Jürgen Klopp wird beim 20. Deutschen Fußball-Kulturpreis ausgezeichnet – Sport

Es dauerte keine zehn Sekunden, ehe Jürgen Klopp das Publikum auf seiner Seite hatte. „Ich nehme das gelbe Mikro“, sprach der einstige Dortmunder ins blaue Mikro, schritt zum Pult und tauschte es aus. Natürlich nimmt Jürgen Klopp kein blaues Mikrofon in die Hand, wenn er auch ein gelbes haben kann. Es war der erste von einer kaum messbaren Zahl an Lachern, die Klopp am Freitagabend beim 20. Deutschen Fußball-Kulturpreis 2025 zündete. Er beriet die Zuschauer mit Tipps für den nächsten Kinobesuch („Kanu des Manitu“ unbedingt schauen! „Graf von Monte Christo“ nicht unbedingt), scherzte über seinen alten Freund Aki Watzke, der im Publikum saß und veräppelte sich selbst. Einen Preis nahm er natürlich auch noch entgegen. Die große Bühne, Klopp mag sie doch noch irgendwie. Aber mittlerweile nur noch dosiert.

Die Stand-Up-Einlage von Klopp war der letzte Akt des Abends in der Nürnberger Tafelhalle. Red Bulls Head of Global Soccer erhielt dort am Freitagabend von der Deutschen Akademie für Fußballkultur den Walther-Bensemann-Preis, für seine Verdienste „als exzellenter Fußballlehrer, als Humanist, als Humorist, als Brückenbauer“, wie Kicker-Redakteur Thiemo Müller in seiner Laudatio sagte. Seit 2006 wird mit dem Preis eine Person ausgezeichnet, die im Sinne der Völkerverständigung Besonderes für den Fußball geleistet hat. Mit seiner „Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit“ habe Klopp nicht die Titel, sondern stets die Entwicklung der Menschen um ihn herum in den Vordergrund gestellt, sprach Laudator Müller. Natürlich fiel in dessen Rede auch der Begriff „Messias“. Es war fünf vor Lichtgestalt in der Tafelhalle.

Der „Messias“ nahm die Worte nickend zur Kenntnis, ehe er auf die Bühne stapfte. Ein kleines Wunder, dass Klopp, trotz des ganzen Honigs, der ihm bereits ums Maul geschmiert worden war, noch reden konnte. Tat er dann trotzdem und schlüpfte in sein Element. Auf der Bühne stand nicht der Fußballfunktionär Klopp aus dem bei vielen Fußballfans so verhassten Brauseimperium, sondern der nette Jürgen von nebenan, der wann immer er den Mund öffnete, für Gelächter sorgte.

Das gelang ihm auch, als er selbst den Elefanten im Saal ansprach: „Ich habe es der Jury nicht leicht gemacht, mich hier mit dem Preis auszuzeichnen“, feixte er angesprochen auf seinen Job bei Red Bull. Für viele Fans, insbesondere aus Mainz, Dortmund und Liverpool, grenzte es an Höchstverrat, als ihr Kloppo – ein Fußballromantiker und Traditionalist zum Anfassen – im Januar ausgerechnet beim Getränkekonzern einstieg, nachdem er erst ein halbes Jahr zuvor sein Traineramt beim FC Liverpool nach neun Jahren abgelegt hatte.

Tradition beginnt in dem Moment, wo man sie zulässt.

Jürgen Klopp

Als ihn Sportstudio-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein, die durch den Abend führte, auf die Kritik gegenüber RB-Vereinen ansprach, ließ Klopp den lustigen Onkel Jürgen kurz in der Tasche stecken: „Wir haben auf der Welt ganz viele Probleme“, sprach der prämierte Brückenbauer, Red Bull im Fußball sei „keins, was zu den großen gehört“. Er wolle, dass es den Leuten in einem Verein „besser geht, als wenn ich nicht da wäre. So einfach ist das“. Da sei ihm egal, ob ein Verein 20, 30 oder 40 000 Zuschauer im Stadion habe.

Es wirkte nicht so, als wollte Klopp sich in seiner Rede bei den Fußballfans rechtfertigen für das, was er seit Januar bei Red Bull tut. Er plauderte über seinen neuen Beruf, als säße er in einem Bewerbungsgespräch. Klopp schwärmte von seiner Arbeit, er reise und telefoniere sehr viel, sei dank seiner neuen Stelle zum ersten Mal in Japan und Brasilien gewesen; dort sitzen in RB Omiya Ardija und Red Bull Bragantino zwei Vereine aus dem Brausekosmos. „Tradition beginnt in dem Moment, wo man sie zulässt“, philosophierte er. Wie die Blicke der anwesenden Christian Heidel und Hans-Joachim Watzke (Klopp: „Mein Entdecker und mein Katalysator“) bei diesem Satz aussahen, ist nicht überliefert.

Nach fünfzehn Minuten auf der Bühne fiel Klopp ein, dass er sich noch gar nicht richtig für den Walther-Bensemann-Preis bedankt hatte, deswegen war er ja hier. „Ich wusste nicht viel über den Preis, um ehrlich zu sein. Und ich wusste noch weniger über Walther Bensemann“, gestand er, fügte dann aber flink an, er wäre „gerne sein Freund gewesen“, Bensemann sei ein außergewöhnlicher Kerl. „Ich glaube, wir hätten uns gut verstanden“, sprach Klopp über den Mitbegründer des Fußballmagazins Kicker. 

Die 10 000 Euro, mit denen der Preis dotiert ist, spendet Klopp an „KickIn! – Beratungsstelle Inklusion im Fußball“, er verdoppelte zudem spontan das Preisgeld der TSG Wilhelmsdorf, die den Fan-Preis des Jahres für gewonnen hatten. Als sein Auftritt nach knapp zwanzig Minuten zu Ende war, schwappte Applaus durch die Halle, der keinen Zweifel daran ließ, dass Jürgen Klopp trotz seines RB-Wechsels für viele immer noch Jürgen Klopp ist. Auch, weil er nach der Veranstaltung bereitwillig jeden Foto- und Autogrammwunsch erfüllte und sich noch kurz auf der After-Show-Party blicken ließ. Wenn Jürgen Klopp will, ist er noch immer einer zum Anfassen.