Eines muss man ihnen lassen: Sie sprechen Klartext. Kein Wir-haben-uns-alle-lieb, kein Wir-sind-alle-schön. Nein, die Botschaft ist eindeutig. Der Schauspieler Jonathan Bailey ist heiß, sehr heiß sogar. Und das ist jetzt auch quasi-amtlich. Bailey hat ein „unfair schönes Aussehen“, ist „höchst unwiderstehlich“ und „weiß, wie man jemanden feucht werden lässt“. Zumindest wenn es nach People geht, dem US-amerikanischen Klatschmagazin. People erschafft sich seit 1985 jährlich seine eigene Schlagzeile, indem es den „Sexiest Man Alive“ kürt. Herzlichen Glückwunsch also an Jonathan Bailey, der diese Woche den Titel verliehen bekam. Und eine Story samt Fotoshooting obendrein.
Bailey ist dem geneigten Fan von gutem Kitsch als Anthony aus der Netflix-Serie „Bridgerton“ bekannt, dem viktorianischen Liebes-Epos. Ende des Monats ist er wieder im Kino zu sehen, als Prinz in der Musical-Verfilmung von „Wicked“. Als „Sexiest Man Alive“ reiht er sich ein in eine illustre Reihe von Hollywood– und Entertainment-Größen aus dem englischsprachigen Raum, die diesen Titel ebenfalls tragen. Tom Cruise zum Beispiel, Matthew McConaughey, Matt Damon, Bradley Cooper oder Michael B. Jordan. Offen gesagt: Ein Großteil der Hollywood-A-List ist, und/oder war es mal, so gottverdammt sexy.
Zum Ritual dieser Form der Termin-Eventisierung gehört es, dass die Preisträger möglichst austauschbare Aussagen von sich geben.„Ich nehme diese Auszeichnung sehr gerne an“ (David Beckham, 2015), oder: „Es ist völlig absurd“ (Jonathan Bailey, 2025). Der Klassiker, weil von praktisch jedem „Sexiest Man Alive“ einmal ausgesprochen, bleibt allerdings: „Es ist mir eine große Ehre.“

Ob sich an diese Ehre in einer Woche noch jemand erinnert? Dürfte sowohl People als auch den Männern egal sein. Ohnehin hat sich unter den wirklich sehr heißen Typen längst so etwas wie eine Zwei-Klassen-Gesellschaft aufgetan. Drei Männer – Brad Pitt, George Clooney und Johnny Depp (ja, wirklich) – wurden nämlich bereits doppelt ausgezeichnet. Mit Richard Gere sind es sogar vier. Gere wurde einmal solo und dann noch mit dem Model Cindy Crawford, damals seine Partnerin, als „Sexiest Couple“ ausgezeichnet.
Die gängigste Kritik an der ganzen Angelegenheit: Menschen, und hier ausnahmsweise mal Männer, werden zu Objekten. Schon schlimm, klar. Aber vielleicht auch eine kleine Rache an dem Umstand, dass es in der Regel Frauen sind, die so betrachtet werden. Dass People wiederum mit der Binse aufräumt, dass Schönheit etwas Subjektives sei, ist wunderbar erfrischend. Natürlich hat jeder Mensch individuelle Vorlieben und Abneigungen. Und natürlich ist jeder Mensch an und für sich liebens- und begehrenswert, unabhängig vom Aussehen. Aber so zu tun, als könnte man einen Mann nicht objektiv hübsch oder – etwas pseudoakademisch – normschön nennen? Das grenzt auch an Lüge.

Nachdem die Wahl vergangenes Jahr auf John Krasinski fiel, bekannt als „Jim“ aus der Büro-Satire „The Office“ und in den Augen vieler weniger schön als seine Vorgänger, ist mit Bailey nun wieder jemand stereotyp Hübsches dran. Und trotzdem ist es eine kleine Revolution. Laut US-Medienberichten ist er der erste offen schwule Titelträger. Fortschritt, der klingt, als wäre es 2015.
