
Klimaschützer und Opposition haben empört auf die vom Koalitionsausschuss beschlossene Rücknahme der Anhebung der Luftverkehrssteuer reagiert. „Das ist wohl ein schlechter Scherz“, sagte der deutsche
Greenpeace-Chef Martin Kaiser über die Pläne von CDU, CSU und SPD. Das Kabinett setze ein falsches
Signal, schwäche Deutschlands Glaubwürdigkeit und verstärke die Erderhitzung. „Während die Staatengemeinschaft auf der COP30 in Belém um die Reduktion von CO₂-Emissionen ringt, verteilt die Bundesregierung Steuer- und Preisgeschenke an die fossilen Industrien“, sagte Kaiser.
Der Bundesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, warf Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und den Koalitionsspitzen von Union und SPD Mutlosigkeit vor. „Zu glauben, die Wirtschaftskrise mit dem Rasieren der Luftverkehrsabgabe und einem Deutschlandfonds zu beenden, ist schon stark vermessen“, sagte Banaszak.
Auch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer übte Kritik. „Mal wieder
beweist der Kanzler sein feines Gespür für explosive Rückwärtspolitik“,
sagte sie – und sprach von einem getarnten Steuergeschenk an die
Flugindustrie nach der erneuten Verteuerung des Deutschlandtickets.
Luftfahrtbranche spricht von „echter Trendwende“
Die schwarz-rote Koalition will zum 1. Juli 2026 die Ticketsteuer im
Luftverkehr senken. Merz sprach von einer Größenordnung von etwa 350
Millionen Euro zugunsten der Luftverkehrsindustrie in Deutschland. Sollte es damit Steuerausfälle geben, würden diese im Verkehrsetat
verbucht. CSU-Chef Markus Söder bezeichnete die Einigung als „ein klares Signal, dass Fliegen in
Deutschland wettbewerbsfähig ist“.
Die deutsche Luftfahrtbranche begrüßte die Pläne der schwarz-roten Regierung. So sprach Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, vom „Beginn einer echten Trendwende“, sein Kollege Michael Engel, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen
Fluggesellschaften, von einem „guten Signal für
den Luftverkehrsstandort Deutschland“. Der Hauptgeschäftsführer des
Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), Joachim
Lang, sagte, die Bundesregierung habe Wort gehalten und „der jahrelang weiter
steigenden Kostenspirale bei Steuern und Gebühren für Luftverkehr ab
Deutschland ein Ende gesetzt“. Es seien jedoch weitere Schritte nötig.
Verbände begrüßen Industriestrompreis – und fordern weitere Schritte
Neben den Änderungen bei der Luftverkehrssteuer einigte sich der Koalitionsausschuss auch auf die Einführung eines Industriestrompreises. Dieser soll laut Kanzler Merz für die Zeit von 2026 bis 2028 für stromintensive Firmen gelten. Angestrebt werde ein Preis von fünf Cent je Kilowattstunde.
Der Industriestrompreis sei „ein nützlicher Baustein, ersetzt aber keine echte Standortoffensive“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. Es brauche Entlastungen bei Energie, Steuern sowie bei der Bürokratie.
Die Gewerkschaft IG Metall mahnte nötige weitere Schritte an. Der Industriestrompreis sei „kein singuläres Allheilmittel, sondern muss mit weiterer kluger Industriepolitik ergänzt werden“, teilte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe mit. Laut Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts
für Weltwirtschaft (IfW), ist das Ziel, die Stromkosten zu senken, zwar richtig – „aber Angebotsausweitung und Strompreiszonen wären die
bessere Antwort als neue Subventionen.“
DIW übt deutliche Kritik an Koalitionsbeschlüssen
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm hält die Beschlüsse nicht für ausreichend. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass eine einzelne Maßnahme
jetzt den großen Durchbruch bringt“, sagte sie mit Blick auf die
geplante Einführung des Industriestrompreises im ZDF. „Also, so richtig
los geht’s noch nicht und es braucht deutlich mehr, als jetzt verhandelt
wird“, sagte die Professorin für Volkswirtschaft.
Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, kritisierte den geplanten Industriestrompreis sowie die Senkung der Ticketsteuer im Flugverkehr. „Die Entscheidungen des Koalitionsausschusses scheinen von Lobbyinteressen getrieben und sind schlecht für die deutsche Wirtschaft“, sagte Fratzscher. So gehe der Industriestrompreis zulasten der Mehrheit der deutschen Unternehmen, die letztlich höhere Energiekosten zahlen müssten.
