Köln im DFB-Pokal gegen FC Bayern München: Torhüter im Fokus

Eine recht kuriose Torhüterkonstellation wird sich jenseits des derzeit allgegenwärtigen Said-El-Mala-Hypes ergeben, wenn der FC Bayern an diesem Mittwochabend (20.45 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal, in der ARD und bei Sky) beim 1. FC Köln zu Gast sein wird. In beiden Toren werden die Ersatzleute stehen: Ron-Robert Zieler beim FC, Jonas Urbig bei den Münchnern. Beide entstammen der legendären Kölner Torwartschule. Auf der Bank Platz nehmen werden unterdessen Manuel Neuer, den viele Beobachter wieder einmal für den besten deutschen Torhüter der Gegenwart halten. Und Kölns Marvin Schwäbe, der am vergangenen Wochenende bei der knappen Niederlage in Dortmund spektakulär gut war.

So ein Spiel gegen die Bayern böte Schwäbe eine weitere Chance auf einen Abend als „Hexer“ zwischen den Pfosten, den das Fachblatt „Kicker“ am Samstag in Kölns Nummer eins gesehen hatte. Aber so ist das eben im heutigen Wettkampfbetrieb: Anlässlich der Pokalpartien dürfen bei immer mehr Vereinen die Ersatzleute ran. Bauchgrummeln, weil statt des durch seine Heldentaten beflügelten Schwäbe plötzlich ein Profi ohne Spielpraxis im Tor stehen wird, habe er aber „überhaupt nicht“, sagt der Kölner Sportchef Thomas Kessler am Dienstag am Telefon. „Das ist ein Zeichen dafür, dass Ron halt einfach mehr ist als eine klassische Nummer zwei – sowohl von seiner Persönlichkeit als aber auch von seiner Leistungsfähigkeit her.“

Kessler kennt sich aus. Er war selbst einmal Torhüter, in den meisten Phasen seiner Karriere als Nummer zwei hinter Timo Horn oder Farid Mondragon. Jetzt erinnert er in neuer Funktion an die außergewöhnliche Kölner Torhütergeschichte. Toni Schumacher stand mit der Nationalmannschaft in zwei Weltmeisterschaftsfinals, Bodo Illgner gewann den WM-Titel 1990, Zieler gehörte zum Siegerteam von 2014. Dem am Geißbockheim ausgebildeten Urbig, der im Winter als Neuer-Erbe an den FC Bayern verkauft wurde, wird schon bald Ähnliches zugetraut. Weniger bekannt sind aber die Mechanismen dahinter, deren Ursprung in den 1970er-Jahren liegt.

Besondere Kultur der Torwartarbeit

Damals entwickelte Rolf Herings als einer der ersten Spezialtrainer für Torhüter überhaupt Übungsmethoden zur Optimierung des Torwartspiels. Besonders versiert war der ehemalige deutsche Rekordhalter im Speerwurf, der auch an der Deutschen Sporthochschule unterrichtete, in der Optimierung der athletischen Fähigkeiten der Fußballer. Schumacher und Illgner verschaffte er damit einen Vorteil gegenüber allen anderen Spitzentorhütern.

Seither existiert diese besondere Kultur der Torwartarbeit, die mal weniger und mal mehr gepflegt wurde, die aber bis heute erkennbar ist, sagt Kessler: „Wir legen schon seit sehr langer Zeit großen Wert darauf, nicht nur gute Torhüter zu entwickeln, sondern auch junge Torwarttrainer zu schulen.“ Bei den Profis genau wie in der Jugendakademie, wo Peter Greiber, der heutige Torwarttrainer der ersten Mannschaft, Mitte der 1990er-Jahre der erste festangestellte Torwarttrainer im Nachwuchsbereich eines deutschen Profiklubs überhaupt gewesen ist.

Will sich in Szene setzen: Köln-Torhüter Ron-Robert Zieler
Will sich in Szene setzen: Köln-Torhüter Ron-Robert Zielerpicture alliance / Eibner-Pressefoto

Greiber gehört auch zu den Mentoren Urbigs, der beim FC jedoch vor ziemlich genau einem Jahr an Grenzen gestoßen war. Der Plan der Kölner sah vor, Urbig nach dem Abstieg 2024 zur Nummer eins zu machen, Schwäbe musste seinen Platz räumen. Doch nach zehn Spieltagen gelangte der damalige Chefcoach Gerhard Struber zu der Ansicht, dass die labile Abwehr einen anderen Rückhalt benötige. „Wir hatten taktisch große Defizite im Defensivverbund“, sagt Kessler. „Wir waren viel zu offen, und deshalb hat Gerhard Struber entschieden: Um stabiler zu werden, möchte ich einen erfahrenen Torwart haben, der den Jungs, die zusammen schon viel erlebt hatten, ein gutes Gefühl gibt.“ Ähnliche Überlegungen haben nun im Sommer dazu geführt, dass sich beim FC ein seltenes Kuriosum ergeben hat.

Schwäbe ist als nominelle Nummer eins erster Kapitän, Zieler, der zuvor für Hannover in der zweiten Liga spielte, ist als Nummer zwei und trotz geringer Aussichten auf Bundesligaeinsätze der zweite Kapitän. „Unser Trainer hat zwei Jungs ausgewählt, denen er mit völliger Überzeugung zutraut, diese Mannschaft zu führen“, erklärt Kessler. „Und ganz lapidar ausgedrückt, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass immer einer von den beiden auch spielt.“

Der Entschluss des Trainers Lukas Kwasniok, die Führung der Mannschaft in Torwarthände zu legen, kam für viele Beobachter überraschend, denn Timo Hübers, der Kapitän der Vorsaison, ist innerhalb des Teams weiterhin hoch angesehen, doch Kwasniok sah in Schwäbe den etwas stabileren Fußballer und über Zieler sagt der Trainer: „Ron war in der Mannschaft nach seiner Ankunft hier der absolute Gamechanger, was Leistungskultur und Erfolgskultur betrifft.“ Wenn ein 36 Jahre alter Weltmeister jedes Training mit höchster Intensität absolviert, dann könne kein Kollege Mitte zwanzig weniger investieren.

Genau das war das Motiv hinter der Idee, Zieler nach Köln zurückzuholen, nachdem dieser während der vergangenen 20 Jahre bei Manchester United, in Hannover, bei Leicester City und beim VfB Stuttgart unter Vertrag stand. Zieler sei das „Rolemodel“ für das im Sommer gesuchte Profil gewesen, sagt Kessler und erinnert an den „Kulturwandel in der Mannschaft“, der durch die vielen Spielerwechsel nach dem Aufstieg ausgelöst worden ist. „Wir wollten eine Nummer zwei, die auf der einen Seite jederzeit spielen kann, die aber auch Erfahrung mit so einem Standort wie Köln hat und die den vielen neuen Spielern im Kader in schwierigen Phasen helfen kann.“ Und solche Phasen werden ganz sicher kommen, wenn der FC Bayern am Mittwoch seinen Dominanzfußball aufzieht.