Kampf um Gleichberechtigung – Schmid und „die größere Baustelle“

Katharina Schmid (l.) und Julia Kleine im Wintersport-Podcast


interview

Stand: 18.12.2025 04:59 Uhr

Skispringerin Katharina Schmid spricht Wintersport-Podcast über ihren langen Kampf um Anerkennung im Frauen-Skispringen, über strukturelle Hürden und warum Meilensteine wie die wohl im kommenden Jahr auch bei den Frauen stattfindende Vierschanzen-Tournee längst überfällig sind.

Sportschau: Wenn du auf deine Karriere zurückblickst – gab es einen Moment, in dem dir klar wurde, dass Frauen im Skispringen nicht nur um Weiten und Siege kämpfen, sondern auch um Anerkennung?

Katharina Schmid: Ja, es gab so einen Moment. Als Kind, als ich angefangen habe, hat mich mein Lehrer gefragt, was mein Ziel ist. Ich meinte: Die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Er sagte dann, dass es die aber ja gar nicht für Damen gibt. Und ich dachte nur: Ach so, komisch, das gibt es ja gar nicht.

Aber ich habe mir das trotzdem in den Kopf gesetzt als Ziel damals. Und ich bin ganz froh, dass es das mittlerweile gibt. Aber irgendwann wird einem so bewusst: Hey, wir dürfen gar nicht genau das Gleiche machen wie die Jungs. Wir haben gar nicht die Möglichkeit dazu, das Gleiche zu machen, obwohl wir das Gleiche trainieren.

Sportschau: Jetzt gibt es wohl den nächsten Meilenstein: die Vierschanzen-Tournee für Frauen. Hätte es die Tournee nicht schon längst auch für Frauen geben müssen?

Schmid: Es ist schon etwas, was längst überfällig ist. Wir haben große Schritte gemacht, haben viel erreicht die letzten Jahre. Aber gerade so etwas wie eine Vierschanzentournee, wo wirklich alle Augen auf Skispringen gerichtet sind, bei den Herren das Highlight jeden Winter ist, fehlt uns einfach noch.

Ich hoffe, dass es wirklich nächstes Jahr kommt. Ich kann mich langsam schon selber nicht mehr jammern hören, sage ich immer. 

Schmid: „Es ist wichtig, dass man uns hört“

SportschauIhr habt ja dadurch, dass ihr laut seid, auch öffentlich Druck aufgebaut. War das wichtig, damit sich auch was bewegt?

Schmid:  Ich glaube schon, dass es wichtig ist, dass man uns hört, dass wir uns stark dafür machen. Ich weiß nicht, ob es immer bei allen so gut ankommt, aber ich versuche, mich dafür einzusetzen. Wenn man ganz vorne mitspringt, wird man eher gehört. Und ich nutze das dann schon aus.

Sportschau: Gab es dann auch Momente, wo ihr gezweifelt habt, ob ihr diesen Weg weitergehen wollt, öffentlich laut sein wollt?

Schmid: Wir hatten schon ab und zu das Gefühl, dass wir nicht gehört werden, auch nicht gehört werden wollen. Dass wir uns zwar schon stark machen können, aber dass es halt gar nichts bringt.

Sportschau: Guckst du auch manchmal auf andere Sportarten und deren Bemühungen um Gleichberechtigung? Biathlon zum Beispiel, oder Ski alpin?

Schmid:  Ja, man vergleicht es natürlich schon mit anderen Sportarten. Gerade in Deutschland mit Biathlon. Die Damen sind und waren in der Vergangenheit so erfolgreich und sind gleichberechtigt. Sie haben die Wettkämpfe, sie haben das Publikum. Im Biathlon war es, fand ich, die letzten Jahre sogar so, dass die Damen mehr gesehen wurden als die Herren. Und ich glaube schon, dass das ein Ziel ist für den Damen-Skisprung – dass wir da auch hin können und wollen.

Schmid über die FIS: „Das ist die größere Baustelle“

Sportschau: Hast du das Gefühl, dass ihr als Athletinnen aktiv mitgestalten könnt? Dass ihr vom Verband gehört werdet?

Schmid: Ich glaube, dass wir tatsächlich in unserem Verband schon gehört werden, gesehen werden. Wir dürfen unsere Meinungen auch äußern. Ich weiß nicht, ob es immer da ankommt, wo wir es gerne hätten. Aber ich habe schon das Gefühl, dass der Verband sich mehr für uns einsetzt. Gerade jetzt, was die Two-Nights-Tour angeht. Ich glaube, da sind wir schon ganz gut aufgestellt in Deutschland.

Sportschau: Wie ist das denn mit dem internationalen Verband?

Schmid: Das ist, glaube ich, die größere Baustelle. Schwierig. Ich weiß von unserer Athletensprecherin – mittlerweile ehemalige Athletensprecherin – Eva Pinkelnig, die gesagt hat, sie saß in den Sitzungen mit drin. Sie durfte schon was sagen, aber es wollte niemand zuhören. Ihr wurde ins Wort reingesprochen, Worte wurden verdreht.

Sie ging ganz oft aus den Sitzungen raus und wollte sich schon stark machen für uns Damen, aber sie meinte dann: Okay, ich glaube, es hat niemand interessiert, was wir wollen. Sie hat gesagt, sie hat alles vorbereitet, aber sie konnte nie alles sagen. Und das finde ich dann schon hart. Das ist krass.

Schmid: „Ich war in Lillehammer nah dran“

Sportschau: Lass uns noch auf die sportliche Situation blicken. Die Two-Nights-Tour steht vor der Tür. Was glaubst du, welche Springerin wird ganz vorne sein?

Schmid: Ich glaube, es gibt dieses Jahr viele, die die Möglichkeit haben, vorne dabei zu sein. Nika Prevc und Nozomi Maruyama sind natürlich im Moment schwierig zu schlagen. Aber ich glaube, es ist nicht unmöglich. Aus unseren eigenen Reihen haben wir letztes Wochenende die Seli (Selina Freitag, Anm. d. Red.) gesehen, die auch am Podest gekratzt hat. Ich war in Lillehammer recht nah dran. In so einem Wettkampf kann immer alles passieren.

Sportschau: Wer ist für dich der Tournee-Favorit bei den Männern?

Schmid: Domen Prevc springt gerade ultra stark, aber ich glaube, auch er ist nicht unschlagbar. Bei den Deutschen ist auch viel drin, gerade mit dem Hille (Philipp Raimund, Anm. d. Red.), der so einen Lauf hat, ständig jetzt aufs Podest springt. Wäre natürlich schon cool, so bei der Tournee in Hille seinen ersten Weltcup-Sieg zu feiern. Aber auch für Felix Hoffmann ist alles möglich.

Das gesamte Interview mit Katharina Schmid gibt es in der kompletten Podcast-Folge. Unter anderem spricht Schmid über ihre Freundesgruppe, die „Flamingo-Girls“, Medienberichterstattung im Skispringen und den Druck, der auf formschwächeren Athleten wie Andreas Wellinger oder Karl Geiger lastet.