Korridor-Sanierung gefährdet Schienengüterverkehr: Kombiverkehr schlägt Alarm

Seit drei Jahren geht bei Kombiverkehr das Aufkommen zurück. Zuletzt um 5,6 Prozent im Jahr 2024. Geht es in diesem Jahr endlich wieder aufwärts?

Heiko Krebs: Wir sind in diesem Jahr nicht wirklich besser gestartet. Wir spüren noch immer eine deutliche Zurückhaltung in der Industrie. Die Nachfrage und das Interesse an intermodalen Lösungen sind zwar da. In höheren Sendungszahlen schlägt sich das allerdings leider noch nicht nieder. Was daran liegt, dass die deutsche Wirtschaft nun schon das dritte Jahr in Folge stagniert. Außerdem kämpft die gesamte Eisenbahn-Welt mit Zusatzkosten, die andere Verkehrsträger nicht haben.

Armin Riedl: Es ist zu früh, sich final zu den Zahlen 2025 zu äußern. Wir hatten Anfang 2025 auch mit etlichen Infrastruktur-Problemen auf der Schiene zu kämpfen. Und 2026 wird unser Aufkommen sicher wieder steigen. Auf einzelnen Relationen haben wir jetzt schon Frequenz-Erhöhungen geplant. So bekommen wir zum Beispiel aus der Chemiebranche positive Signale, ebenso aus dem Automotive-Bereich. Da führen wir schon sehr konkrete Gespräche und planen Züge mit neuen Kunden. Außerdem entwickeln sich derzeit das Italien-Geschäft und insbesondere der Bereich Abfalltransporte sehr positiv.

Kombiverkehr hat einen großen Transformationsprozess hinter sich. So mussten Sie aufgrund Ihres angeschlagenen Mitgesellschafters DB Cargo 2024 Ihre Produktionsprozesse umstellen und neue Traktionspartner verpflichten. Wie gut hat das funktioniert?

Krebs: Letztlich haben wir alle Verbindungen von Kombiverkehr, bis auf eine einzige, in das neue System überführt. Wir haben unser Ziel also sogar übererfüllt. Das macht uns sehr stolz. Das war auch ein gutes Stück Arbeit. Und das gilt es jetzt zu stabilisieren. Das ist das Fundament, auf dem wir in Zukunft aufbauen.

Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft alle unsere Aktivitäten in 100-Prozent-Eigentraktion fahren wollen. Das ist nicht unser Anspruch. DB Cargo ist nach wie vor ein wichtiger Partner von uns, etwa nach Spanien, Frankreich und Skandinavien. Zudem kooperieren wir mit SBB Cargo im Schweiz-Transit nach Italien sowie auf den Destinationen Duisburg-Antwerpen und Köln-Basel. Lokomotion nutzen wir im Brenner-Verkehr, und unsere Tochter KombiRail Europe setzen wir für unsere nationalen und für unsere Verkehre in die Niederlande ein.  Zusätzlich arbeiten wir mit 14 weiteren EVU zusammen.

Riedl: Fairerweise muss man sagen, dass wir im Übergang 2024 auf 2025 auf ausreichend Zug- und Lokführer-Kapazitäten zugreifen konnten. Da hat uns die Wirtschaftslage in Deutschland in die Hände gespielt. Vor zwei, drei Jahren wäre das deutlich schwieriger gewesen. Jetzt würden wir uns aber natürlich mehr Volumen wünschen.

Sie sind an der DB Cargo nah dran: Wird das Unternehmen die Wende schaffen, oder blicken Sie eher sorgenvoll auf DB Cargo?

Riedl: Zu DB Cargo äußern wir uns nicht. Natürlich wünschen wir dem Unternehmen alles Gute, und natürlich hoffen wir, dass DB Cargo wieder gestärkt auf die deutsche und europäische Bühne im Schienengüterverkehr zurückkehrt.

Halten Sie nun nach weiteren Gesellschaftern Ausschau – auch für den Fall, dass DB Cargo als Gesellschafter bei Ihnen aussteigt?

Riedl: Im europäischen Schienengüterverkehr passiert im Moment sehr viel. Da gibt es einige Anbieter, die weiterhin defizitär arbeiten.

Was Kombiverkehr betrifft, haben Heiko Krebs und ich in unserer Zeit, in der wir bei Kombiverkehr beschäftigt sind, mehrere Umfirmierungen erlebt. Wir haben aus Kombiverkehr ein Wirtschaftsunternehmen gemacht, wir hatten eine Zeit ohne Beteiligung der DB Cargo und aktuell eine Zeit mit DB Cargo. Über derartige Änderungen entscheiden die Gesellschafter, und dazu zählt nach wie vor auch DB Cargo. Uns drückt aber ein anderes Problem.

Was drückt Sie?

Was uns  Sorgen macht, ist die deutsche Infrastruktur. Die muss sich massiv verbessern. Unser Produkt hat nun einmal die höchste Korrelation mit dem Verkehrsträger Straße, weil unser Produkt „kombinierter Verkehr“ teilweise über die Schiene geleiteter Straßengüterfernverkehr ist. Umso wichtiger wäre es, dass die neue Bundesregierung den Wettbewerb zwischen Straße und Schiene wieder stärker in den Fokus nimmt.

Was fordern Sie da?

