

Die Messe Gießen muss keine Räume an die AfD vermieten. Das sagt der Rechtswissenschaftler Steffen Augsberg. Der Gießener Professor für Öffentliches Recht widerspricht damit einer Aussage der privat geführten Messegesellschaft.
Das Unternehmen hatte angesichts der vielstimmigen Kritik an der Vermietung argumentiert, sich an bestehendes Recht zu halten. Messe Gießen GmbH sei als eigenständige juristische Person eingebunden in das deutsche Rechtssystem und habe die Gesetze einzuhalten, und zwar unabhängig von Haltung, Meinung oder persönlicher Auffassung von Gesellschaftern oder Mitarbeitern. Das Unternehmen müsse alle zugelassenen Parteien gleich behandeln.
„Die Messe hätte sagen können: Wir machen das nicht“
Das ist laut Augsberg aber nicht so. Die von der Messe angesprochene Pflicht gelte dem Parteiengesetz zufolge nur für die Träger öffentlicher Gewalt. Dazu gehörten die Kommunen und deren Beteiligungen und Eigenbetriebe – nicht aber private Gesellschaften. „Die Messe hätte sagen können: Wir machen das nicht“, sagte Augsberg der F.A.Z. mit Blick auf die Vermietung an die AfD. Das Unternehmen könne sich seine Vertragspartner schließlich selbst aussuchen.
Die Messe Gießen müsse schon gar keinen Mietvertrag mit der Bundes-AfD schließen. Das Treffen zur Neugründung ihrer Jugendorganisation der Partei könnte auch andernorts in Deutschland abgehalten werden. Der Messe komme in dieser Sache kein Monopol zu. Insofern weist der Jura-Professor auch die Einschätzung der Messe zurück, dass die Partei die Räume hätte einklagen können. Das Unternehmen hatte demgegenüber argumentiert, nach den Absagen aus Marburg und Wetzlar bleibe in Mittelhessen für das Gründungstreffen nur noch ihr Hessenhallen-Gelände. Ein Vertragszwang wäre aber schon wegen möglicher Nachteile für Betrieb und Belegschaft problematisch, gab Augsberg zu bedenken.
Schon im Streit um eine mögliche abermalige Vermietung an die Ausrichter des wegen massiver Proteste zweimal in Gewalt ausgearteten Eritrea-Festivals hatte die Messe jeweils angeführt, „diskriminierungsfrei“ vermieten zu müssen. Diese beiden Fälle waren aber anders gelagert, wie Augsberg hervorhob. Mit Blick auf die Ausrichter des Eritrea-Festivals gelte das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und nicht das Parteiengesetz. Jemanden nach Herkunft oder Religion als Mieter auszuschließen, wäre ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Die Messe hatte trotzdem wegen des nach den Gewaltexzessen aufgebauten öffentlichen Drucks im Sommer 2023 erklärt, für das Eritrea-Festival fortan keine Räume mehr zur Verfügung zu stellen. Die Messegesellschaft steht in Gießen in der Kritik, weil sie zum wiederholten Male die Hessenhallen einem Mieter überlässt, der weitreichende Proteste hervorruft.
„Am Ende nützen die Proteste nur der AfD.“
In der Lokalpresse ist die Rede davon, das Unternehmen nehme die Stadt und ihre Bewohner abermals in Geiselhaft. Händler fürchten am ersten Adventssamstag um einen erheblichen Teil ihrer Umsätze, weil viele Kunden angesichts der Proteste von einer Fahrt in die Stadt abgehalten werden könnten. Allein das Aktionsbündnis Widersetzen ruft in ganz Deutschland zu Protesten in der Uni-Stadt auf und rechnet nach eigenen Angaben mit mehr als 200 Bussen, also mehr als 10.000 Teilnehmern. Dazu gibt es Aufrufe etwa aus der Schweiz, darunter mindestens einen, den die Polizei als Aufforderung zur Gewalt einstuft.
Augsberg meint deshalb: Mögliche Probleme für die Polizei fielen dann nicht auf die AfD zurück. Auch Sitzblockaden seien rechtlich nicht unproblematisch. Das Bundesverfassungsgericht habe erst vor einigen Tagen eine Strafe für die Teilnahme an einer Sitzblockade bestätigt.
„Mir fehlt das Diskursfreie“, bemängelt Augsberg am Bestreben, das Treffen in Gießen zu verhindern. Die deutsche Demokratie sei wehrhaft. „Wir müssen aber aufpassen, dass wir rechtsstaatliche und demokratische Standards nicht beschädigen“, sagte er. „Am Ende nützen die Proteste nur der AfD.“ Die von ihr angeführten Themen blieben.
