
Karoline Leavitt machte gleich in ihrer ersten Pressekonferenz klar, welcher Ton künftig herrschen würde. Auf die Frage, was Donald Trump tue, um die Preise für Amerikaner zu senken, ging die 27 Jahre alte Sprecherin des Weißen Hauses Ende Januar zum Angriff über. Die Eierpreise, über die viele Medien schrieben, seien unter Joe Biden gestiegen, „als dieser im Amt war – oder oben in der Residenz geschlafen hat, da bin ich mir nicht so sicher“. Dass das kein Ausrutscher war, zeigen seither viele Aussagen.
Erst am vergangenen Wochenende lud Leavitt auf ihrem Instagram-Kanal ein Foto hoch, wie sie die Air Force One besteigt, und schrieb dazu: „Das sind die Stufen, die Biden früher hochgestolpert ist.“ Die junge Frau hatte sich Trumps Sprache schon als Sprecherin der Wahlkampfkampagne zu eigen gemacht. Nun ist sie als jüngste Sprecherin in der amerikanischen Geschichte zum MAGA-Sprachrohr im Weißen Haus geworden.
Leavitt sagt über sich selbst, sie sei nicht politisch großgezogen worden, doch das Aufwachsen im Swing State New Hampshire habe ihr politisch „die Augen geöffnet“. Den Eltern gehört ein Eisladen in ihrem Heimatort Atkinson und ein Gebrauchtwagenhandel ein paar Kilometer weiter. Trump sprach im Wahlkampf 2016 von den „vergessenen Männern und Frauen“ Amerikas, und Leavitt dachte an die Leute aus Atkinson: kleine Unternehmen, Mittelklasse, harte Arbeiter. „Das hat mich angesprochen“, erzählte sie später in einem Interview. Leavitt durfte damals zum ersten Mal wählen und hat seither nach eigener Aussage immer für Trump gestimmt. Er erinnere sie an ihren Vater, sagt sie. Der habe sich zum erfolgreichen Geschäftsmann hochgearbeitet und dabei von niemandem Almosen angenommen. Und außerdem sage er, was er denke.
Leavitt will gegen die „Fake-News-Medien“ kämpfen
Leavitts Eltern haben nicht studiert, ihre zwei Brüder arbeiten in den Unternehmen der Eltern. Doch sie selbst habe schon als Kind Reporterin werden wollen, erzählt sie. Nach dem Schulabschluss 2015 studierte Leavitt mithilfe eines Softball-Stipendiums Kommunikation und Politikwissenschaften an der katholischen Privatuniversität Saint Anselm College, gab den Sport jedoch bald zugunsten einer politischen Laufbahn auf. In ihren Jahren an der linksliberal geprägten Hochschule schrieb Leavitt hin und wieder für die Hochschulzeitung, doch schon der erste Meinungsbeitrag im „The Saint Anselm Crier“ war eine Generalabrechnung mit linksliberalen Medien, die Trump gegenüber „unfair und manchmal einfach nur falsch“ seien, schrieb sie 2016. Diesen „Kampf“ führt Leavitt nun im Briefing Room weiter.

Wie weit Leavitts Abneigung gegen die angeblichen Mainstreammedien seither gediehen ist, wurde jüngst in einem Podcast deutlich. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses beschrieb, wie sie auf Anfragen antworte: Anstatt inhaltlich darauf einzugehen, schaue sie häufig die zitierten Fachleute nach, die sich oft angeblich als „von George Soros finanzierte Spender der Demokraten“ herausstellten. „Das kopieren wir dann einfach aus Wikipedia rein“, sagte Leavitt. „Nach dem Motto: Dieser Experte, Arschloch?“ An einer anderen Stelle des Podcasts „Ruthless“ äußerte Leavitt, sie habe „die Zeit ihres Lebens“ in ihrem neuen Job. Als einer der Podcasts-Hosts auf die „Frustration mit Mainstreammedien“ zu sprechen kam, gab Leavitt lachend zurück: „Wie viel Zeit hast du?“
Gleich in der ersten Pressekonferenz kündigte Leavitt an, künftig würden im Briefing Room im Sinne des ersten Verfassungszusatzes neue Medien zugelassen, „um die Botschaft des Präsidenten so vielen Amerikanern zuzutragen wie möglich“. Zu den ersten Neuzugängen gehörte der „Ruthless“-Podcast, dessen Hosts Leavitt in dem Gespräch Ende Februar mit Lob für ihre Arbeit überschütteten. Leavitt hatte schon als Sprecherin im Wahlkampf gesagt, es sei ihr ein großes Vergnügen, tagtäglich „gegen die Fake-News-Medien zu kämpfen“. Nun lautet die Darstellung des Weißen Hauses so, dass eine „feindlich“ gesinnte Presse in Washington Trumps Handlungen nicht wahrheitsgemäß darstellt. Dafür müssten sie „zur Rechenschaft gezogen“ werden.
Vier Tage nach der Niederkunft wieder im Einsatz
Das erste Exempel statuierte Leavitt an der Nachrichtenagentur AP. Weil sie den von Trump willkürlich in „Golf von Amerika“ umbenannten „Golf von Mexiko“ immer noch so nennt, ist ihr die Akkreditierung fürs Weiße Haus entzogen worden. Auch die Besetzung des sogenannten Press Pool, der den Präsidenten in vielen Fällen begleitet, wird künftig nicht mehr von der unabhängigen „White House Correspondent’s Association“, sondern vom Weißen Haus kontrolliert. Als der New-York-Times-Journalist Peter Baker auf der Plattform X schrieb, dieser Schritt erinnere ihn an den Kreml früher, schrieb Leavitt, die Reaktion sei „hysterisch“. Es seien lediglich die Zeiten vorbei, „in denen linke Stenographen, die sich als Journalisten ausgeben“, vorgeben, was gefragt werde.
