
Kaua Santos steht kurz davor, in der Starterposition im Tor zu sein. Früher als gedacht – und genau zum richtigen Zeitpunkt bei Eintracht Frankfurt. Seit dieser Woche trainiert der Torhüter wieder mit der Mannschaft; der 22-Jährige nimmt an Übungen teil, die Trainer Dino Toppmöller am Freitag als zum Teil „sehr intensiv“ einordnete. Seine Knieverletzung – dem Brasilianer riss im April beim Europa-League-Aus gegen Tottenham (0:1) das rechte hintere Kreuzband – scheint Kaua Santos größtenteils überwunden zu haben.
Vergessen der im Rückblick kleine Rückschlag im Trainingslager in den Vereinigten Staaten, als er mit Beschwerden vorzeitig abreisen musste und sich neue Sorgen um ihn einstellten. Doch eine Untersuchung in der Heimat ergab „nur“ eine komplikationslose Reaktion seines Knies: es hatte sich ein bisschen Flüssigkeit angesammelt. Schnell konnte Kaua Santos, der um eine Operation herumgekommen war, zielstrebig wieder seiner Aufbauarbeit zwischen den Pfosten nachgehen. Großes Aufatmen bei den Hessen!
Ein Blitz-Comeback des Brasilianers an diesem Sonntag (13 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zum DFB-Pokal und bei Sky) beim Pokalerstrundenspiel gegen den Oberligaklub FV Engers in Koblenz wird es allerdings nicht geben. Im Tor soll vielmehr Kapitän Kevin Trapp stehen. „Er ist da, trainiert, deswegen stellte ich ihn auf“, sagte Toppmöller. Der Trainer bescheinigte seinem Führungsspieler, „super Einheiten gemacht“ zu haben und „sehr fokussiert“ zu sein. „Seinem Einsatz steht erstmal nichts im Weg.“
Es könnte dann der letzte von Trapp im Eintracht-Trikot sein. Toppmöller teilte nämlich auch mit: „Wie sich das bis Sonntag entwickelt, kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, was ich auf dem Platz wahrnehme.“

Eine gewisse Überraschung ist das voraussichtliche Mitwirken Trapps schon. Nicht, dass Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit bestünden. Aber Trapp ist in Frankfurt mit großer Wahrscheinlichkeit nur noch ein Torwart auf Zeit. Der langjährige Platzhirsch im Tor – er wäre am Main in sein achtes Jahr nacheinander gegangen – steht kurz vor einem Wechsel zum finanzstarken französischen Erstliga-Aufsteiger Paris FC.
Alle Parteien sollen sich in wesentlichen Punkten einig geworden sein, es müssten nur noch Formalitäten geklärt werden, heißt es. Als Ablösesumme für Trapp ist wohl rund eine Million Euro festgelegt worden. Sportlich und wirtschaftlich ist Paris eine verlockende Perspektive für den ehemaligen Nationaltorhüter: Der 35-Jährige bekommt offenbar einen Dreijahresvertrag zu vorzüglichen Konditionen.
Paris ist Trapps zweite Heimat
Die Mehrheit der Anteile an dem Aufsteiger hält der vermögende Unternehmer Bernard Arnault über seine Holding Agache SCA. Seine Familie gilt als die reichste in Europa. An der Seine – dort ist auch Red Bull an dem Projekt beteiligt – ist geplant, dass der Saarländer Trapp als sehr erfahrener Schlussmann das Duo mit Frankreichs U-21-Nationaltorhüter Obed Nkambadio bildet. Viel Eingewöhnungszeit bräuchte der Deutsche sicher nicht.

