
„Endlich
habe ich es auch mal hierher geschafft“, ruft ein bestens gelaunter Jens Stoltenberg vom Podium im Saal „Fantasie 2“ auf der Frankfurter Buchmesse
hinab. Der frühere Nato-Generalsekretär und Sozialdemokrat hat ein Buch über seine zehnjährige
Amtszeit geschrieben, und er wirkt ein bisschen so, als habe er das Amt nur
ausgeübt, um am Ende dieses Buch (Auf meinem Posten, Siedler Verlag) darüber
schreiben zu können. „Ich habe so viel von euch gehört“, ruft der den
Buchmessen-Journalisten auf dieser Pressekonferenz zu. „Toll, hier zu sein!“
Um
seine Laune noch etwas zu steigern, hat man ihm den Springer-CEO Mathias Döpfner an die Seite gestellt, der ihn sogleich als sein „role model“ für einen
Politiker in diesen schwierigen Zeiten bezeichnet, den er lange schon bewundere,
weshalb er leider mit seinen Fragen nicht objektiv sein könne. Es wird dann
später aber doch einige Differenzen zwischen den beiden geben.
Junge, lass das sein!
Aber
erst mal erklärt der Ex-Nato-Chef, der die nächste Münchner Sicherheitskonferenz
leiten wird und inzwischen wieder Minister in Norwegen ist, dass der
Lebensabschnitt, den er in diesem Buch beschreibt, der langweiligste seines
Lebens hätte sein sollen. Denn nachdem er von Merkel gefragt und danach auch vom
damaligen US-Präsidenten Barack Obama für den Posten vorgeschlagen worden war, habe
er seinen Vater, den früheren norwegischen Außen- und Verteidigungsminister
Thorvald Stoltenberg, gefragt, ob er das machen solle, erzählt er. Die Antwort:
„Junge, lass das sein! Du langweilst dich doch so leicht. Bei der Nato passiert
absolut nichts. Du wirst dich zu Tode langweilen.“
Stoltenberg
übernahm den Posten dennoch, und das Jahrzehnt wurde das wohl turbulenteste der
Geschichte des Bündnisses, so schildert Stoltenberg es im Buch. Der überstürzte
Abzug aus Afghanistan, der Überfall Russlands auf die Ukraine und das
zwischenzeitliche Bestreben des US-Präsidenten Donald Trump, die Nato zu
verlassen.
So offen und transparent wie möglich
Stoltenberg
erklärt hier im Raum „Fantasie 2“, dass er sich vorgenommen habe, im Buch so
offen und transparent wie möglich zu sein. Er greift dafür nicht nur auf die Gesprächsprotokolle
und Aufzeichnungen seines Büros zurück, sondern auch auf die Notizen, die er
selbst während der Amtszeit gemacht hat.
Die
Rahmenhandlung seines Buches ist tatsächlich so etwas wie ein
Entwicklungsroman. Denn es ist auch die Geschichte eines jungen Mannes, der in
jungen Jahren auf Norwegens Straßen gegen die Nato demonstrierte und Steine auf
die Amerikanische Botschaft warf. „Na ja, ich war damals 13 oder 14 Jahre alt, und meine Schwester hat mich mitgenommen“, sagt er. „Aber ich war schon selbst
verantwortlich. Ich will das meiner Schwester jetzt nicht in die Schuhe
schieben.“ Und er erzählt, wie ihn seine Eltern am Küchentisch in vielen
Gesprächen vom Nutzen der Nato überzeugt haben. Und nun endet sein Buch so:
„Auf meinem Posten ist eine Liebeserklärung an die Nato, an die
internationale Zusammenarbeit und an die große Gemeinschaft.“
Eine
Liebesgeschichte also. Ist das dann vielleicht doch – ein klein wenig
übertrieben?