoning sind hier viele alpine Abenteuer möglich. Nur zehn Gehminuten von der St. Pankratiuskirche im Ortskern entfernt befindet sich der Einstieg zum Hausbachfall-Klettersteig. Der erste TÜV-geprüfte Klettersteig Deutschlands mit der Schwierigkeitseinstufung „C“ und einstündiger Gehzeit ist zwar auch für Anfänger und jüngere Abenteurer geeignet, doch Florian Weindl, Chef der heimischen Tourismus-Information hat wichtige Ratschläge. „Am besten niederschwellig anfangen. Unerfahrene sollten besser nicht alleine in Klettersteige gehen und sich professionelle Unterstützung holen. Damit alles sicher verläuft und der Spaß an erster Stelle bleibt“, sagt Weindl. Für die Urlaubsgäste stehen vor Ort zahlreiche Outdoor-Teams zur Verfügung, die kostenlose und geführte Wanderungen, Berg- und Radtouren durchführen.
Für unsere Gruppe haben sich Weindl und Outdoor-Guide Christian Fellner (sayaq teamtraining events) etwas Besonderes einfallen lassen. Es geht vom Ortsteil Blindau in die Klausenbachklamm. Über steile Waldwege erreicht man den höchsten Punkt der Klamm, eine über 35 Meter senkrecht abfallende Felswand. Genau hier wird man in das Kletterseil eingebunden und abgeseilt. Eine echte Mutprobe, die für reichlich Adrenalin sorgt. Entspannter geht es auf dem Rundweg der Klausenbachklamm weiter. „Einer von fünf zertifizierten Premiumwanderwegen rum um Reit im Winkl, die unseren Gästen höchste Wanderqualität garantieren“, freut sich Weindl. Zum Abschluss hat er noch ein romantisches Schmankerl parat, den Sternenpark auf der Winkelmoos-Alm. Der Erste in den Alpen.
Ganz offiziell, zertifiziert als International Dark Sky Park, ohne Lichtverschmutzung und mit natürlicher Dunkelheit. Hier lassen sich in klaren Sommer- und Winternächten bis zu 5000 Sterne am Himmel beobachten. Das sind Aussichten.