Jonathan Burkardt startet bei Eintracht Frankfurt als Anti-Ekitiké

Noch ist es unklar, ob Jonathan Burkardt der Nachfolger von Hugo Ekitiké im Eintracht-Sturm werden wird oder ob er mit dem Franzosen ein Offensiv-Duo bildet. Aber unabhängig davon, ob der französische Paradiesvogel in Frankfurt bleibt oder – wie allseits erwartet – die Main-Metropole verlassen wird: Ein größerer Gegensatz zwischen zwei Fußballprofis ist kaum denkbar.

Burkardt präsentierte sich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt für seinen neuen Klub als klar denkender, völlig strukturierter, seriöser Berufssportler, dessen Streben ganz auf Leistungssteigerung fokussiert ist. Ekitikés Künstlerseele kam und kommt durch Auftritte in einer pinkfarbenen Plüschjacke auf der Pariser Fashion Week zum Ausdruck oder durch effektheischende Dribblings inklusive nicht ganz so sinnvoller Übersteiger und Kringel, choreographierten Torjubel sowie lustige Auftritte in den sozialen Medien.

Burkardt offenbarte am Montag seine Konzentration aufs Wesentliche, als er die Antwort auf die Frage verweigerte, ob er als Kind in Eintracht-Bettwäsche geschlafen habe oder nicht. „Ich möchte mich auf das Sportliche beschränken“, bat der Mittelstürmer um Verständnis, der bis Saisonende seine Tore für den FSV Mainz 05 schoss. In den sozialen Medien ist er ohnehin nicht unterwegs: „Zeitverschwendung durch Reizüberflutung.“

„Ein Mensch für saubere Übergänge“

Man kann wirklich nicht behaupten, dass Burkardt ein Genussmensch ist; ihm sind Pflichterfüllung, Verantwortungsbewusstsein und Nachhaltigkeit wichtig. Eigenschaften, die einerseits seine Zusammenarbeit mit der Eintracht verzögerten, andererseits dazu beitrugen, dass sie mit anderthalbjähriger Verzögerung doch noch zustande gekommen ist. Im Winter 2023/24 machten die Frankfurter dem Mainzer Mannschaftskapitän ein lukratives Angebot, das er aber aus Rücksicht auf seinen Ausbildungsverein ablehnte.

Das könne er den 05ern nicht antun, im Sommer ablösefrei nach Frankfurt zu gehen. Stattdessen verlängerte er seinen Vertrag mit den Rheinhessen, wofür ihm Sportvorstand Christian Heidel sehr dankbar war und zu dem Versprechen veranlasste, ihm bei einem künftigen Vereinswechsel keine Steine in den Weg zu legen. Als die Eintracht im vergangenen Winter wieder an Burkardt herantrat, wurde sie von ihm abermals vertröstet. Die Saison wolle er noch zu Ende spielen. „Ich bin ein Mensch, der saubere Übergänge möchte.“

Wieder akzeptierte die Eintracht die Entscheidung des Spielers, nahm aber ihr Werben unmittelbar nach dem letzten Spieltag wieder auf. Was Burkardt beeindruckte: „Ich hatte das Gefühl, dass die Eintracht mich unbedingt wollte, und sie gibt mir die richtige sportliche Perspektive. Die Champions League ist schon ein sehr großes Argument.“

Obwohl sich Spieler und aufnehmender Verein schnell über die vertraglichen Konditionen einig waren und das Versprechen von Heidel vorlag, bei einem Wechsel mitzuspielen, verzögerte sich die Verpflichtung um einige Wochen. Denn Burkardt hatte in der vergangenen Saison seinen Transferwert von etwa 20 Millionen Euro auf etwa 35 Millionen Euro gesteigert – 18 Bundesligatore machten ihn zum treffsichersten deutschen Stürmer der Liga, außerdem gab er sein Debüt in der Nationalmannschaft.

