
Verteidigungspolitiker der Union fordern trotz der deutlichen Ablehnung vom Koalitionspartner SPD, notfalls per Los zu entscheiden, wer Wehrdienst leisten muss. „Ich sehe nicht so, dass das Losverfahren aus dem Rennen ist“, sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp. Trotz des Gegenwinds auch von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sei dies weiterhin eine Option im parlamentarischen Verfahren. Die erste Beratung im Bundestag werde wie geplant am Donnerstag beginnen. Änderungen am Regierungsentwurf seien dabei der „ganz normale Lauf der Dinge“.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Fraktion, Thomas Erndl (CSU), sagte, „das braucht vielleicht bei manchen etwas, bis die Vorteile verstanden werden“. Er sei aber zuversichtlich, „dass wir in jedem Fall eine Art Bedarfswehrpflicht da unterbringen“.
Die Koalitionsfraktionen von Union und SPD hatten die erste Befassung des Bundestags mit dem Gesetzentwurf in der vergangenen Woche kurzfristig auf diese Woche verschoben. Am Dienstag zeichnete sich zunächst ein Kompromiss ab, der dann aber wieder platzte, weil Teile der SPD das Losverfahren nicht mittragen wollten. Dennoch bestätigten beide Fraktionen, dass sie den Gesetzentwurf weiterhin am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wollten.
Pistorius besteht auf flächendeckender Musterung
Pistorius äußerte sich am Tag nach dem Scheitern des Kompromisses demonstrativ gelassen. „Das Ziel bleibt, dass das Gesetz zum 1. Januar in Kraft tritt“, sagte der SPD-Politiker am Rande einer Sitzung des Verteidigungsausschusses des Bundestags in Berlin. „Ich finde das alles weit weniger dramatisch, als es gerade gemacht wird“, fügte er hinzu.
Der Minister bezeichnete die beinahe Einigung des Vortags jedoch als „faulen Kompromiss“. Der Weg über ein Losverfahren, falls sich nicht genügend Rekruten fänden, koste zu viel Zeit. Zudem wäre der Verzicht auf eine umfassende Musterung ein Fehler: „Es geht um die flächendeckende Musterung, die ich einfach brauche für die Einsatzfähigkeit und für die Fähigkeit, im Ernstfall einzuberufen.“
Der SPD-Verteidigungsexperte Falko Droßmann, der die gescheiterte Vereinbarung mit der Union mit vorbereitet hatte, sprach dennoch von einem richtigen Vorgehen: Man habe sich zusammengesetzt, um „neue Wege zu finden“ und nicht unvorbereitet in das parlamentarische Verfahren zu gehen. Dass sich Fachpolitiker zusammensetzten, um eine öffentliche Debatte anzustoßen, sei keine Schwäche, sondern eine Stärke der Demokratie.
Grüne „fassungslos“ über Vorgehen der Koalition
Häme über die Hängepartie in dem Gesetzesvorhaben kam aus der Opposition. Grünenfraktionschefin Britta Haßelmann bezeichnete das Vorgehen der Koalition als „total amateurhaft“. „Ich blicke ziemlich fassungslos auf dieses Chaos dieser Koalition“, sagte Haßelmann im ZDF-Morgenmagazin.
Die Grünenpolitikerin kritisierte dabei auch den eigentlich geplanten und zunächst gescheiterten Kompromissvorschlag, notfalls per Los zu bestimmen, wer Wehrdienst leisten muss. „Die Bundeswehr ist doch keine Losbude, der Wehrdienst keine Lotterie“, sagte Haßelmann. Die Idee eines Losverfahrens werde der Lage nicht gerecht, es müsse auch die Wirkung auf junge Menschen bedacht werden, die angesprochen werden sollen.