Kehrt Sebastian Vettel in die Formel 1 zurück? – Sport

Darin, seinen aktuellen Lebensmittelpunkt zu verschleiern, ist Lewis Hamilton immer noch weltmeisterlich. Im fliegenden Wechsel taucht der britische Ferrari-Pilot mal in einer italienischen Pizzeria, dann im Silicon Valley oder beim Joggen in Vancouver auf. Seine gut 40 Millionen Abonnenten auf Instagram folgen dem schnell geschnittenen Verwirrspiel gebannt und sind wie der sportliche Hauptdarsteller vielleicht sogar einigermaßen froh, dass dort momentan wenig Formel-1-Realität zu sehen ist.

Interessant ist, dass Sebastian Vettel, dessen digitale Gefolgschaft zehnmal kleiner ist als die von Hamilton, in jüngster Zeit einwandfrei mit dem Rekordchampion mithalten kann: hier eine Expedition zum Amazonas, dort ein Abstecher zum Segel-Grand-Prix vor Manhattan, dann beim Gemüseanbau am Bodensee. Die Motive mögen sich unterscheiden, Vettel legt, wie Hamilton, ein gewisses Sendungsbewusstsein an den Tag. Darauf ist auch sein persönlicher Claim gemünzt: „Es gibt immer noch ein Rennen zu gewinnen.“

Vielleicht bald schon wieder ein paar mehr davon. Die Anhänger des vierfachen Formel-1-Champions wurden zumindest jüngst von einem Filmchen namens „Goodbye Red Bull“ auf seinem Social-Media-Kanal verwirrt. Die Personalie Vettel ist jedenfalls eines der heißesten Gerüchte im Fahrerlager vor dem Großen Preis von Österreich an diesem Wochenende.

Ins Gespräch bei Red Bull, für dessen Teams er von 2007 bis 2014 gefahren ist, hat sich Vettel im Podcast „Sport am Sonntag“ des ORF selbst gebracht. Seit er über ein einige Wochen zurückliegendes Gespräch berichtet hat, gilt der 37-Jährige als möglicher Nachfolger des Red-Bull-Rennstallberaters Helmut Marko, 82. „Wir sind im Austausch, auch was das Thema angeht“, bestätigte Vettel. Allerdings mit der Einschränkung: „Vielleicht noch nicht so intensiv und in der Tiefe. Aber ich kenne seine Position sehr gut aus meiner aktiven Zeit.“

Der Grazer Jurist und Hotelier firmiert unter der Berufsbezeichnung Konsulent, ist Stratege, Sprachrohr und vor allem für die Nachwuchsförderung beim Getränkerennstall zuständig. 17 Rennfahrer hat er in die Königsklasse gebracht, darunter Vettel und den amtierenden Champion Max Verstappen. Marko hat einen internen Machtkampf mit dem britischen Teamchef Christian Horner im Vorjahr auch deshalb überlebt, weil sich Verstappen auf die Seite seines Mentors stellte. Auch Vettel konnte immer gut mit dem väterlichen Freund. Marko kokettiert schon ein Weilchen damit, dass er bald aufhören werde, tatsächlich läuft sein Vertrag noch mindestens bis Ende kommenden Jahres.

„Ich verstehe mich nach wie vor super mit Helmut“, kommentierte Vettel die Gerüchte über eine zweite Karriere im Rennstall. Die lebten jüngst auch dadurch wieder auf, dass der 2022 zurückgetretene Rennfahrer einen viertägigen Management-Kurs an der Universität von Harvard erfolgreich abgeschlossen hat. Marko indes hat seinen ehemaligen Schützling inzwischen häufiger als „idealen Nachfolgekandidaten“ bezeichnet.

Ob sich Vettel solche aufreibenden Machtkämpfe wie bei Red Bull überhaupt antun will?

Fraglich ist allerdings, ob es eine Ausnahmestellung wie die von Marko künftig noch geben wird oder ob dessen Position auf mehrere Verantwortliche verteilt wird. Bei Red Bull haben die Konzernleitung um Geschäftsführer Oliver Mintzlaff und die Rennabteilung mit Christian Horner zwar ihre Konflikte offiziell beigelegt. Das Gerangel auch mit den thailändischen Mehrheitseigentümern scheint jedoch nicht restlos ausgestanden zu sein.

Ob sich Sebastian Vettel solche aufreibenden internen Machtkämpfe antun möchte? Seit seinem Rücktritt hat der Familienvater seine Aktivitäten in Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Diversität verstärkt, ist in seiner Schweizer Wahlheimat bei einem Bauern in die Lehre gegangen. Vor allem die aufwendigen Reisen hatten Vettel beim Gedanken an ein Comeback als Rennfahrer stets abgeschreckt; und auch künftig dürften ihn die vielen Flugmeilen kaum locken – Marko ist bei allen 24 Grand-Prix-Rennen anwesend und kümmert sich auch sonst laufend um den großen Förderkader von Red Bull.

„Sebastian hat immer eine gute Beziehung zu Helmut gepflegt“, sagte der auf eine mögliche Rückkehr Vettels angesprochene Max Verstappen in Spielberg. „Ich bin mir sicher, dass für jemanden wie ihn immer Platz bei Red Bull sein wird, in welcher Form auch immer.“ Unbestritten ist, dass Vettel in der Motorsportbranche immer noch gut vernetzt ist, seine Erfahrung, seine Erfolge und sein Ideenreichtum sind anerkannt. Seine Begeisterung für den Motorsport lodert ebenfalls noch, allerdings hat sich inzwischen der Fokus verschoben: „Ich bin weniger interessiert daran, welche Reifenmischung gerade wie lange hält, aber viel mehr daran, wie die Fahrer ticken, die Dynamiken, die Psyche dahinter.“

Ob es zu einem Comeback bei Red Bull kommen wird, dürfte auch davon abhängen, ob er in eine Konzernstruktur passt – oder passen will. Vettel dürfte ahnen, dass Marko – egal in welcher Position – kaum zu ersetzen ist. „Ich glaube, er wird schon spüren, wenn die Zeit dann reif ist“, so Vettel. „Es wäre schön, wenn die Arbeit, die Helmut hineingesteckt hat, auch weitergeführt wird. Von wem auch immer.“