Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsausschuss auf die Einführung eines Industriestrompreises für energieintensive Unternehmen geeinigt. Bundeskanzler Friedrich Merz sagte, dass ein vergünstigter Preis von etwa fünf Cent pro Kilowattstunde für die Jahre 2026 bis 2028 gelten solle. Die Gespräche mit der EU-Kommission seien weitestgehend abgeschlossen, sagte Merz. Im Beschluss der Koalition, der der ZEIT vorliegt, heißt es außerdem, dass die bestehende Stromkreiskompensation auf weitere Branchen wie Glasindustrie oder Batteriezellfertigung ausgedehnt werden soll.
Weiter teilte Merz mit, dass die Ticketsteuer im Luftverkehr ab dem 1. Juli 2026 gesenkt werden soll. Er sprach von einer Größenordnung von etwa 350 Millionen Euro zugunsten der Luftverkehrsindustrie in Deutschland. Im Mai 2024 war die Luftverkehrsteuer deutlich erhöht worden, in der Folge kosteten Passagierflüge von deutschen Flughäfen aus mehr. Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD angekündigt, die Erhöhung
zurückzunehmen. Dies ist bisher unter Hinweis auf knappe Kassen aber
nicht passiert.
Deutschlandfonds soll Mittelstand stärken
Mit dem sogenannten Deutschlandfonds will die Koalition den Mittelstand und wachstumsfähige Start-ups fördern. Der Fonds soll laut Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) als „Andockstelle für privates Kapital“ dienen, um neben den
bereits auf den Weg gebrachten öffentlichen Investitionen
private Gelder zu mobilisieren. Zuletzt waren öffentliche Mittel von zehn Milliarden Euro im
Gespräch, die als Anreiz für private Investitionen von 100
Milliarden Euro dienen sollten. Zahlen nannte Klingbeil nicht.
Auch auf eine Kraftwerksstrategie zum Bau von Gaskraftwerken haben sich Union und SPD im Koalitionsausschuss geeinigt. Bereits
2026 sollten acht Gigawatt Leistung ausgeschrieben werden, die
bis 2031 in Betrieb gehen sollen, sagte Merz. Im Beschluss der Koalition heißt es, dass die Kraftwerkstrategie „zentral“ sei, um „auch in einem Stromsystem mit zunehmend erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit rund um die Uhr zu gewährleisten“. Neben den acht Gigawatt Leistung für Gaskraftwerke sollen demnach zwei weitere Gigawatt „technologieoffen“ ausgeschrieben werden.
„Wir machen unsere Hausaufgaben als Regierung“
Die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Klingbeil sehen die Beschlüsse des Koalitionsausschusses
als Zeichen der Handlungsfähigkeit des oft konfliktreichen Bündnisses
mit der Union. Sie sei froh über die Vielzahl der Ergebnisse, sagte Bas
in Berlin. Klingbeil ergänzte: „Wir machen unsere Hausaufgaben als
Regierung.“ Die Koalition habe Fortschritt statt Blockaden versprochen. Das werde nun umgesetzt. Angesichts der „großen Unsicherheit“ in der Industrie hob Bas die Bedeutung der industriepolitischen Entscheidungen hervor.
Auch CSU-Chef Markus Söder stellte die Entscheidungen zum Ankurbeln der Konjunktur heraus. Die deutsche Wirtschaft stehe nach wie vor „extrem“ unter Druck. „Da arbeiten wir hart dagegen“, sagte Söder. Klares Ziel sei, Investitionen in Deutschland zu ermöglichen und Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen.
Klimaschützer empört
Klimaschützer reagierten empört auf die Senkung der
Ticketsteuer. „Das ist wohl ein schlechter Scherz“, sagte der deutsche
Greenpeace-Chef Martin Kaiser der Nachrichtenagentur dpa. Die
Bundesregierung verteile „Steuer- und Preisgeschenke an die fossilen
Industrien“, schwäche Deutschlands Glaubwürdigkeit und heize die
Erderhitzung weiter an. Klimaaktivistin Luisa Neubauer sprach von einem
„als Konsumgeschenk getarnten Steuergeschenk an die Flugindustrie“.