Kaufen macht Spaß. Das neue Party-Top im Warenkorb sorgt für Vorfreude, der Raclettegrill im Sonderangebot für unschlagbare 14,99 Euro für Euphorie. Bei jedem Einkauf schüttet der Körper den Botenstoff Dopamin aus, der auch als Glückshormon bekannt ist.
Dieser Tage ist es besonders leicht, sich in einen Kaufrausch zu shoppen. Überall werden die Black-Week-Deals und vorweihnachtliche Rabattaktionen angepriesen. Trotz angespannter Konjunkturlage rechnet der Handelsverband Deutschland damit, dass rund um den Black Friday mindestens genauso viel gekauft wird wie in den Vorjahren. Ein Umsatz von knapp sechs Milliarden Euro erwartet der Online-Einzelhandel hierzulande – was einem Viertel des üblichen Weihnachtsgeschäfts entspräche.
Erst lange nach den Festtagen folgt bei den Schnäppchenjägern die oftmals ernüchternde Erkenntnis: So richtig rentiert hat sich der Kauf nicht. Raclettegrills stehen die meiste Zeit irgendwo ganz hinten im Regal. Ein Party-Top wird laut einer Erhebung von Greenpeace im Schnitt nur 1,7-mal getragen, bevor es aussortiert wird.
Der Gegenentwurf zum Black-Friday-Konsum ist in einer belebten Einkaufsstraße im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel zu finden. Hier steht Leoni Lojenburg, 34, in ihrem Vintage-Laden Kleiderei und nimmt eine grün-weiße Bluse von der Kleiderstange. Die Besonderheit: Egal wo man auch sucht, ob am Kragen oder an den Ärmeln der Bluse, nirgendwo ist ein Preisschild zu finden. Stattdessen baumelt ein laminierter Zettel am Bügel. „Leih mich!“ steht darauf. Wie in einer Bücherei können in der Kleiderei einzelne Kleidungsstücke nicht gekauft, sondern lediglich ausgeliehen werden. Für einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von 29 Euro dürfen sich Kunden beliebig oft bis zu vier Teile gleichzeitig mit nach Hause nehmen. Vorübergehend erweitert die Mietmode den heimischen Kleiderschrank, bevor sie frisch gewaschen wieder zurück in den Laden gebracht wird.
Leihen statt kaufen – das Prinzip ist weitverbreitet und seit Langem bekannt. Bereits bevor Menschen das Geld erfanden, tauschten und verliehen sie zahlreiche Waren. Heute kann gegen Geld nahezu alles ausgeliehen werden. Auto, Bohrmaschine, Luxushandtasche, Wintermantel. Vieles spricht dafür, auch den Raclettegrill oder das Party-Top zu leihen – zumindest in der Theorie.
„Über Generationen haben wir verinnerlicht, den Wohlstand eines Menschen an der Summe seiner Besitztümer zu messen“, sagt Dominika Wruk, Professorin für nachhaltiges Unternehmertum an der Universität Mannheim. Kaufen sei noch dazu unfassbar bequem. Wenn der Raclettegrill für 14,99 Euro im Angebot ist, dann würden die meisten nicht darüber nachdenken, ob es nicht auch Wege gibt, den Grill auszuleihen, sagt Wruk. Die Lust am Besitz, das Dopamin beim Kauf, ließen oftmals jegliches Kosten-Nutzen-Kalkül und ökologisches Bewusstsein in den Hintergrund rücken.
Mein Auto. Mein Haus. Mein Boot. Mein Raclettegrill. Für viele sei das nach wie vor der Leitspruch. Auch der Leihservice für Kleidung stößt auf Vorbehalte. Nach einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts kann sich nur ein Drittel der Befragten vorstellen, regelmäßig Teile ihrer Alltagskleidung zu mieten.