Riedl: Wir haben mittlerweile im Schienengüterverkehr viele Spielregeln. Das unterscheidet sich massiv von dem, was auf der Straße los ist: Ich kann auf der Straße meinen Lkw anmelden, ihn fahren, wann ich will, ich kann mit diesem später ankommen, und ich habe eine relativ-stabile Lkw-Maut. Alles das wird im Schienengüterverkehr immer schlimmer. Es gibt mehr Gebühren und immer mehr Voraussetzungen, die wir erfüllen müssen – Stichworte sind da der Jahresfahrplan und Strafzahlungen. Hinzu kommt die schlechte Qualität von DB InfraGo. Wenn wir das alles nicht hätten, wäre uns ein Nachfrage-Schub sicher, wie wir ihn in den 2010er-Jahren hatten. Keiner freut sich deshalb auf den neuen Bundesverkehrsminister so wie wir.

Immerhin investiert der Bund sehr viel Geld in die Generalsanierung des deutschen Schienennetzes – Stichwort Korridor-Sanierung.

Krebs: Dass das Schienennetz saniert werden muss, steht außer Frage. Wir bevorzugen aber da eher den guten alten Grundsatz des Bauens unter dem rollenden Rad. Oder um konkret zu werden: Wir können nicht einfach den Betrieb für ein halbes Jahr anhalten. Außerdem werden wir, wenn die Korridor-Sanierung so kommt wie bislang vorgesehen, einige Baustellen haben, für die es keine sinnvollen Umleitungsverkehre gibt. Das bedeutet für einige Player in unserem Bereich zum Teil eine existenzgefährdende Situation – das gilt sowohl für EVUs, Operateure und unsere Kunden. Ich spreche da zum Beispiel von der Trasse München-Salzburg und den Brennerzulauf München-Rosenheim. Die kann man nicht zumachen und glauben, dass das dann schon irgendwie geht. Auch den Korridor Nürnberg-Passau kann man nicht einfach ein Jahr schließen – mit einer Umleitung über Tschechien, von der keiner weiß, ob diese überhaupt über freie Kapazitäten verfügt.

Was fordern Sie stattdessen vom Bund?

Krebs: Der Bund sollte dafür Sorge tragen, dass es planmäßig und stetig Investitionsmittel für den Ausbau und die Modernisierung des Streckennetzes gibt. Sprich: der Betrieb muss während der Sanierung aufrechterhalten werden. Damit hält man auch die Bauindustrie in Deutschland. Denn die ist, wie wir aus verschiedenen Publikationen wissen, in den letzten Jahren abgewandert, weil es hier nichts mehr zu bauen gab. Das hat zur Folge, dass man jetzt versucht, mit sehr viel Geld Dinge zu reparieren. Und dieses viele Geld trifft auf ein geringes Angebot. Die Preise werden dadurch steigen, ohne dass man das gewünschte Ergebnis damit erzielt.

Riedl: Der vormalige Bundesverkehrsminister Wissing hatte ja immer betont, dass bevor ein Korridor saniert wird, alle Umleitungsstrecken vorher saniert werden sollen, sprich es kann umgeleitet werden. Dass umgeleitet werden kann, ist aber ein breiter Begriff. Das können im Zweifel tausende von Umweg-Kilometern sein. Und die Aussage, dass wir immer genug Ausweichstrecken zur Verfügung haben werden, stimmt einfach nicht. So gesehen wird das Ganze Folgen für unsere gesamte Volkswirtschaft haben.

Inwiefern?

Krebs: Die Korridor-Sanierung ist bis 2030 angelegt – Verzögerungen nicht eingerechnet. Problem ist, dass viele Unternehmen, auch in der produzierenden Industrie nicht wissen, wie sie ihre Produkte ausliefern sollen, wenn ein Korridor einfach mal sechs Monate komplett gesperrt ist, etwa im alpenquerenden Verkehr. Das legt dort dann den gesamten Außenhandel Deutschland-Italien lahm. Das schadet der gesamten Volkswirtschaft. Das alles ist bei den Überlegungen zu den geplanten Korridor-Sanierungen viel zu kurz gekommen. Die Korridor-Sanierung muss also komplett auf neue Füße gestellt werden. Das ist unsere Forderung an die neue Bundesregierung.

Und an der Trassenpreis-Front ist auch keine Entspannung in Sicht?

Krebs: Dazu haben wir noch nichts von der Bundesregierung gehört. Wir gehen deshalb noch davon aus, dass der Bund weiterhin über Eigenkapital-Erhöhung bei der InfraGo versucht, Mittel der InfraoGo für die Sanierung des Schienennetzes zu geben. Was dazu führt, dass über die Verzinsung des Eigenkapitals die InfraGo sehr viel mehr Geld verdienen muss. Und da sie nun einmal nur Trassen verkauft, gehen wir im nächsten Jahr von einer Trassenpreis-Erhöhung um 25 Prozent aus. Das muss anders werden. Ansonsten kostet ein Standard-Kilometer auf der Schiene bald 5 Euro. Am Ende muss das die deutsche Industrie bezahlen, und die wird sich das nur begrenzt anschauen. Und die Straße wird ja durch den Fahrermangel auch nicht günstiger. Das alles schlägt sich auf die Logistik-Kosten nieder. Das ist ein weiterer Nachteil für den Standort Deutschland.

Riedl: Wir schaffen damit also einen System-Vorteil, den die Schiene hat, einfach ab. Wir verfügen zwar mit der Schiene über eine umweltfreundliche Alternative zum Lkw. Aber durch diese Politik machen wir die Nutzung der Schiene so teuer, dass sie keiner mehr nutzen will.

Werden wir den Modal-Split von 25 Prozent bis zum Jahr 2030 dennoch schaffen?

Krebs: Ich bin Berufsoptimist und meine „ja“ (lacht).