Kosmische Expansion: Das Universum scheint abzubremsen – Wissen

Die kosmische Expansion beschleunige sich nicht mehr wie bislang angenommen, sondern sei bereits in eine Phase der Abbremsung übergegangen, schreiben koreanische Forscher im Fachblatt Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. „Wenn unsere Ergebnisse sich bestätigen, bedeutet das einen bedeutenden Paradigmenwechsel in der Kosmologie“, erläutert Studienleiter Young-Wook Lee von der Yonsei-Universität Seoul. „Denn es würde zeigen, dass sich die Dunkle Energie mit der Zeit sehr viel schneller ändert als bislang angenommen.“ Das kosmologische Standardmodell hingegen sieht eine konstante Dunkle Energie vor, welche eine immer rasanter verlaufende Expansion des Kosmos antreibt. Frühere Beobachtungen sprachen eher dafür, dass sich die Dunkle Energie tatsächlich gar nicht oder kaum verändert.

Das Weltall entstand vor 13,8 Milliarden Jahren aus einem ultradichten, ultraheißen Urzustand – dem Urknall – und dehnt sich seither aus. Weit entfernte Galaxien scheinen sich deshalb rasant von uns fortzubewegen, und zwar umso schneller, je weiter sie entfernt sind. Durch die Anziehungskraft der Materie sollte die Geschwindigkeit, mit der sich der Kosmos ausdehnt, jedoch eigentlich langsam abnehmen.

Supernovae als „Standardkerzen“

Ende der 1990er-Jahre versuchten unabhängig voneinander zwei Forschungsgruppen, die Ausdehnungsgeschwindigkeit mithilfe explodierender Sterne, sogenannter Supernovae, genauer als zuvor zu messen. Das Ergebnis: Die Expansion des Kosmos wurde im Laufe der Jahrmilliarden keineswegs langsamer, sondern beschleunigte sich sogar. Es muss demnach eine zusätzliche Energie geben, die diese Beschleunigung antreibt: eine Dunkle Energie. Die Leiter der Teams, Saul Perlmutter und Brian Schmidt sowie Adam Riess, erhielten für ihre Entdeckung 2011 den Physik-Nobelpreis.

Für ihre Messungen der kosmischen Expansion hatten sie Supernovae des Typs 1a verwendet. Bei diesen explodiert ein Weißer Zwerg in einem Doppelsystem. Der Vorteil: Die maximale Helligkeit solcher Explosionen ist etwa konstant. Astronomen sprechen daher von „Standardkerzen“ und nutzen sie zur Messung der Entfernung von Galaxien.

Die Gravitation hat Oberhand über die Dunkle Energie gewonnen

Doch mittlerweile häufen sich Hinweise darauf, dass Supernovae des Typs 1a doch keine perfekten Standardkerzen sind. Lee und Kollegen untersuchten nun Supernovae in insgesamt 300 Galaxien und stießen auf einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Helligkeit der Sternexplosionen und dem Alter der Sterne in diesen Galaxien. Das könnte die bisherigen Messdaten verzerrt haben. Wenn man den Zusammenhang berücksichtigt, deuten die Supernova-Daten auf eine starke zeitliche Änderung der Dunklen Energie hin. „Wie unsere Analyse zeigt, hat das Universum bereits seine Abbremsungsphase erreicht“, so Lee. Die Gravitation habe also die Oberhand über die Dunkle Energie gewonnen.

„Es ist bemerkenswert, dass dieses Ergebnis mit anderen, unabhängigen Verfahren übereinstimmt“, betont er. Denn auch die Verteilung der Galaxien im Weltraum und die Schwankungen der kosmischen Hintergrundstrahlung – einer Art Strahlungsecho des Urknalls – lieferten bereits Hinweise auf eine Abnahme der Dunklen Energie. Doch, so Lee, diese Studien waren bislang umstritten, da sie im Widerspruch zu den Supernova-Beobachtungen standen.

Um den neuen Befund zu überprüfen, setzen Forscher auf das Spezialteleskop Vera Rubin in Chile, das in den kommenden fünf Jahren etwa 20 000 explodierende Sterne aufspüren soll. Damit sollte es möglich sein, Klarheit über die Dunkle Energie zu erhalten – und damit auch über das Schicksal des Kosmos.