Nach seiner Zeit bei Paris St. Germain zwischen 2015 und 2018 ist die Hauptstadt zu Trapps zweiter Heimat geworden; dort besitzt er in der Nähe des Eiffelturms eine Wohnung. Wenn Frankfurt für ihn einen Nachfolger gefunden hat, wird der Transfer voraussichtlich über die Bühne gehen – einer, der vor ein paar Wochen noch nicht abzusehen war. Und an dessen Zustandekommen, Stand Freitag, es kaum Zweifel gibt. Auch wenn mit Trapps Berücksichtigung für das Pokalspiel nicht unbedingt zu rechnen war. Solange er jedoch kein anderes Zeichen bekomme – ohne es auszusprechen, meinte Toppmöller Frankfurts Sportvorstand Markus Krösche – werde Trapp das erste Pflichtspiel der neuen Saison absolvieren. Anderenfalls müsste Ersatztorwart Jens Grahl ran.
Bremer Torwart Zetterer als Ersatzmann im Gespräch
Wunschkandidat der Hessen ist bei der Neubesetzung des Postens der 30 Jahre alte Bremer Torwart Michael Zetterer. Eine neue Nummer eins wird die Eintracht nicht engagieren. Der neue Mann muss sich in der Hierarchie hinter Kaua Santos einordnen. Dem jungen Brasilianer, der den Anspruch an sich stellt, zum weltbesten Torhüter aufzusteigen, gehört in Frankfurt die Zukunft. Wobei er schon in der Vergangenheit sein großes Talent nachgewiesen hat: als Trapp verletzt war, lieferte Kaua Santos überzeugende Leistungen in den Spielen gegen Besiktas Istanbul und, im nationalen Geschäft, gegen Bochum und Bayern München ab.
Der 1,97 Meter lange Südamerikaner ist ein Spieler mit großer Präsenz, der trotz seines Alters vor Selbstvertrauen strotzt. Und der auch als gut mitspielender Torhüter agiert, weil er über ansehnliche fußballerische Fähigkeiten verfügt. Damit passt er bestens zur vorgesehenen Spielweise von Dino Toppmöller, die ein intensives Pressing vorsieht. Das birgt Risiken.
Kaua Santos wiederum würde einen weiteren Schritt in seiner Entwicklung machen, wenn er das von ihm bisweilen eingegangene Risiko besser kalkulieren würde. Eines nämlich lässt sich nicht leugnen: Der Brasilianer absolvierte auch Begegnungen wie gegen Mainz, Pilsen und Tottenham, in denen ihm durch schwer nachvollziehbare Aktionen vermeidbare Fehler unterliefen. Eine war besonders gravierend: Als Kaua Santos den spielentscheidenden Elfmeter im Duell mit Tottenham verursachte, verletzte er sich schwer am Knie. Sein scheinbar unaufhaltsamer Aufstieg zur neuen Stammkraft war erst einmal gestoppt.
Jetzt ist der Status der dauerhaften Nummer eins für den Brasilianer zum Greifen nah. Kaua Santos sei „auf einem guten Weg. Wir führen ihn langsam an die Gruppe heran“, sagte Toppmöller. Im Hinblick auf dessen bevorstehende Genesung soll Trapp in den vergangenen Wochen von Frankfurts Sportlicher Leitung mitgeteilt worden sein, dass er wohl schon bald ins zweite Glied rücken müsse.
Auch das dürfte Trapp dazu bewogen haben, die „Flucht nach vorne“ nach Frankreich anzutreten. In seinen – eingedenk seiner ersten Eintracht-Zeit – insgesamt zehn Jahren am Main hütete er in 383 Pflichtspielen das Tor; eine weitere Partie könnte nun noch dazukommen. Kaua Santos hingegen blickt bisher in Frankfurt auf 14 Einsätze zurück. Sein aktueller Marktwert beträgt laut „tranfermarkt.de“ 2,5 Millionen Euro. Irgendwann soll er um ein Vielfaches höher sein und mehr als 40 Millionen Euro erreichen – dafür muss Kaua Santos in Frankfurt als dauerhaft überragender Torhüter richtig durchstarten. Das dürfte schon in Kürze der Fall sein.