
Belgien bekommt erstmals eine von der rechten Partei Neu-Flämische Allianz (N-VA) angeführte Regierung. Die politischen Parteien in Belgien hätten sich auf die Bildung einer Regierungskoalition geeinigt, teilte das Büro des belgischen Königs Philippe am Freitagabend mit. Der 54-jährige N-VA-Vorsitzende Bart De Wever soll Premierminister werden und eine Fünf-Parteien-Koalition anführen, der auch Christdemokraten, Sozialisten und liberale Parteien angehören.
Die Koalitionsgespräche hatten sich monatelang hingezogen, da sich die Parteien nicht auf die Haushaltskürzungen, Steuererhöhungen und Rentenreformen einigen konnten, auf denen De Wever bestand, um die Staatsfinanzen der sechstgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zu verbessern. Der 54-Jährige war bislang Bürgermeister der Hafenstadt Antwerpen. Er schrieb nach der Einigung auf der Plattform X „Alea iacta est“ („Der Würfel ist gefallen“).
Ziel der neuen Regierung ist vor allem ein Abbau der großen Schuldenlast sowie der Neuverschuldung Belgiens. Erwartet werden demnach drastische Reformen mit schweren Einschnitten in den Sozialstaat. Wann die Regierung antreten kann, blieb zunächst unklar. Der Termin für die Vereidigung des Premiers und der Regierungsmitglieder werde zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben, teilte der Königspalast mit.
Die N-VA, die unter anderem mehr Autonomie für den wirtschaftsstärkeren Landesteil Flandern anstrebt, war bei der Wahl für eine neue Abgeordnetenkammer im Juni stärkste Kraft geworden, gefolgt von der rechtsextremen flämischen Partei Vlaams Belang. Gemeinsam mit der liberalen Partei MR aus der französischsprachigen Wallonie, den Christdemokraten aus beiden Landesteilen sowie den flämischen Sozialdemokraten soll nun die sogenannte Arizona-Koalition gegründet werden. Der Name kommt zustande, da die Farben der Parteien mit denen der Flagge des US-Bundesstaates übereinstimmen (Gelb, Orange, Blau und Rot). Die Mitte-Parteien werden in der Koalition zusammen weiter eine deutliche Mehrheit haben. Ein radikaler Rechtsruck ist deswegen nicht zu erwarten.
Ende August hatte De Wever das Verhandlungsmandat wegen anhaltender Streitigkeiten unter den Parteien ein erstes Mal niedergelegt. Er war von König Philippe dann aber nach einem kurzen Intermezzo ein weiteres Mal beauftragt worden.
Regierungsbildungen sind in Belgien traditionell schwierig. Das föderale Parlament ist zersplittert, weil die meisten Parteien nicht landesweit antreten, sondern nur im französischsprachigen Süden, im niederländischsprachigen Norden oder aber in der Brüsseler Hauptstadtregion. Der König spielt dabei eine Vermittlerrolle.
Nichtwählern droht in Belgien eine Strafe
Der Chef der liberalen Partei MR aus de Wallonie, Georges-Louis Bouchez, schrieb nach der Einigung auf X: „Heute Abend wird die Zukunft klarer. Für Belgien. Für jeden Belgier. Wir sind bereit.“
Bereits bei der vergangenen Parlamentswahl 2019 hatte die N-VA am meisten Stimmen bekommen, war jedoch in der Opposition geblieben. Erst nach rund 16 Monaten Verhandlungen stand damals die sogenannte Vivaldi-Koalition aus sieben Parteien – den Grünen, den Liberalen und den Sozialdemokraten aus beiden Landesteilen sowie den Christdemokraten aus Flandern.
Insgesamt waren gut acht Millionen Belgierinnen und Belgier zur Wahl aufgerufen. In Belgien herrscht Wahlpflicht. Nichtwählern, die ohne richterlich akzeptierten Grund keine Stimme abgeben, droht eine Strafe.