Wenn Karoline Leavitt im Presseraum des Weißen Hauses ans Rednerpult tritt, trägt sie um den Hals in der Regel eine Kette mit einem gut sichtbaren Kreuzanhänger. Anfang Februar ging der neue demokratische Kongressabgeordnete Dave Min sie im Zuge der Debatte um das Einfrieren aller Bundesmittel an, sie trage zwar ein „gigantisches Kreuz um den Hals, um alle wissen zu lassen, wie fromm und moralisch sie ist“. Doch in Wahrheit kämen Leavitt „Lügen“ gegenüber Hunderten Millionen Amerikanern leicht über die Lippen. Sie kommentierte das mit den Worten, es sei „erbärmlich“, dies über jemanden zu sagen, dem man nie begegnet sei. Ihr christlicher Glaube spiele eine große Rolle in ihrem Leben.

Wie wichtig Leavitt ihr Beruf ist, zeigte sich spätestens im vergangenen Sommer. Vier Tage nachdem sie ihren ersten Sohn Nicholas geboren hatte, stand sie wieder für Interviews vor der Kamera. Sie war gerade erst aus dem Krankenhaus nach Hause gekommen. Doch Trump war tags zuvor bei dem Mordanschlag in Pennsylvania mit dem Leben davongekommen, und Leavitt sah es als ihre Pflicht an, angesichts der „Wichtigkeit“ der Themen wieder für ihn unterwegs zu sein. Über das Leben als Pressesprecherin und Mutter eines sieben Monate alten Sohnes sagte Leavitt jüngst, sie wolle ehrlich sein, es sei viel.
Für die Siebenundzwanzigjährige ging es in den vergangenen eineinhalb Jahren Schlag auf Schlag: Verlobt im Dezember 2023, eine Hochzeit im kleinen Kreis, Wahlkampfsprecherin Trumps, das erste Kind im Juli 2024, Pressesprecherin des Weißen Hauses im Januar 2025. Leavitts Mann ist der Immobilienunternehmer und Multimillionär Nicholas Riccio, der 32 Jahre älter ist als sie. Sie spricht von einer „atypischen Liebesgeschichte“, doch er sei ihr größter Unterstützer und halte ihr den Rücken frei. Der Sohn Nicholas Jr. sei außerdem gut für die Bodenhaftung, scherzte sie jüngst. Der interessiere sich nämlich nicht für ihren Beruf, sondern wolle spielen und kuscheln, „und ich schaufele mir Zeit dafür frei, wann immer ich kann“.
Ihre Kandidatur blieb erfolglos
Als Leavitt im vergangenen November gefragt wurde, ob sie überrascht sei, dass Trump sie zur Sprecherin mache, antwortete die junge Frau: nein, nicht so recht. Schließlich habe sie diesen Job im Wahlkampf schon eineinhalb Jahre gemacht. Und dass sie die jüngste White-House-Sprecherin der Geschichte werde, das habe sie erst aus den Medien erfahren. Doch Leavitt hatte schon länger auf diesen Posten hingearbeitet. Im Studium bewarb sie sich, ohne jemals in Washington gewesen zu sein, im Weißen Haus unter „Trump 1.0.“ und wurde Praktikantin in der Abteilung für präsidentielle Kommunikation, wo Schriftsätze im Namen des Präsidenten verfasst werden. Zurück an der Universität schrieb sie zwei weitere Meinungsbeiträge: einen über die angebliche linksliberale Befangenheit ihrer Professoren und einen über die Richtigkeit des Trump’schen „Muslim Ban“.
Nach ihrem Studienabschluss 2019 kehrte Leavitt kurz in ihre alte Abteilung im Weißen Haus zurück, nutzte dann aber sofort die Möglichkeit, sich bei Trumps vierter und letzter Pressesprecherin der ersten Amtszeit vorzustellen, Kayleigh McEnany. Leavitt wurde damals stellvertretende Pressesprecherin und lernte, Trumps Botschaft in die Welt zu tragen. McEnany sagte ihr zum Ende der Amtszeit 2021 schon eine glänzende Karriere voraus. Leavitt sagte im Rückblick einmal, sie habe „immer alle Möglichkeiten genutzt“.
Sie blieb auch nach dem Sturm auf das Kapitol und Trumps unrühmlicher Abreise aus Washington Anhängerin des Republikaners. Im Juli 2021 bewarb sich Leavitt um den Abgeordnetenposten in ihrem Heimatbezirk in New Hampshire. Leavitt trat gegen einen moderateren Republikaner an und schlug den entgegengesetzten Weg ein: Sie warb mit ihren 24 Jahren für einen Generationswechsel, sprach über die 2020 von Trump „gestohlene“ Wahl und warf ihrem Konkurrenten vor, er gehöre dem „Sumpf“ in Washington an. Der Ton verfing. Obwohl mehrere moderatere Republikanergruppen Millionen in den Wahlkampf ihres Gegners einspeisten, gewann Leavitt die Vorwahl mit mehr als zehn Prozentpunkten, unterlag aber schließlich dem demokratischen Amtsinhaber. Doch Trump, der Loyalität schätzt, dürfte Leavitt spätestens danach auf dem Zettel gehabt haben. Heute spricht sie im Weißen Haus in seinem Auftrag.