„Sehe die Eintracht nicht als Sprungbrett“

Diese Tatsachen machten es für die Mainzer schwierig, ihren besten Mann zum alten Preisniveau ziehen zu lassen. Nach einigen Verhandlungen einigte man sich auf einen leichten Zuschlag zur ursprünglich ins Auge gefassten Summe.

Einschließlich Boni kostet Burkardt die Eintracht 23 Millionen Euro. Immer noch ein Schnäppchen. „Ich bin Christian Heidel dankbar, dass er sich an sein Versprechen erinnert hat“, sagte Burkardt am Montag und betonte, wie wichtig es ihm ist, „im Reinen mit Mainz auseinandergegangen zu sein. Das passt zu mir.“

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In Mainz war Burkardt, der in diesen Tagen 25 Jahre alt wird, Mannschaftskapitän, Gesicht des Vereins und Vorbild für Kollegen. In Frankfurt möchte er sich erst einmal eingliedern. Aber er ließ keinen Zweifel daran, dass er sich in Zukunft eine ähnliche Rolle vorstellen könnte: „Ich sehe jedenfalls die Eintracht nicht als Sprungbrett oder weiteren Karriereschritt. Ich kann mir gut vorstellen, hier ein paar Jährchen zu bleiben.“

Dass er aus der Region komme, habe keine Rolle für seine Entscheidung gespielt, eher der gute Eindruck, den er aus der Distanz vom Klub und seinen neuen Kollegen gewonnen hat: „Die vergangene Saison hat mir viele Anreize gegeben, nach Frankfurt zu gehen. Wie sie überzeugend in Freiburg gewonnen hat, nachdem die Spiele zuvor nicht so gut gelaufen sind, hat mich sehr beeindruckt. Mit Trapp, Koch, Kristensen, Theate und Götze ist ganz viel Mentalität in der Mannschaft. Es hat schon Spaß gemacht, gegen sie zu spielen, es war immer intensiv, aber fair.“ Umso mehr Spaß erwartet er sich, mit ihnen zu spielen.

„Ich erwartete einfach zu viel von mir“

„Ob ich allein als Spitze spiele oder mit einem Partner, macht für mich keinen Unterschied“, sagt Burkardt. Auf die Frage, was er der Eintracht geben könne, gibt er ohne zu drucksen und ohne zu tönen eine klare Antwort: „Ich kann helfen, das Anlaufen defensiv zu steuern und koordinieren, und wenn ich meine gute Chancenverwertung aufrechterhalten kann, werde ich in der Box wirksam sein.“ Burkardt war im vergangenen Jahr einer der effizientesten Stürmer in Europas Top-Ligen.

„Das habe ich mir hart erarbeitet, zugeflogen ist mir nichts.“ Trainer-Urgestein Hermann Gerland habe ihm bei der U 21 wertvolle Tipps gegeben, aber er hat sich auch selbst weitergeholfen. „Ich versuche immer, intelligent und logisch zu handeln.“ Deshalb führt er gerne Listen, in denen er seine Erfahrungen sammelt – für alle Lebenslagen, aber auch über Gegenspieler und Spielsituationen. „So kriege ich es aus dem Kopf und vergesse nichts.“ Er schaut vor dem nächsten Aufeinandertreffen nach. „Ich denke, das hilft mir, weil es sich im Unterbewusstsein festsetzt.“

Und weil Burkardt so strukturiert ist, hat er auch seine Schwäche bekämpft: „Ich war überehrgeizig, manchmal so selbstkritisch, dass es ins Negative umschlug. Ich erwartete einfach zu viel von mir.“ Mithilfe eines Mentaltrainers habe er das in den Griff bekommen. Bei seinem ersten Auftritt in Frankfurt machte Burkardt den Eindruck völliger Vorfreude auf das Kommende, ohne belastende Nebengedanken. „Ich kann es gar nicht erwarten, dass es richtig losgeht.“