Jedes fünfte Kind nach der Grundschule noch Nichtschwimmer

„Es können immer weniger Menschen schwimmen“, sagt der Präsident des hessischen Landesverbands der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Hohmann fordert mehr finanzielle Unterstützung für Städte und Gemeinden beim Betrieb ihrer Schwimmbäder. Ihm bereitet der langjährige Trend Sorge, denn auch in Hessen sei jeder fünfte Schüler nach dem Verlassen der Grund­schule noch immer ein kompletter Nichtschwimmer, der nicht einmal das „Seepferdchen“ erworben habe. „Ohne Schwimmbäder gibt es keine Schwimmausbildung und dann irgendwann auch keine Rettungsschwimmer mehr“, warnt der 52 Jahre alte Präsident, der selbst im Katastrophenschutz als Rettungsschwimmer aktiv ist und daher weiß, wovon er spricht.

2022 hatte die DLRG die jüngsten Zahlen erhoben, laut Hohmann sind die Schlussfolgerungen daraus nach wie vor aktuell. 2017 lag der Anteil der Nichtschwimmer in den Grundschulen noch bei zehn Prozent – er hat sich somit seitdem etwa verdoppelt. „Der Trend ist dramatisch und wird uns die nächsten Jahre noch sehr beschäftigen“, sagt Hohmann, der seit 2018 Präsident der DLRG in Hessen ist.

Wie viele Bäder es in Hessen noch gibt, kann auch Hohmann nicht sagen. Er verweist auf den neu aufgelegten Sportstättenatlas des Landes, der zumindest künftig einen Vergleich ermögliche. „In Hessen ist es durch Investitionsprogramme der Landesregierung etwas glimpflicher abgelaufen, was die Schließung von Bädern betrifft“, sagt Hohmann. Zudem berichtet er, dass etwa in Rüsselsheim, in Niestetal bei Kassel und Frankfurt-Bornheim sogar neue Schwimmbäder gebaut wurden. „Das sind Leuchtturmprojekte, und wir sind froh, dass die Sportstättenförderung in die Investitionspakete der Bundesregierung aufgenommen wurde“, sagt er. In Wiesbaden wird derzeit der Sportpark Rheinhöhe mit Hallenbad gebaut.

Lange Wartezeiten für Schwimmkurse

Laut Hohmann ist die Situation in den großen Städten, die über mehr Schwimmbäder verfügen, jedoch nicht immer besser, weil dort auch mehr Menschen diese Bäder besuchten. Hinzu komme, dass der laufende Unterhalt der Bäder die Kommunen oft vor große Herausforderungen stelle, zumal es sich dabei um freiwillige Leistungen der Kommunen handele, die nicht unter den Bestandsschutz der Daseinsvorsorge fallen.

„Wir arbeiten mit dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindebund zusammen, um die Städte, die ein Bad betreiben, beim kommunalen Finanzausgleich besserzustellen“, erläutert der Präsident. In Schleswig-Holstein werde schon so verfahren. Im Main-Kinzig-Kreis zahle der Landkreis einen Unterhaltungskostenzuschuss von 100.000 Euro an jede Kommune, die ein Schwimmbad betreibe. In Wetzlar zahle der Landkreis Lahn-Dill als Schulträger einen erhöhten Eintrittspreis für die Schulkinder.

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Der DLRG-Präsident fordert aber auch ein Umdenken in der Bevölkerung, um Todesfälle durch Ertrinken zu verringern. Die Menschen wollten ihre Freizeit am oder auf dem Wasser verbringen und müssten dann auch akzeptieren, dass Schwimmen wichtig sei. Wer als Nichtschwimmer ins Wasser falle, gerate in Lebensgefahr. „Es wird immer gesagt, in Frankfurt oder in Wiesbaden, da haben wir so viele Bäder. Das stimmt, aber es liegt auch in der Verantwortung der Eltern, dass die Kinder schwimmen können“, stellt er klar.

Die Schüler müssten bei Schwimmkursen angemeldet werden. In Zusammenarbeit mit dem Hessischen Schwimmverband und der Landesregierung biete die DLRG flächendeckend solche Kurse an, auch wenn es zum Teil recht lange Wartezeiten gebe. „Ich kenne Einzelfälle, da ist die Warteliste für zwei Jahre ausgebucht“, sagt Hohmann.

Ein „Seepferdchen“ reicht nicht aus

Viele Städte halten eigene Angebote vor. So laden etwa die Wiesbadener Bäderbetriebe Mattiaqua Kinder zu Kursen für Wassergewöhnung, Anfänger und Fortgeschrittene sowie Kraultechniken ein. Für Erwachsene ist ebenfalls Unterricht vorgesehen. Laut Hohmann reicht das jedoch nicht aus, und auch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie seien noch spürbar.

„Damals waren die Bäder geschlossen, weswegen wir einen Rückstau haben“, erläutert er. Dass dieser nicht einfach aufgeholt werden könne, liege eben an der geringen Verfügbarkeit von geeigneten Wasserflächen. „Wir reden über Hallenbäder. Freibäder sind zwar nett, aber kein adäquates Mittel, weil sie nur begrenzt verfügbar sind“, sagt er. Frankfurt setzt auch aus diesem Grund verstärkt auf Traglufthallen, um Freibäder im Winter nutzen zu können.

Gleichwohl bietet die DLRG ergänzend in Freibädern, Seen und auch an der Ostsee Schwimm-Ferienkurse an. „Wir probieren derzeit, in jeder verfügbaren Wasserfläche, also auch in Hotelhallenbädern oder Therapiebecken von Senioreneinrichtungen, Kinderschwimmkurse abzuhalten“, schildert Hohmann die Situation. In diesem Jahr hat die DLRG mit ihren mehr als 65.000 Mitgliedern wieder die Kampagne „Hessen lernt Schwimmen“ in Zusammenarbeit mit der Landesregierung und dem Schwimmverband aufgelegt. Im Juni waren die sogenannten Schwimmabzeichentage, deren Schirmherrschaft Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) übernommen hat.

„Das ist ein super Projekt und hat zum Ziel, dass die Kinder das Schwimmabzeichen Bronze, den sogenannten Freischwimmer, machen können“, sagt Hohmann. Zusammen mit dem hessischen Sparkassen- und Giroverband übernimmt die DLRG alle Ausbildungs- und Prüfungskosten. Mehr als 2000 Schwimmabzeichen wurden laut Hohmann abgenommen. Für den DLRG-Funktionär ist das wichtig, denn nur, wer das Abzeichen in Bronze erworben habe, könne auch sicher schwimmen. Ein „Seepferdchen“ reiche dafür nicht aus.