
Als Joe Chialo (CDU) vor zwei Jahren Berliner Senator für
Kultur und Europa wurde, standen die Kommentatoren auf der Bremse. Erwartbar
wäre die harsche Kritik gewesen, was denn ein weiterer Musikmanager wie Chialo
in der Kulturpolitik der Hauptstadt suche. Denn die Amtszeit seines
Vorvorgängers Tim Renner, ehedem auch Musikmanager und dann Kultursenator, wenn
auch im Rang eines Staatssekretärs, hatten viele in Berlin nicht in allzu guter
Erinnerung. Mit Chialo übernahm nun erstmals ein Schwarzer den Posten.
Womöglich taten sich deshalb manche schwer damit, ihn schon im Vorfeld mit dem üblichen Vorwurf
abzukanzeln, dass er nicht aus der Hochkultur komme.
Am Freitag bat Joe Chialo nun den Regierenden Bürgermeister
von Berlin, seinen Parteikollegen Kai Wegner, um seine Entlassung aus dem Amt des
Kultursenators. Der hat der Bitte entsprochen. Chialo begründete seinen Schritt damit, dass er die aktuellen
Sparmaßnahmen im Kulturhaushalt der Hauptstadt noch „schweren
Herzens“ mitgetragen habe, nunmehr anstehende weitere Kürzungen will er aber offenkundig nicht verantworten: „Die nun geplanten weiteren Kürzungen
greifen jedoch zu tief in bestehende Planungen und Zielsetzungen ein, verändern
zentrale fachliche Voraussetzungen und führen so zur drohenden Schließung von
bundesweit bekannten Kultureinrichtungen.“
Im Zuge von Joe Chialos Rücktritt muss man sich nun doch
fragen, warum die Berliner CDU ihn als Kultursenator haben wollte. Denn es hat
sich in den vergangenen zwei Jahren erwiesen, dass etwas mehr Wissen darüber,
wie insbesondere die hochkulturellen Institutionen wie Theater, Opern und
Museen wirtschaften, ganz gut gewesen wäre. Immer wieder zeigten sich führende
Kulturleute in Hintergrundgesprächen erstaunt, wie oft sie dem Senator die
Grundlagen ihrer Betriebe und Produktionsweisen erklären mussten. Chialo soll
jeweils freundlich zugehört und auch gelernt haben. Aber als die Sparvorgaben
für das Haushaltsjahr 2025 des Landes Berlin erstens viel zu spät Ende 2024
kommuniziert wurden und zweitens viel drastischer ausfielen, als von Chialo
lange in Aussicht gestellt, wich der vorsichtige gegenseitige Respekt dann
handfesteren Gefühlen, meistens Entsetzen.
Die Kulturszene hat sich seither auf Chialo als Sündenbock
geeinigt (was nichts mit den Angriffen etwa auf sein Privathaus zu tun hatte). Und hier zeigt sich ein zweites Manko von Chialo, das schwieriger
einzuschätzen war als die allenfalls zu niedrige Kulturkompetenz: seine
politische Unerfahrenheit. Nicht nur gegen Widerstände von außen, sondern vor
allem gegen solche von innen, aus seiner eigenen Partei und vom
Koalitionspartner SPD, hat sich die Unerfahrenheit augenscheinlich als ungünstig
erwiesen. Chialo ging offenbar davon aus – so hat er es mehreren Theaterleitern
nach deren Aussagen erzählt –, dass er die überproportionalen Sparvorgaben von
zehn Prozent, die die Kultur im Zuge des Berliner Sparhaushalts 2025 beizutragen
hatte, deutlich runterdrehen werden könne. Das Gegenteil trat ein, es wurden
zwölf oder mehr Prozent, je nach Rechnungsweise. Und dann gingen die
handwerklich zum Teil stümperhaften
Streichlisten für die Kultur gar nicht auf Chialo und seine Referate im Kultursenat zurück, ja
sie wurden sogar an ihm und seinen Leuten vorbeikommuniziert. Ein Affront, der
anderen bereits als Rücktrittsgrund ausgereicht hätte.
Man konnte also auf die Idee kommen, dass Joe Chialo für den
Parteikollegen Kai Wegner jemand war, hinter dessen
Rücken die wirklichen Entscheidungen getroffen wurden. Wie sehr Chialo von
dieser Koalition über den Tisch gezogen wurde, wollte die erzürnte Kulturszene
in weiten Teilen nicht mehr erkennen. Allerdings machten es Chialos Äußerungen,
öffentlich oder bei CDU-Treffen getroffen, die Kultur müsse nun
marktorientierter denken, nicht besser. Vor allem, weil Chialo nicht erklären konnte oder wollte, was das bedeuten würde. Sponsoring kann er nicht gemeint haben, wenn die
finanzstärksten Sponsoren, in Deutschland die Autobauer, gerade dabei sind,
viel tiefer in die Krise zu rutschen als die Kultur. Dass das Zauberwort
Sponsoring in der bildenden Kunst ein paar Türen öffnen kann, aber nicht im
Sprechtheater, sollte ein Kultursenator einfach wissen. Und was genau
Kulturinstitutionen von der Clubkultur lernen sollen, wo reihenweise Orte
in Berlin schließen, blieb sowieso unklar.
Hinzukommt, dass die meisten Kulturinstitutionen in Berlin
nicht schlecht laufen. Die größten Sprechtheater und Opern, die teuersten
Läden, sind hervorragend ausgelastet und produzieren offensichtlich nicht an
ihrer Kundschaft vorbei. Deshalb wirkten Chialos ein bisschen
kreativwirtschaftlichen, ein bisschen neoliberalen Sprüche halt wirklich wie
Sprüche, und in den Ohren mancher wie Ressentiment, als pauschale Verachtung
ohne konkreten Grund.
Nun gibt es sicher gute Gründe, Quereinsteiger in der
Politik zu begrüßen, und Chialo war
gleich ein doppelter, parteipolitisch und fachlich. Die Hoffnung, die sich mit
Quereinsteigern verbindet, lautet dann üblicherweise: Die nehmen
weniger Rücksicht auf die Besitzstandrhetorik der Kulturlobbyisten und auf die
routinierten Debattenreflexe. Das kann auch tatsächlich von Vorteil sein. Muss
es aber nicht.