Koalitionsausschuss: 2026 kommt es richtig dicke

Wenn niemand anderes es tut, loben sich die Parteivorsitzenden halt selbst: „Diese Koalition ist viel besser als ihr Ruf“, sagt der CSU-Vorsitzende Markus Söder an diesem Donnerstagmorgen im Kanzleramt: „Wir liefern am laufenden Band.“ Kanzler Friedrich Merz, der neben Söder sitzt, legt sogar noch eins drauf: „So umfangreiche Reformen hat es in Deutschland noch nie gegeben“, attestiert er seiner Koalition. Die beiden ebenfalls anwesenden SPD-Vorsitzenden nicken. Vizekanzler Lars Klingbeil versucht sich an einer Art Motivationsansprache, so kurz vor Weihnachten: Er glaube fest daran, dass alle nationalen und internationalen Herausforderungen „lösbar“ seien: „Wir haben die Kraft, diese Entscheidungen zu treffen.“  

Am Abend zuvor hat sich der Koalitionsausschuss, das Entscheidungsgremium der Partei- und Fraktionsvorsitzenden der schwarz-roten Koalition, zum dritten Mal in diesem Herbst getroffen. Die Chefs wirken ein wenig müde, sind aber auch stolz darauf, dass vorab nichts an Journalisten durchgestochen wurde. Nun steht ein drei Seiten langes Beschlusspapier. Zentrales Versprechen zum Jahresende: „Wir werden alle wichtigen Infrastrukturvorhaben schneller bauen.“ 

Kommenden Mittwoch soll das Kabinett dafür ein „Infrastruktur- Zukunftsgesetz“ verabschieden. Das soll vor allem den Straßen- und Schienenneubau beschleunigen. Die Idee: Was der Bund als „überragendes
öffentliches Interesse“ definiert, muss nicht mehr so strenge Umwelt-
und Naturschutzauflagen erfüllen wie bislang. Auch „militärisch relevante Infrastrukturvorhaben“ sollen schneller kommen. Selbst bei weniger wichtigen Infrastrukturprojekten will die Koalition den Umwelt- und Naturschutz im Zweifel abschwächen. Dazu soll bis Februar ein Gesetzesentwurf vorgelegt werden. Denn, so beklagt es Markus Söder: „Jede Maus und jeder Lurch führt dazu, dass wir jahrelange Verzögerungen haben.“  

Wenn für neue Gebäude, die im „überragenden öffentlichen Interesse stehen“, künftig Naturflächen wegfallen, sollen sie nicht wie bisher durch grüne
Flecken an anderer Stelle ersetzt werden, es sollen auch finanzielle
Kompensationen zulässig sein.
Und, bitter für die Umweltverbände: Wer künftig gegen ein Projekt
klagen will, darf nicht mehr ortsfremd sein, sondern muss sich bereits an frühen Planfeststellungsverfahren beteiligt haben. Das solle „Missbrauch“ eindämmen, so das schwarz-rote Papier. 

Die Krankenkassenbeiträge könnten steigen

Auch zur Finanzierung der Krankenversicherung hatte sich der Koalitionsausschuss beraten – und der Kanzler nun gute
Nachrichten zu verkünden: Die Bundesländer hätten den Widerstand gegen
ein Sparpaket in Höhe von zwei Milliarden Euro aufgegeben und
versprochen, den Plänen von Gesundheitsministerin Nina Warken am 19. Dezember im Bundesrat zuzustimmen, sagte Merz.
Hintergrund ist die Sorge, dass wegen steigender Gesundheitsausgaben
bald die Krankenkassenbeiträge der Bürgerinnen und Bürger explodieren
könnten. Um die Beiträge einzufrieren, müssen bei den Ausgaben der Krankenkassen aber Milliarden Euro an Steuergeldern gefunden werden. 

Warken
hatte daher vorgeschlagen, das Budget der Krankenhäuser für 2026 nicht
wie versprochen anzuheben. Dagegen hatte sich Widerstand formiert, nun
sind die Länder offenbar bereit, diese Pläne zum Jahresbeginn erst mal in Kraft treten
zu lassen. Und nach den Ergebnissen der Reform zur Finanzierung der
Krankenversicherungen im Frühjahr neu zu verhandeln. Zu
Beitragserhöhungen für Versicherte könnte es allerdings trotzdem kommen: Viele große Krankenversicherungen haben sie längst für das Jahr 2026 geplant und können so kurz vor Jahresende auch nicht mehr umsteuern. 

Beim Bürgergeld soll bis nächste Woche eine Lösung stehen

Die beiden letzten Koalitionsausschüsse wurden von Aufregung begleitet – es ging etwa um die Rente, das Verbrenner-Aus. Das war dieses Mal anders: Bei den Streitpunkten blieb es diesmal friedlich, da die Koalition sich im Zweifel einfach noch mal vertagte. Auch eine Strategie. So zum Beispiel beim „leidigen Thema Bürgergeld“, wie Friedrich Merz es am Vortag noch nannte. Noch vor Weihnachten soll das Missbrauchspotenzial bei der Sozialleistung gesetzlich verringert werden, das hatte vor allem die Union im Wahlkampf versprochen. Die SPD hingegen pocht auf Ausnahmen, zum Beispiel für kranke Menschen. 

Bundesarbeitsministerin
Bärbel Bas hatte dazu einen Gesetzentwurf erarbeitet, den sie mit allen
Ministerien abgestimmt hatte, wie sie in der Pressekonferenz am
Donnerstagmorgen noch einmal betonte. Doch auf den letzten Metern legten sowohl das Wirtschafts- als auch das Innenministerium – beide unionsgeführt – gegen die Vorlage ein Veto ein. Die Koalition ist sich einig, dass Verweigerern künftig die Sozialleistungen
drastisch gekürzt werden sollen. Allerdings will Bas sie, bevor das passiert, mindestens
noch einmal persönlich vorladen lassen. Die Union
fürchtet, dass Betroffene so die Kürzung weiter verschleppen können, indem sie Vorladungstermine immer wieder verschieben.  

An diesem Donnerstagmorgen waren nun alle bemüht, die regierungsinterne Verzögerung nicht wie politischen Streit aussehen zu lassen. „Völlig normal“ sei es, sagte Merz, dass sich die Fachminister noch mal austauschen. Bärbel Bas räumte zwar ein, sie sei „überrascht gewesen“, dass es so kurzfristig „rechtliche Rückfragen“ zu ihrem Gesetz gegeben habe. Aber bis nächste Woche sei das hoffentlich geklärt.